Ein modernisierter Klassiker

Von Jörg Taszman · 12.04.2010
"Das Bildnis des Dorian Gray" war Oscar Wildes einziger Roman. Die Geschichte eines jungen Hedonisten, der nicht altert und seine Lust und Triebe auslebt, sorgte 1891 für einen Skandal. Nun kommt eine Verfilmung ins Kino, die mit Special Effects versucht, eine jüngere Generation anzusprechen und dennoch dem Geist der Vorlage treu zu bleiben.
Dorian Gray ist ein junger Mann, dem die Frauen schnell zu Füßen liegen. Aber auch einflussreiche Männer der englischen Gesellschaft wie der Maler Basil Hallward und der intrigante Lord Henry Wotton sonnen sich gerne in Dorians Gesellschaft. Als Basil Hallward dann ein Porträt des jungen Mannes malt, das der ewigen Jugend huldigt, geht Dorian einen Pakt mit dem Teufel ein. So soll sein Porträt altern, er selber aber will sich ewiger Jugend erfreuen.

Für den Regisseur Oliver Parker war es wichtig, gerade durch die Besetzung der Hauptrolle, sich vom Schönheitsideal des viktorianischen Englands zu lösen.

"Im Buch ist er blond, hat blaue Augen und rosige Lippen. Er wirkt fast so, wie man sich eine 'arische' Beschreibung des perfekten Jungen vorstellt. Das spiegelte vielleicht ein Schönheitsideal im späten viktorianischen England wieder, aber heute funktioniert das nicht mehr. Ben Barnes, der Hauptdarsteller, hat eher etwas leicht Exotisches, aber auch eine ganz liebenswerte Einfachheit. Als man ihn mir zuerst vorschlug, war ich etwas nervös und dachte, das sei eher ein Junge für eine 'Boy Band'. Aber dann entdeckte ich an ihm eine echte Schönheit, die man nur schwer beschreiben kann."

Ben Barnes, der 29-jährige Hauptdarsteller, wirkt auf den ersten Blick wirklich nur wie ein Schönling und man neigt dazu, ihn zu unterschätzen. Der 1,85 Meter große Schauspieler hat bisher in Filmen wie "Die Chroniken von Narnia" mitgespielt und galt auch als Anwärter für die Hauptrolle in dem Vampirfilm "Twilight". Der in schlichtes Schwarz gekleidete Barnes ist jedoch nicht nur sympathisch, sondern durchaus eloquent und keineswegs oberflächlich. Er bringt sehr gut auf den Punkt, warum bis heute viele von der Figur des Dorian Gray so fasziniert sind.

"Der eine interessante Aspekt ist ja die Macht, die man hat, wenn man ewig jung bleibt, und die Macht, die damit verbunden wird, wenn man keine Verantwortung für seine Taten und Sünden übernimmt. All das wird ja auf das Bildnis übertragen und so zum Sinnbild dafür, wie krank die Seele ist. Egal wann diese Geschichte spielt, wir sind davon besessen, wie wir aussehen - von der Renaissance mit den gepuderten Perücken bis hin zu Botox, Big Brother oder Photoshop heute. So ist dieser Kampf, ewig jung zu bleiben, auch immer noch sehr aktuell."

Auch wenn sich diese neue Verfilmung der Dorian-Gray-Geschichte in erster Linie an ein junges Publikum richtet, so haben es die Macher vermieden, sich zu sehr anzubiedern. In Testvorführungen stellte sich heraus, dass vor allem junge Zuschauer durchaus die dunklen Aspekte der Geschichte noch drastischer sehen wollten. Prüde ist diese Verfilmung nun wirklich nicht. Regisseur Oliver Parker hatte dann auch Probleme, eine Freigabe ab 15 in Großbritannien zu erwirken, und musste einige Szenen entschärfen.

"Es ist nicht einmal so unterschiedlich, aber wenn Dorian Gray den Maler Basil ermordet und er von diesem Mord so fasziniert ist, dann war mir dieser Moment sehr wichtig. Die Zensoren haben aber echt komische Einwände. Die Gewalt war okay, die Sexszenen auch, aber die Verbindung von Sex und Gewalt, das ging ihnen zu weit.

Und in der Szene, wo Dorian zusticht, meinten sie dann, nach einem Dolchstoß müsste der Maler nun aber tot sein. Ich meinte dann nur, aber ist das nicht eher unverantwortlich? Ich wollte ja zeigen, wie scheußlich dieser Mord ist. Und es sollte mehr sein, als nur ein weiterer Filmtod."

In England hatte der Film im Kino im letzten Herbst nur mäßigen Erfolg. In den USA steht immer noch kein Starttermin fest. Oliver Parker hat versucht, den Klassiker zu modernisieren, sich dabei vor allem gegen Ende ein wenig übernommen, und das viktorianische London wie schon in Sherlock Holmes immer nur durch computergenerierte Special Effects zu zeigen, wirkt auch schnell ermüdend.

Dennoch kann man sich den Film auch wegen der guten Darsteller anschauen, vor allem Colin Firth als Lord Henry Wotton ist eine Eintrittskarte wert. In diesem Film - im Unterschied zur Romanvorlage verliebt sich Dorian Gray in die Tochter seines einstigen Gönners Lord Wotton. Dramaturgisch ist das überzeugend. Auch weil sie von der bezaubernden Rebecca Hall gespielt wird, die Woody Allen in "Vicky Christina Barcelona" entdeckte. So bekommt die Figur des Dorian Gray durch sein Liebesleid doch noch etwas von tragischer Größe.