Ein Schriftsteller für Afrika

Von Tobias Wenzel |
Henning Mankell – dieser Name ruft bei vielen gleich einen weiteren hervor: Kurt Wallander, Kommissar, Held der Kriminalromane Mankells. Manchmal wäre es dem Schweden Mankell aber lieber, wenn man seinen Namen vor allem mit Afrika verbinden würde. Denn für diesen Kontinent macht er sich seit Jahren stark. So auch in einer Rede bei den Berliner Festspielen.
"Mit einem Bein im Schnee und mit dem anderen im Sand" – so nannte Henning Mankell seine Rede. In Anspielung darauf, dass er seit vielen Jahren zwischen Schweden und Afrika hin- und herpendelt. Den schwedischen Schnee bekam der Kriminalautor schon am Sonntag früh zu spüren:

"Heute um fünf Uhr morgens war ich am Flughafen. Es herrschte Schneesturm. Und da habe ich gedacht: Lieber Gott, sei jetzt nett zu mir. Schließlich muss ich rechtzeitig in Berlin sein. Und da verschwand der Schnee plötzlich und wir konnten losfliegen."

Henning Mankell setzte im ausverkauften Berliner Renaissance-Theater anfangs auf Humor. Wohl auch, um die Zuhörer auf leichte Art an ein ernstes Thema heranzuführen: Afrika und die Ignoranz Europas dem schwarzen Kontinent gegenüber.

Ein notorischer Lauscher sei er, bekannte der schwedische Bestseller-Autor. In Mosambik habe er einmal auf einer Bank das Gespräch zweier alter Männer belauscht:

"Ich verstand, dass sie sich über einen dritten alten Mann unterhielten, der gestorben war. Und einer der beiden Männer sagte: Ich war bei ihm zu Hause. Und er erzählte uns eine unglaublich interessante Geschichte aus seiner Kindheit. Aber es war eine sehr lange Geschichte. Und es wurde Nacht. Und wir entschlossen uns dazu, das Ende der Geschichte auf den folgenden Tag zu verschieben. Aber am nächsten Tag war der Mann tot. Dann schwiegen die beiden Männer auf der Bank, bis schließlich der eine von ihnen etwas sagte, was ich in meinem Leben nicht vergessen werde: Es ist keine gute Sache zu sterben, bevor man das Ende seiner Geschichte erzählt hat."

Für ihn, Henning Mankell, ist deshalb der Mensch nicht nur ein Homo sapiens, ein weises Wesen, sondern auch ein Homo narrans, ein Erzähler. Die Fähigkeit des Erzählens sei, so Mankell in seiner Berliner Lektion, ein verbindendes Charakteristikum aller Menschen. Auch wenn wir Europäer manchmal die Bedeutung der Worte überschätzten im Gegensatz zu den Afrikanern.

Der schwedische Schriftsteller erinnerte sich daran, wie er sich einer afrikanischen Frau vorstellen wollte und sie ihn daraufhin bat, dies statt mit Worten mit einem Tanz zu tun. Das Resultat: ein äußerst ungeschickter Auftritt Mankells:

"Es herrschte eine unbeschreibliche Stille. Und dann sagte die alte Frau etwas Wunderschönes: Nachdem wir nun gesehen haben, wie du tanzt, sind wir nicht in der Lage, mit dem Innern unseres Herzens abzuschätzen, wer du bist oder woher du kommst. Aber das ist wahrscheinlich unser Problem, unser Fehler. Ich denke manchmal, dass angehende Diplomaten, diese Worte verinnerlichen sollten."

Als einen perfekten Diplomaten, einen vorbildlichen Mittler zwischen Afrika und Europa, lobte Henning Mankell Horst Köhler. Der Schriftsteller hatte den Bundespräsidenten Mitte Januar auf seiner Reise nach Ghana begleitet. Beide teilen die Auffassung, dass alle großen Probleme Afrikas auf die dortige Armut zurückzuführen sind:

"Es ist eine Schande, eine Schande für mich und für Sie, dass im Jahre 2007 Millionen von afrikanischen Kindern keine Möglichkeit haben, Schreiben und Lesen zu lernen. Das ist eine Schande. Die Organisation Oxfam hat ausgerechnet, dass die Summe, die man bräuchte, um das Problem des Analphabetentums in den Griff zu bekommen, genauso hoch ist wie die Summe, die wir Jahr für Jahr für Katzen- und Hundefutter ausgeben."

Die Botschaft Mankells war eindeutig: Europa hätte längst die großen Probleme Afrikas lösen können. Aber die Angst davor, das Spendengeld komme nicht wirklich bei den Bedürftigen an, sei leider oft größer als die Einsicht, dass Hilfe trotzdem notwendig ist. Henning Mankell machte in seiner "Berliner Lektion" klar, dass er diese Haltung nicht hinnehmen und sich weiter für den vergessenen Kontinent stark machen werde:

"Afrika hat aus mir einen besseren Europäer gemacht. Aus der Distanz zu Europa habe ich nämlich erkennen können, was richtig in unserem Teil der Welt läuft. Aber ich habe auch die Risse in den Mauern Europas gesehen. Und ich habe viel über die conditio humana , also über das, was den Menschen zum Menschen macht, gelernt, indem ich sah, wie Afrikaner leben. Das ist die rationale Antwort auf die Frage, warum ich mit einem Bein im Schnee und mit dem anderen im Sand lebe."