Ein Mann für optische Tricks

Von Peter Krause · 02.08.2007
Wenn James Bond in luftiger Höhe von einem Gerüst springt und punktgenau auf einem dünnen Stahlträger landet, dann ist Computeranimation im Spiel. In Spielfilmen, Kinderfilmen und in der Werbung wird häufig mit optischen Tricks gearbeitet. Auch Carsten Seller bedient sich dieser Techniken, wenn er seine Animationsfilme herstellt.
Ausschnitt aus "Lissi und der wilde Kaiser":
"Ich bekomme eine Figur, die lässt sich bewegen wie eine Marionette, also wenn die Figuren sprechen oder Emotionen im Gesicht zeigen, das setze ich dann um in das, was man nachher auf der Leinwand zu sehen bekommt."

Carsten Seller ist Ende 20 und hat bis vor kurzem noch an der Entstehung des Animationsfilms "Lissi und der wilde Kaiser" mitgewirkt. Hinter dieser Parodie auf die Sissifilme der 50er und 60er Jahre, die im Herbst in die Kinos kommt steckt der Komiker Michael Bully Herbig - unter anderem bekannt aus "der Schuh des Manitu".

"Also ich wollte nicht ewig in Hannover bleiben und da habe ich mich wirklich beworben hier mit meinen Sachen und das hat den Leuten hier gut gefallen."
Trickfilmer und Computeranimateure sind moderne Nomaden, sie ziehen von einer Produktionsstätte zur nächsten. Auch Carsten Seller sitzt nach einem Jahr in den Münchner Bavaria Studios schon wieder an einem neuen Projekt. Geplant war dieser Zickzack-Lebenslauf nicht. Der Mann aus dem westfälischen Minden studierte in Hannover Multimedia und Kommunikationsdesign. Dort lernt er wie man ein Storyboard erstellt oder wie man Unmögliches Kamera-technisch möglich macht. Mit der Trickfilmtechnik kam er erst in Berührung, als er einem Diplomanden bei dessen Animationsfilm assistierte.

"Ich habe nie im Leben gedacht, dass will ich jetzt auch unbedingt mal machen, ich hätte nie gedacht das ich das könnte."

Die Eltern von Carsten Seller glaubten, der begabte Sohn würde eines Tages in einer Werbeagentur landen und gut Geld verdienen. Dass er sich statt dessen langsam in einen Trickfilmer verwandelte, merkten sie gar nicht. Dabei war er doch schon als Jugendlicher ein leidenschaftlicher Cartoonfan.

"Roadrunner hat mich immer am meisten fasziniert, das fand ich immer am besten / also die verschiedenen Tricks wie der Coyote versucht den Roadrunner zu fangen. Da hat es mich dann irgendwann gepackt."

Ein anderes Vorbild war der Zeichner Al Jaffee, der in den Madheften seine Comic-Spässe trieb.

"Es sind immer drei Bilder - Vater springt vom Steg und stößt sich den Kopf oder Familie fährt los, Gepäck auf dem Autodach, fahren los und alles fällt runter...- solche kurzen abgeschlossenen Dinge wollte ich auch machen."

Diesem Ziel kam er mit seinem ersten Film "Crank & Ratner", den er während seiner Studienzeit produzierte, ziemlich nahe. Alles dreht sich um Schlaf, Schlaflosigkeit und den Kampf dagegen. Für Spannung sorgen die zwei Protagonisten - der Hase Crank, der müde ist und bereits schläft und sein Kumpel, der Kater Ratner, den das laute Ticken des Weckers vom Schlaf abhält.

Es entwickelt sich ein grandioses Duell, ein tragikomischer Slapstick. Die Ästhetik, die Situationskomik und der Sound lassen die alten Cartoons der 40er Jahre wieder aufleben. Der Hase Crank, durch seinen unruhigen Freund Ratner aus dem Schlaf gerissen, greift zur Selbsthilfe: er steht auf, macht Licht, lässt den Kater Schafe zählen und flösst ihm sogar eine Ladung Schlaftabletten ein. Als dann die erhoffte Wirkung eintritt und beide ermüdet umfallen, läutet der Wecker – es ist Zeit aufzustehen.

Sellers Geschichten enden nach drei bis sechs Minuten in einem furiosen und äußerst komischen Finale. Dabei steht die Technik – die Liebe dafür hat er von seinem Vater, einem gelernten Maschinenschlosser geerbt - nie im Vordergrund. Software und Computer sind nur das Mittel zum Zweck. Der Künstler wirkt sehr ruhig und konzentriert, wenn er über seine Arbeit spricht, doch immer huscht auch ein leicht ironischer Zug um seine Mundwinkel. Er ist schlank, durchschnittlich groß und gäbe es da nicht die markante Familiennase, würde er nicht besonders auffallen. Die Lust am Fabulieren hat der talentierte Mann seiner Mutter abgelauscht. Die saß abends an seinem Bett.
"Ich habe ein Fabelbuch was ich als Kind schon hatte wo mir meine Mutter immer draus vorgelesen hat, (...) na ja, da gibt es jedenfalls auch diese Geschichte mit dem kleinen Jungen der in so ein Bonbonglas greift und mit der Hand da drin feststeckt, weil er ist halt so gierig – das war so der Anstoß…"

Für seinen Dreiminüter "Der Kauboy".
Der griffige Titel hat allerdings nichts mit dem Wilden Westen zu tun, sondern mit Gordo. Der Held des Computer animierten Trickfilms ist ein etwas rundlicher junger Mann mit Anzug, Krawatte, sauber gekämmten Haaren und einem dicken Kopf der keinen Hals hat. Er steht an einer Bushaltestelle, bemerkt seinen schlechten Atem und holt sich einen Kaugummi aus dem Automaten.

"Wenn er nur so da stehen würde, würde es nicht erklären, warum wird er jetzt so gewalttätig mit diesem Kaugummiautomaten? Wenn man aber weiß, dass er da auf seine heiße Liebe wartet, dann bekommt das gleich viel mehr Hintergrund."

Alles misslingt – am Schluss steckt Gordo mit seinem ganzen Körper in diesem Automaten fest – aber Halt, Stop! Es gibt ein Happy End – denn er hoppelt mit seiner Freundin, die dasselbe Schicksal erlitten hat, davon. Für diesem Film wurde Carsten Seller schon mehrmals ausgezeichnet, im letzten Jahr z.B. mit dem Kurzfilmpreis der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung und einem dritten Platz beim Kurzfilmfest "Berlin Going Underground". Im Augenblick ist er in Hamburg, er gehört zum Team von "Way to the Stars" einem 3D-Animationsfilm, der ab Januar in die Kinos kommt. Der virtuellen Trickfilmwelt gelegentlich zu entfliehen, fällt ihm trotzdem nicht schwer.
"Wenn ich meine acht, neun mal zehn Stunden gemacht habe, dann reicht es auch, dann fahre ich auch nach hause, ich gehe dann mit dem Hund spazieren oder lesen, mach dann was komplett anderes und am nächsten Tag geht es dann wieder los."