Ein neues Mammut-Fotoprojekt

Von Jochen Spengler · 09.04.2013
Sebastiao Salgados Bilder gehören längst zu den Ikonen der modernen Fotografie. Für jeden seiner Bildbände reist Salgado in die entlegensten Weltgegenden. Nach acht Jahren Arbeit hat er nun den Zyklus "Genesis" beendet. Ab Donnerstag sind die Arbeiten in London zu sehen.
Ein Zufall, aber ein passender, dass man direkt unterhalb des riesigen Erdhalleneingangs-Globus entlang muss, um in die Waterhouse Galerie des großartigen Naturhistorischen Museums zu gelangen – dort wo sich Salgados Genesis befindet: die Schöpfung.

"Für uns sind diese Bilder eine wahre Darstellung der Unberührtheit um so besser auf unsere Erde zu schauen und zu erkennen, welch großartigen Planeten wir besitzen, den wir aber in all seinen Teilen schützen müssen",

sagt Sebastiao Salgado, der 69jährige Meister der Schwarz-Weiß-Fotographie. Ein Zitat seiner Frau Lelia Wanick Salgado, der Ausstellungskuratorin, prangt groß an der Ausstellungswand:

"Genesis ist eine Suchwanderung nach der Welt, wie sie war, wie sie geformt wurde und sich entwickelte, wie sie Jahrtausende lang bestand, bevor sich das moderne Leben beschleunigte und uns vom Wesen unseres Daseins entfremdete. Eine Reise zu den Landschaften, Meeren, Tieren und Völkern, die bis jetzt dem langen Arm der heutigen Welt entronnen sind."

Bis zum Jahr 2.000 hat Salgado nur Menschen fotographiert, ist berühmt geworden mit seinen Schwarz-Weiß-Bilddokumentationen über die Arbeiter in den Goldminen Afrikas oder die Millionen Migranten, die vor Hunger und Krieg fliehen.

Dann aber, so erzählt der schmächtige Mann mit dem markanten kahlen Schädel, wurde er sich des Raubbaus an der Natur bewusst, der Zerstörung des Regenwalds, der Ausplünderung des Planeten. Zwei Jahre lang bereitete sich der in Paris lebende Künstler vor, suchte nach dem scheinbar Ursprünglichen, nach isolierten Zonen vom nördlichen Polarkreis bis zur Antarktis, von Alaska, über Afrika bis zur Südsee und brach dann auf:

"…um diesen unglaublichen Planeten zu sehen. Und das erste Mal in meinem Leben habe ich auch die anderen Lebewesen fotografiert. Die Pflanzenwelt, die Natur, die Landschaften – und das Ergebnis ist diese Gruppe von Bildern von einer Wirklichkeit, die für uns das wahre Vermächtnis ist, Teil eines Planeten, den wir bewahren müssen."

Noch seien 46 Prozent der Erde unberührt und Salgado zeigt ihre unglaubliche Schönheit und weckt beim Betrachter Kindheitsträume von ferner Wildnis - fast wie einst nach dem Lesen von Robinson Crusoe. 200 große Schwarz-Weiß-Bilder von Regenwäldern, Inseln und Canyons, Sandwüsten, Ozeanen und Eisbergen. Von Affen, Elefanten und Löwen, von Walen, Albatrossen und Pinguin-Kolonien. Von Naturvölkern, Stämmen und Eingeborenen. Fotos, die er acht Jahre lang auf mehr als 30 Expeditionen geschossen hat.

"Für mich als Brasilianer war es nicht so einfach zehn Stunden bei Minus 45 Grad draußen zu sein – aber es war ein fabelhafter Trip",

berichtet er über eine Reise nach Sibirien. Ein Trip durchs Äthiopische Hochgebirge hat 55 Tage gedauert – 850 Kilometer zu Fuß. Die Strapazen sind schwer vorstellbar, ebensowenig die Geduld, die der Fotograf hat aufbringen müssen:

"Ich habe eine Menge Bilder aus kleinen Flugzeugen geschossen oder von Ballons. Die meisten von Ballons aus. Daraus kann man toll fotografieren, das ist aber nicht einfach, weil man nicht steuern kann, doch man kommt den Tieren sehr nah."

Auch Leoparden, Geparden, Krokodilen. War er jemals in Gefahr?

"Nein, nicht wirklich. Man darf sich ihnen natürlich nicht nähern, bevor sie gefressen haben…Die töten nicht, um zu töten, sondern um zu fressen. Wenn er gefressen hat, dann kannst Du Dich ihm nähern."

Es sind Fotografien, die man nicht vergisst – eine Walflosse die aus dem Ozean peitscht, ein Eisberg, geformt wie eine schottische Trutzburg, zwei Seeelefanten, in deren Auge sich der Fotograf spiegelt. Nackte Frauen des Zoe-Stammes, die ihre Körper bemalen. Doch hätte man die Herrlichkeit der Welt nicht auch farbig abbilden können?

"Absolut. Es gibt unglaublich schöne Farbfotos von der Natur. Aber für andere Fotografen. Für mich gibt’s nur Schwarz/Weiß. Farbfotos waren für mich am Beginn zu teuer und außerdem: Ich habe nie die Farben verstanden – ich kann mit der Abstraktion in Schwarz-Weiß viel leichter arbeiten."

Und so bleibt Schwarz-Weiß das Markenzeichen Sebastiao Salgados, des Fotografen und Naturschützers.
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