Ein melancholischer Mozart

Von Jürgen Liebing · 03.11.2013
Der lettische Regisseur Alvis Hermanis überträgt die Handlung von Mozarts "Cosi fan tutte" ins Hier und Jetzt, zumindest ein bisschen, denn eigentlich hasst er Aktualisierungen. Er will die Menschen von damals verstehen und bevorzugt dafür einen abgedunkelten, melancholischen Stil, dem aber etwas die Aggressivität fehlt.
Es ist erst die dritte Operninszenierung des lettischen Regisseurs Alvis Hermanis, sein Berlindebüt und die erste Inszenierung eines Klassikers des Repertoires. Ort der Handlung ist eine Restauratorenwerkstatt – alle Mitwirkenden haben übrigens auch im Vorfeld eine solche im benachbarten Potsdam besucht.

Links und rechts sitzen auf zwei Gestellen während der ganzen Vorstellung jeweils zwei Restauratoren und beseitigen Schäden auf großen Fresken. Don Alfonso, der Intrigant, leitet die Werkstatt, alle tragen weiße Kittel bis auf Despina, hier ein hochschwangere Putzfrau.
Also hier und heute – aber der Regisseur Alvis Hermanis hasst Aktualisierungen und das Gegenwartstheater findet er, sei meistens nur noch Trash. Er will die Menschen und deren Gefühle von damals verstehen.

Aus der Komödie wird eine bitterböse Tragödie
Wenn also Don Alfonso die beiden Männer zu der Wette überredet, ob die Geliebten treu bleiben würden, verwandeln sie sich in Rokoko-Menschen. Steigen quasi in die Bilder oder kommen aus ihnen heraus. Wenn dann zu Beginn des zweiten Aktes die Frauen schwach werden und sich jeweils in den anderen verlieben, dann sind auch sie Frauen des Rokoko.
Hermanis versteht sich als Archäologe, und bei der Restaurierung von Bildern werden je nicht nur Risse ausgebessert, sondern auch frühere Schichten frei gelegt.

Diese Vorgehensweise ist recht trickreich, denn die Geschichte im Hier und Heute spielen zu lassen, würde nicht sehr glaubhaft wirken. Auch wenn Liebe und Gefühle irgendwie zeitlos sind, wie sie sich ausdrücken, ist doch auch zeitabhängig.

Im ersten Teil ist es noch recht komödiantisch, manchmal auch slapstickhaftig, dass man auch lachen oder zumindest schmunzeln kann. Im zweiten Akt wird aus der Komödie eine bitterböse Tragödie – am Ende zwar mit einem Happyend, bei dem aber eigentlich keiner glücklich wird. Die wieder vereinten Liebespaare machen nicht den Eindruck, dass sie noch einmal wirklich glücklich werden können.

Die einzige, die das Ganze relativ unbeschadet übersteht ist Despina, während alle zum Finale vereint sind, legt sie sich vor Schmerzen windend auf den Tisch in der Mitte, denn es beginnen die Wehen. Sie kennt das Leben, die Männer und die Frauen. Sie hat von vornherein keine Illusionen – und das mag wohl die beste Haltung sein, scheinen Mozart und sein Librettist Da Ponte uns sagen wollen.

Exzellente Sänger
"Cosi fan tutte" ist wie kaum eine andere Oper ein Ensemblestück, eine Kammeroper. Der kurze Chor, in dem das Soldatenleben gepriesen wird: Kommt hier aus dem Radio. Alle sechs Sängerinnen und Sänger sind zum einen exzellent und auch tolle Schauspieler, was ja ein besonderes Kenn- und Markenzeichen der Komischen Oper ist. Hervorheben möchte ich die Despina der Mirka Wagner, sie verbindet beides auf vortreffliche Weise, selbst dann, wenn sie nicht "dran" ist.

Henrik Nánási, der noch junge Generalmusikdirektor der Komischen Oper, liebt einen eher abgedunkelten, melancholischen Mozart, was nicht bedeutet, dass er alles bedeutungsschwer nimmt, aber diese Einfärbung ist dem Stück durchaus angemessen. Ich hätte mir aber manchmal einen etwas spitzeren und schärferen Ton gewünscht, etwas mehr Aggressivität.