Ein Monopol auf Handschuhe

Von Camilla Hildebrandt |
"Pelota Mixteca" ist der Name eines Jahrtausende alten Ballspiels aus Zentralamerika. Dabei wird ein Ball mit der Hand geschlagen, die sicher in einem speziellen Handschuh verpackt ist: dem "Guante".
"Mein Name ist Leobardo Pacheco Vásquez, ich bin der Hersteller des Handschuhs für "Pelota Mixteca", in Oaxaca, Mexico - und auf der ganzen Welt."

Leobardo – 1,75 Meter groß, dunkelbraun gebrannt, rundes, sympathisches Gesicht – ist wie fast jeden Sonntag natürlich auch heute auf dem Spielfeld. Denn Sonntag ist Pelota-Mixteca-Tag, sagt der 45-Jährige. Seine Frau und sein Sohn sind zuhause geblieben.
"Für mich ist das eine schöne Ablenkung, denn ich arbeite ja sonst die ganze Woche. Aber ich bin vor allem auch sehr stolz, diese Kultur unserer Vorfahren zu pflegen und sie auch den Kindern weiterzugeben, damit sie nicht verloren geht."

Auf dem 90 Meter langen und zehn Meter breiten Feld spielen fünf gegen fünf.
Der jüngste Spieler ist 18, der älteste 65 – alles Männer. Es gab auch mal eine Frauenmannschaft, erzählt Leobardo, aber die habe sich wieder aufgelöst. Jeder Spieler trägt einen dicken, schweren, bunt angemalten Leder-Handschuh mit eingestanzten Nägeln um seine rechte Hand geschnallt. Damit wird der Ball zur gegnerischen Mannschaft geschlagen.

"Der Guante ähnelt ein wenig dem Boxhandschuh, aber bei Pelota Mixteca wird mit der Handinnenfläche geschlagen."

Begonnen wird jeder Satz an der runden Steinplatte im Spielfeld, dem sogenannten "saque", erklärt Leobardo, während er aufmerksam dem Spielverlauf zuschaut. Von dort aus wird der Ball zum Gegner geschlagen, der ihn parieren muss. Verpasst er ihn oder spielt er ins Aus, gibt es 15 Punkte, wie beim Tennis. Gelingt es dem Gegner aber, den Ball zurück und über die runde Steinplatte hinaus zu platzieren, ist er im Vorteil. Die Regeln sind kompliziert – junge Spieler müssen immer mal wieder nachfragen, um sie zu verstehen. Schnelligkeit und Konzentration, das muss jeder von ihnen mitbringen. Und Kraft, denn ein "Guante", ein Handschuh, wiegt bis zu fünf Kilo.

"Pelota Mixteca spielte man ehemals nur mit der bloßen Hand. Aber mein Großvater Daniel Pacheco Ramírez war Fleischer, und hatte sich an der Hand verletzt. Also suchte er nach einer Art Handschutz, denn er hatte ein sehr wichtiges Pelota-Spiel vor sich. Er schnitt also aus seinem Pferdesattel zwei Stück Lederlappen heraus und nähte sich daraus einen Handschutz. Das war 1911, er war also der Erfinder des "Guante". Das Spiel ist ja eigentlich prä-hispanisch, aber seit der Erfindung meines Großvaters wird dieser Handschuh benutzt. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich dann der Guante immer weiter, er bekam mehr Lederschichten, dann einen Schutz um das Handgelenk, dann das Innenfutter, also er wurde immer bequemer für die Hand."

Pelota Mixteca, wie dieses Ballspiel heute genannt wird, existierte schon Jahrhunderte bevor die Spanier Mexiko eroberten. In den verschiedenen Hochkulturen, zum Beispiel der Zapoteken, Mixteken oder Mayas, hatte es unterschiedliche Bedeutungen. Für die Herrscher fungierte es als Orakel. Der Spiel-Ausgang wurde als eine göttliche Entscheidung verstanden. Für die Priester wiederum war es eine geistliche Zeremonie. Und das gemeine Volk spielte es auch damals schon "nur" zum Vergnügen.

Leobardo Pacheco Vázquez zupft sich sein T-Shirt mit der Aufschrift "Pelota Mixteca" zurecht, das über dem gut genährten Bauch etwas spannt. Wie lange er für die Herstellung eines Guante brauche? Rund einen Monat.

""Wir stellen den Guante in fünf Etappen her: Erst arbeiten wir am Zentrum, der Schlagseite sozusagen. Die ist aus Rindsleder. Dann kommt das Futter dran, das ist aus einem sehr weichen Leder. Dann die Nägel, der Innenraum für die Hand, die Gelenkschnalle, und zum Schluss wird der Guante bemalt."

Die schmale Seite des Handschuhs ist mit stufenförmigen Mustern in kräftigen Rot-, Weiß- und Gelb-Tönen verziert. Eingerahmt werden sie von golden angemalten Nägeln und einer blauen Borte unter- und oberhalb der Muster.

"Die meisten Kunden überlassen es schon mir, wie ich sie bemale. Alle Verzierungen, die Sie hier sehen, basieren auf den griechischen Malereien unserer Vorfahren. Sie werden eher selten einen Guante finden mit einer Malerei – einem Tier oder Ähnlichem –, die sich der Kunde selbst ausgesucht hat."

Leobardo ist heute in der dritten Generation Guante-Hersteller. Und der Beruf soll weiterleben: Sein 18-jähriger Sohn will irgendwann das Geschäft übernehmen, das heißt die kleine Werkstatt in der Straße Rio Verde 20, sagt Leobardo stolz. Die einzige in Oaxaca und der ganzen Welt.