Ein Schlüsselbau der karolingischen Renaissance

Von Thomas Wenkert |
32 Weltkulturstätten hat Deutschland zu bieten. Am Wochenende wurde der Welterbetag gefeiert: Die zentrale Veranstaltung fand in Aachen statt. Vor 30 Jahren wurde der Dom der Stadt als erstes Baudenkmal Deutschlands in die Liste der Weltkulturstätten aufgenommen.
Der Aachener Dom mit seiner markanten Silhouette ist ein gewaltiges Gebäude. Die Häuser der Altstadt schmiegen sich eng um den Bau. Nur der nach Norden zum Rathaus hin etwas ansteigende, großflächige Katschhof verschafft dem imposanten Bauwerk etwas Luft.

Der Aachener Dom ist gleich in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung: Er ist Begräbnisstätte Karls des Großen, er war 600 Jahre lang die Krönungskirche der römisch-deutschen Könige - von Otto I. im Jahre 936 bis zu Ferdinand I. im Jahre 1531. Und der Aachener Dom ist bis heute eine Wallfahrtskirche. Jährlich kommen mehr als eine Million Besucher. Architektonisch herausragend ist vor allem das kuppelüberwölbte Oktogon. Es hat die Form eines Klostergewölbes und ist fast 32 Meter hoch.

Dompropst Helmut Poque beschrieb das Oktogon beim heutigen Hochamt als einen Felsen, auf dem alles steht:

"Viele - besonders Aachener - vermuten, dass das Oktogon auf Quellboden steht. Fakt ist aber, dass die Fundamente in einer Tiefe von sechs Metern auf festem Boden stehen, teilweise auch auf Felsboden. Teilweise ist die Fundamentierung durch Eichenbalken zusätzlich verstärkt worden. Und die 1200 Jahre alte Geschichte dieses Gotteshauses hat bewiesen, dass dieses Haus den Ansprüchen des Evangeliums voll entspricht. Es ist gleichsam auf Fels gebaut."

Als die UNESCO den Aachener Dom 1978 auf die Liste der Weltkulturdenkmäler setzte, nannte die Weltgemeinschaft zwei Gründe: Erstens sei der Dom ein Schlüsselbau der "Karolingischen Renaissance" und stelle eine für seine Zeit überragende Leistung dar. Und er stehe für die Bildung einer neuen, nachantiken, europäischen Hochkultur. Mehrere Epochen lassen sich erkennen: Nach dem karolingischen Bau folgte eine gotische Halle und ein Barockbau. Für Dompropst Poque etwas Einzigartiges:

"Das wäre heute nach den Kunstkriterien kaum noch möglich. Aber das geht alles in eine wunderschöne Einheit, Geschlossenheit im Aachener Dom über - sodass Sie, wenn Sie drin sind, haben Sie das Gefühl, dass in sich alles stimmig ist, zumal, das darf ich auch nicht verschweigen, meine Vorgänger es geschafft haben, mit einem Konzept zu arbeiten, das man wirklich spürt. Das Oktogon ist das Zentrum und alles andere ist an diesem Zentrum angehängt."

Der Vorsitzende der UNESCO-Welterbestätten Deutschland, Horst Wadehn, betonte heute ebenfalls die herausragende kulturgeschichtliche Bedeutung des Aachener Doms:

"Er ist die Nummer Eins. Nicht nur, weil er es vor 30 Jahren zur ersten Weltkulturstätte in Deutschland gebracht hat, sondern ich habe ihn ja gerade jetzt noch mal 1,5 Stunden auf mich wirken lassen. Großartig! Ich bin stolz, dass der Dom zu unseren Weltkulturerben gehört."

Horst Wadehn fand heute - am Welterbetag - aber auch mahnende Worte. Die 32 in Deutschland eingetragenen Weltkulturstätten dürften nicht nur den Tourismus in den Städten und Gemeinden ankurbeln, sie müssten auch weiterhin als Alleinstellungsmerkmal deutscher Kulturgeschichte erhalten bleiben. Massiv kritisierte Wadehn in diesem Zusammenhang die Vermarktung des oberen Mittelrheintal, dass sich von der Römerstadt Koblenz über die Loreley bis nach Bingen erstreckt. Nach Meinung der UNESCO ist die Werbung zu aggresiv.

Horst Wadehn: "Vor allem, wenn ich an den oberen Mittelrhein denke, der ja von der wirtschaftlichen Entwicklung Probleme hat, denn, wenn man dann durch die teilweise zauberhaften Gemeinden fährt, dann tut es weh in den Augen, wenn man dann aggressive Werbung sieht."

Unterstützt wurde der deutsche UNESCO-Sprecher vom Aachener Bürgermeister Jürgen Linden:

"Die hohen Kriterien sind richtig und ich verstehe manchmal kommunale Kollegen in anderen Städten nicht, wie leichtfertig sie so einen Begriff wie Weltkulturerbe aufs Spiel setzen. Wir haben gemeinsam mit dem Kapitel, aber auch mit Wissenschaftlern der RWTH Aachen einen Kriterienkatalog erarbeitet, der eine so genannte Pufferzone für den Dom ausweist."

Beispielhaft für andere Städte und Gemeinden: Der Dom soll eine Schutzzone erhalten. So dürfen sich zum Beispiel in Zukunft nur noch bestimmte Geschäfte rund um den Aachener Dom ansiedeln. Eine entsprechende städtebauliche Satzung soll noch in diesem Jahr beschlossen werden.

Ziel ist es, den Titel "Weltkulturerbe" auf Jahrzehnte zu sichern. Damit dieser Titel auch weiterhin etwas ganz Besonderes bleibt, hat die UNESCO heute angekündigt, zusammen mit den Städten und Gemeinden, die ein Weltkulturerbe haben, ein gemeinsames Marketingkonzept zu erstellen. Dies soll das Denkmal schützen, aber gleichzeitig auch den Tourismus fördern. Für den Aachener Dompropst Helmut Poque ist das alles zweitrangig. Für ihn gibt es nur einen Grund, warum sich ein Besuch des Doms immer lohnt:

"Wenn ein Mensch den Mut hat, mit Bildungslücken zu leben, dann braucht er den Dom nicht zu sehen. Aber sobald er hier an sich arbeitet, kommt er an den Aachener Dom nicht vorbei."