Ein Mann auf dem Weg nach oben

04.05.2007
Das frühe Werk Mordecai Richlers spiegelt sehr viel Zeitgeschichte: Im Montreal der vierziger Jahre, während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach, versucht ein jüdischer Einwandererjunge der drittem Generation den Aufstieg. Die Stärken von "Die Lehrjahre des Duddy Kravitz" liegen unter anderem in seiner wunderbar schrägen Situationskomik und den realistischen Dialogen.
Mordecai Richler, der im Jahr 2001 mit siebzig Jahren in seiner Heimatstadt Montreal starb, war in Kanada ein sehr bekannter und erfolgreicher Autor.
Sein großes Thema ist die Welt der jüdischen Einwanderer mit ihren mehr oder weniger kanadischen Kindern und Kindeskindern. Dabei sind seine Romane und Kinderbücher von der besonderen Art, aus der sich das Selbstbildnis eines Landes zusammensetzt und formt: Seine Figuren sind oft Menschen, die unter einem gewissen Erfolgsdruck stehen, die sich auf dem Weg zwischen ihrem eigenen engen Milieu und einem neuen Platz in einer modernen pluralistischen Gesellschaft befinden.

In Deutschland sind Mordecai Richlers Büchern nie so richtig bekannt geworden. Einige erschienen vor Jahren im Fischer Verlag, dann eines bei Hanser. Nun hat, dankenswerterweise, die kleine und feine Verlagsbuchhandlung Liebeskind "Die Lehrjahre des Duddy Kravitz" herausgebracht, ein frühes Werk Richlers, das er schon 1959 publizierte.

Es ist ein Buch, das sehr viel Zeitgeschichte spiegelt: Im Montreal der vierziger Jahre, während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren des Aufschwungs danach, versucht ein jüdischer Einwandererjunge der drittem Generation den Aufstieg. Sein Großvater kam aus Osteuropa, ein einfacher Handwerker, der in der jüdischen Gemeinschaft großes Ansehen genießt. Dessen einer Sohn ist reich geworden, lebt aber im privaten Unglück; der andere Sohn, Duddy Kravitz` Vater ist ein schlichter Muskelprotz und Maulheld.

Die ganze Familie, in der es so gut wie keine Frauen gibt, träumt davon, dass Duddys älterer Bruder ein angesehener Arzt wird. Für Duddy, der eigentlich David heißt, erwartet niemand etwas: schon in der Schule war er ein Tunichtgut, er ist durchsetzungsfähig, schlau und auf seine Weise ehrgeizig. Sein Traum ist es, Land zu besitzen und reich zu werden - und sich so die Achtung zu verschaffen, die ihm in der Familie und in der Schule versagt blieb. Für diesen Aufstieg geht er, beinahe, über Leichen.

Eigentlich ist der junge Kravitz ein geldgieriger und herrschsüchtiger Fiesling. Die Frau, die ihn liebt, und die er eigentlich auch liebt, behandelt er schlecht. Und wenn er Geschäfte macht, scheint er das Klischee vom schachernden Juden perfekt zu verkörpern.

Dennoch ist dieser Anti-Held keine Karikatur und auch kein schlechtes Exempel zur Erbauung der Jugend, sondern ein höchst widersprüchlicher, dabei durchaus plausibler Charakter: moralisch fragwürdig, aber begreiflich. Er ist ein Getriebener, der innerhalb seiner sozialen und psychischen Koordinaten sein Möglichstes für den Aufstieg tut.

Neben den höchst gelungenen – männlichen - Figuren, die im Gegensatz zu den wenigen Frauengestalten niemals eindimensional geraten, bestehen die Stärken des Buches in seiner wunderbar schrägen Situationskomik und den realistischen Dialogen: Der Hahnenkampf-Jargon der Jugendlichen, das Kneipengerede der Handwerker und Taxifahrer, die geschäftlichen Verhandlungen, die groben bis zarten Umschreibungen von Gefühlen, geäußert von Männern, die keine Gefühle zu zeigen pflegen: Da spielt Richler auf vielen Instrumenten und gibt dem Roman eine beeindruckend pralle Lebensfülle.


Rezensiert von Katharina Döbler

Mordecai Richler: Die Lehrjahre des Duddy Kravitz
Aus dem Englischen von Silvia Morawetz.
Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2007, 432 Seiten, 22 Euro