Ein moderner Mantel- und Degen-Roman

10.06.2010
Die Hauptfiguren sind zwei echte Romanhelden, wie sie ein guter klassischer Abenteuerroman braucht. Schauplatz ist ein historisch reales, aber kaum bekanntes großes jüdisches Reich namens Chasarien.
"Amram … wartete im Hof in einem Wolfspelzmantel, umgeben von einer Atemwolke der Pferde, stapfte mit den Füßen und klagte über die Kälte in seinen Knochen, sie seien zu alt für Liebe und Abenteuer und dafür, seinen afrikanischen Arsch wegen irgendwelcher Elefanten um die halbe Welt zu schleppen."

In den USA gilt er als Kultautor, besonders bei Comic-Fans und in der Schwulenszene. Michael Chabon, Jahrgang 1963, hat Filmdrehbücher geschrieben (unter anderem für einen Spiderman-Film) und er hat elf Bücher veröffentlicht - Kurzgeschichten, Essays und ein Jugendbuch. Bekannt aber wurde er als Autor von sechs Romanen.

Für seinen dritten Roman "Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay" erhielt er 2001 den Pulitzerpreis. Michael Chabons sechster und letzter Roman "Gentlemen of the road" (2007) ist nun ins Deutsche übersetzt worden - unter dem Titel "Schurken der Landstraße".

Bei den beiden Hauptfiguren, zwei Freunden, handelt es sich tatsächlich um Gentlemen; Schurken sind sie nur mit großen liebevollen Anführungszeichen zu nennen, was sich dem Leser schnell erschließt. "Gentlemen der Landstraße" hätte nicht in die Zeit gepasst, in der der Roman spielt, also in die Zeit des Mittelalters um 950 nach Christus.

Wir haben es mit zwei echten Romanhelden zu tun, wie sie ein guter klassischer Abenteuerroman braucht, ein Pärchen à la Sherlock Holmes und Dr. Watson oder à la Patrick O'Brians Kapitän Jack Aubrey und dessen Freund, dem Arzt und Geheimagenten Stephen Maturin.

Arzt und Gelehrter ist auch der eine jener beiden Schurken der Landstraße, ein kiffender Weltenbummler aus Regensburg namens Zelikman, ebenfalls Jude wie sein hünenhafter schwarzafrikanischer Freund Amram auch, der seine vor langer Zeit entführte Tochter irgendwo in der Welt wiederzufinden versucht.

Schauplatz des 163-Seiten-Romans ist ein historisch reales aber selbst Geschichtsinteressierten kaum bekanntes großes jüdisches Reich namens Chasarien, das sich tatsächlich vom 7. bis zum 10. Jahrhundert von der Ukraine bis zum Kaspischen Meer erstreckte, wo die beiden Helden in einen politischen Umsturz und blutige Schlachten verwickelt werden.

Dass die geopolitischen Hintergründe historisch realen Ursprungs sind, bleibt dem Normal-Leser allerdings verborgen, und so erweckt das Buch den Eindruck eines fantastisch fiktiven Reiseromans.
Chabons Roman-Novelle liest sich köstlich, mag man denn Chabons typischen Umgang mit Sprache, jenen Sprachmix aus dem comicartigen Humor eines modernen Don Quijote - man könnte diesen Roman auch einen Schelmenroman nennen - und archaisch prächtig literarischen Metaphern: "… der Wind war kalt und roch nach rostigem Eisen".
Chabon hat es geschafft, eine Art modernen Mantel- und Degen-Roman zu schreiben, der an Dumas' Musketiere erinnert; da wird gefochten und gekämpft, die Handlung rasant, spannend und flott.

Typisch Chabon: Wieder ein jüdischer Stoff und wieder glühen die Wasserpfeifen voller Haschisch. Den Leser erwarten Humor und Satire und ein fantastischer Reise- und Abenteuerroman, ein Mix aus Mittelalter und Moderne, mal poetisch, lyrisch, mal modern umgangssprachlich saftig.

Besprochen von Lutz Bunk

Michael Chabon: Schurken der Landstraße
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Fischer
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010
184 Seiten, 17,95 Euro
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