Ein optischer Genuss
Von Aristoteles, Curie, Bacon bis hin zu Hawking führt die Entdeckungsreise durch die Welt der Wissenschaftler. Unterwegs gibt es einiges zu lesen und jede Menge zu sehen. Das Buch ist optisch hervorragend aufbereitet. Nur - warum wählt Autorin Jacqueline Fortey ausgerechnet diese 30 Vertreter und nicht andere? Ein klärendes Vorwort hätte ihrer verdienstvollen Arbeit keinen Abbruch getan.
"Weisheit ist das Wissen von Prinzipien und Ursachen" - so lautete das Credo des Aristoteles. Dreihundert Jahre vor unserer Zeitrechnung begründete der Grieche damit eine Denkrichtung, die das "Unternehmen Naturwissenschaft" bis heute prägt.
Mit Aristoteles beginnt darum auch der neue Band der Jugendbuch-Reihe "Sehen. Wissen. Staunen" aus dem Hildesheimer Gerstenberg-Verlag. Autorin Jacqueline Fortey präsentiert in dem Bildband dreißig Forscher in Text und Bild: Aristoteles, der große Naturbeobachter, und Archimedes, der das Prinzip der Wasserverdrängung entdeckte, repräsentieren das alte Griechenland.
Roger Bacon verteidigte im Theorie-verliebten Hochmittelalter die Grundprinzipien der empirischen Forschung. William Harvey erforschte im 17. Jahrhundert den menschlichen Körper, anstatt sich auf den antiken Arzt Galen zu verlassen, wie es die erstarrte Schulmedizin seit Hunderten von Jahren tat.
Marie Curie, dem neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert zugehörig, gewann für ihre bahnbrechende Erforschung radioaktiver Strahlen als erster Mensch gleich zwei Nobelpreise. Stephen Hawking, Repräsentant heutiger Astronomie, konnte nicht nur zeigen, dass schwarze Löcher Strahlung aussenden können, sondern schrieb mit seiner "Kurzen Geschichte der Zeit" auch einen populärwissenschaftlichen Volltreffer, der sich über Jahre auf den Bestseller-Listen hielt.
"Große Wissenschaftler" spendiert jedem Forscher eine Doppelseite, reich ausgestattet mit großen und kleinen, durchgehend farbigen Abbildungen, Textkästen, Zitaten und einer Zeittafel mit Lebensdaten. Die Buchreihe erschien zunächst im Londoner Dorsling Kindersley Verlag, dessen Bücher für ihre frische und lebendige Optik bekannt sind: Die Vielfalt an Fotografien, Grafiken, Illustrationen und Textkästen machen "Große Wissenschaftler" und andere Bildbände der Reihe "Sehen. Wissen. Staunen" zu einem visuellen Genuss.
Auch beim vierten oder fünften Betrachten einer Seite gibt es immer wieder neue Details zu bestaunen und entdecken. Dann fällt auch auf, dass neben den großen Namen auch unbekanntere Forscher Eingang in den Bildband gefunden haben:
Zhang Heng zum Beispiel, der im zweiten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung in China als hoher Beamter bei Hofe für Astronomie, Astrologie, die Betreuung des Kalenders und Wettervorhersage zuständig war. Zhang Heng führte das Gitternetz auf Landkarten ein, untersuchte Mondfinsternisse, befasste sich mit der Erdbebeben-Vorhersage und kartierte zweieinhalb tausend Sterne.
Der chinesische Forscher - nebenbei Schriftsteller und aktiver Kämpfer gegen Korruption im Staatsdienst - erfand auch das "Hodometer": ein sich um die eigene Achse drehendes Gerät zur Entfernungsmessung.
Wunderschön auch hier die vielen kleinen und größeren Abbildungen, die den chinesischen Forscher und seine Zeit lebendig werden lassen: Auf der Mitte der Doppelseite lässt sich Zhang Hengs Erdbeben-Detektor betrachten, eine Bronze-Konstruktion mit Pendel, metallenen Drachen und Krötenmäulern, deren Funktionsweise sich übrigens bis heute der Forschung nicht erschließt. Vor pechschwarzem Hintergrund ziehen sich Mondphasen über das Papier und eine alte Zeichnung gibt Einblick, wie im Reich der Mitte vor vielen hundert Jahren Papier geschöpft wurde.
Anschaulich und lebendig möchte die Autorin dreißig Forscher in Wort und Bild präsentieren. Das gelingt ihr mühelos. Doch warum diese dreißig? Warum nicht dreißig andere - oder vierzig, oder fünfzig? Das Buch verrät es nicht, denn leider fehlt ein erklärendes Vorwort.
Die Autorin scheint sich grob an den Jahrhunderten orientiert zu haben - von vorne bis hinten reist man einmal durch zweieinhalbtausend Jahre Forschung. Doch kein Wort wird darüber verloren, dass Wissenschaft nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern gesellschaftlichen Bedingungen unterliegt - Machtverhältnissen, ökonomischen Umbrüchen.
Einmal mehr präsentiert das Jugendbuch Wissenschaft als Hervorbringung zeitlos-genialer Forscher-Hirne und schicksalhaften Fortschritts. Das ist im Sachbuch-Bereich gang und gäbe, dennoch ein Wort der Kritik wert: Wer Jugendliche für fähig hält, das Bauprinzip von Dampfmaschinen zu begreifen, wer reichlich Platz für Anekdoten hat, könnte doch auch einmal erwähnen, dass die Janusköpfigkeit wissenschaftlichen Fortschritts nicht erst bei Hiroshima und Nagasaki beginnt, warum unter dreißig präsentierten Forschern nur zwei weiblichen Geschlechts sind und was Weltraumforschung mit militärischen Begehrlichkeiten zu tun hat.
Rezensensiert von Susanne Billig
Jacqueline Fortey, Sehen. Staunen. Wissen. Große Wissenschaftler: Von Aristoteles bis Stephan Hawking
Übersetzt von Brigitte Beier
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2008
64 Seiten, 12,90 Euro
Mit Aristoteles beginnt darum auch der neue Band der Jugendbuch-Reihe "Sehen. Wissen. Staunen" aus dem Hildesheimer Gerstenberg-Verlag. Autorin Jacqueline Fortey präsentiert in dem Bildband dreißig Forscher in Text und Bild: Aristoteles, der große Naturbeobachter, und Archimedes, der das Prinzip der Wasserverdrängung entdeckte, repräsentieren das alte Griechenland.
Roger Bacon verteidigte im Theorie-verliebten Hochmittelalter die Grundprinzipien der empirischen Forschung. William Harvey erforschte im 17. Jahrhundert den menschlichen Körper, anstatt sich auf den antiken Arzt Galen zu verlassen, wie es die erstarrte Schulmedizin seit Hunderten von Jahren tat.
Marie Curie, dem neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert zugehörig, gewann für ihre bahnbrechende Erforschung radioaktiver Strahlen als erster Mensch gleich zwei Nobelpreise. Stephen Hawking, Repräsentant heutiger Astronomie, konnte nicht nur zeigen, dass schwarze Löcher Strahlung aussenden können, sondern schrieb mit seiner "Kurzen Geschichte der Zeit" auch einen populärwissenschaftlichen Volltreffer, der sich über Jahre auf den Bestseller-Listen hielt.
"Große Wissenschaftler" spendiert jedem Forscher eine Doppelseite, reich ausgestattet mit großen und kleinen, durchgehend farbigen Abbildungen, Textkästen, Zitaten und einer Zeittafel mit Lebensdaten. Die Buchreihe erschien zunächst im Londoner Dorsling Kindersley Verlag, dessen Bücher für ihre frische und lebendige Optik bekannt sind: Die Vielfalt an Fotografien, Grafiken, Illustrationen und Textkästen machen "Große Wissenschaftler" und andere Bildbände der Reihe "Sehen. Wissen. Staunen" zu einem visuellen Genuss.
Auch beim vierten oder fünften Betrachten einer Seite gibt es immer wieder neue Details zu bestaunen und entdecken. Dann fällt auch auf, dass neben den großen Namen auch unbekanntere Forscher Eingang in den Bildband gefunden haben:
Zhang Heng zum Beispiel, der im zweiten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung in China als hoher Beamter bei Hofe für Astronomie, Astrologie, die Betreuung des Kalenders und Wettervorhersage zuständig war. Zhang Heng führte das Gitternetz auf Landkarten ein, untersuchte Mondfinsternisse, befasste sich mit der Erdbebeben-Vorhersage und kartierte zweieinhalb tausend Sterne.
Der chinesische Forscher - nebenbei Schriftsteller und aktiver Kämpfer gegen Korruption im Staatsdienst - erfand auch das "Hodometer": ein sich um die eigene Achse drehendes Gerät zur Entfernungsmessung.
Wunderschön auch hier die vielen kleinen und größeren Abbildungen, die den chinesischen Forscher und seine Zeit lebendig werden lassen: Auf der Mitte der Doppelseite lässt sich Zhang Hengs Erdbeben-Detektor betrachten, eine Bronze-Konstruktion mit Pendel, metallenen Drachen und Krötenmäulern, deren Funktionsweise sich übrigens bis heute der Forschung nicht erschließt. Vor pechschwarzem Hintergrund ziehen sich Mondphasen über das Papier und eine alte Zeichnung gibt Einblick, wie im Reich der Mitte vor vielen hundert Jahren Papier geschöpft wurde.
Anschaulich und lebendig möchte die Autorin dreißig Forscher in Wort und Bild präsentieren. Das gelingt ihr mühelos. Doch warum diese dreißig? Warum nicht dreißig andere - oder vierzig, oder fünfzig? Das Buch verrät es nicht, denn leider fehlt ein erklärendes Vorwort.
Die Autorin scheint sich grob an den Jahrhunderten orientiert zu haben - von vorne bis hinten reist man einmal durch zweieinhalbtausend Jahre Forschung. Doch kein Wort wird darüber verloren, dass Wissenschaft nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern gesellschaftlichen Bedingungen unterliegt - Machtverhältnissen, ökonomischen Umbrüchen.
Einmal mehr präsentiert das Jugendbuch Wissenschaft als Hervorbringung zeitlos-genialer Forscher-Hirne und schicksalhaften Fortschritts. Das ist im Sachbuch-Bereich gang und gäbe, dennoch ein Wort der Kritik wert: Wer Jugendliche für fähig hält, das Bauprinzip von Dampfmaschinen zu begreifen, wer reichlich Platz für Anekdoten hat, könnte doch auch einmal erwähnen, dass die Janusköpfigkeit wissenschaftlichen Fortschritts nicht erst bei Hiroshima und Nagasaki beginnt, warum unter dreißig präsentierten Forschern nur zwei weiblichen Geschlechts sind und was Weltraumforschung mit militärischen Begehrlichkeiten zu tun hat.
Rezensensiert von Susanne Billig
Jacqueline Fortey, Sehen. Staunen. Wissen. Große Wissenschaftler: Von Aristoteles bis Stephan Hawking
Übersetzt von Brigitte Beier
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2008
64 Seiten, 12,90 Euro