Ein "mageres" Ergebnis

Moderation: Leonie March |
Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander hat das Ergebnis des G8-Gipfels zum Klimaschutz als "mager" bezeichnet. Ein Klima-Ziel auf 42 Jahre hin festzulegen, sei zu langfristig, sagte der FDP-Politiker. Positiv bewertete er, dass die USA eingesehen hätten, einen Beitrag zur CO2-Reduzierung zu leisten. Deutschland - und auch Niedersachsen - müssten sich aber strengere Klimaschutzziele setzen.
Leonie March: Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von einem deutlichen Fortschritt, Umweltschützer dagegen von einem erbärmlichen Beschluss. Gemeint ist die Erklärung der G8 zum Klimaschutz. Darin streben die führenden Industriestaaten das Ziel an, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 weltweit zu halbieren. Sie sprechen allerdings nur von einer Vision, nicht von einer verbindlichen Vereinbarung. Darüber habe ich mit Hans-Heinrich Sander gesprochen, der FDP-Politiker ist Minister für Umwelt und Klimaschutz in Niedersachsen, und ich habe ihn zuerst gefragt, wie er die Erklärung bewertet.

Hans-Heinrich Sander: Unterm Strich ist es ein mageres Ergebnis. Denn wenn ich Vereinbarungen treffe, die im Grunde genommen in 42 Jahren erst erreicht werden sollen, wie viel unterschiedliche Regierungen wird es dann in den Staaten, den acht nicht nur geben, sondern auch welche Entwicklungen auf der Welt dann geschehen. Mir ist das einfach zu langfristig.

March: Ist denn mit dieser Erklärung der G8 trotzdem der Weg frei für eine konkrete internationale Vereinbarung?

Sander: Das ist auch was Positives dabei. Das Datum ist nicht so schön, weil es dann doch sehr weit weg ist, aber sonst ist das natürlich schon gut, dass insbesondere auch die Amerikaner jetzt doch mit einsehen, dass sie auch ihren Teil dazu beizutragen haben. Und nur wenn die Industriestaaten, die ja immerhin 62 Prozent der CO2-Emissionen auch erzeugen, bereit sind, an einem Strang zu ziehen, dann ist das ein Erfolg.

March: Hat der Beschluss der G8 denn Auswirkungen auf Klimapolitik in Niedersachsen?

Sander: Das würde ich sagen, nein. Natürlich sind solche internationale Ziele immer sehr wichtig, aber ich glaube, Deutschland und auch Niedersachsen muss einen größeren Beitrag und schnelleren Beitrag zur CO2-Minderung bringen, als es die acht Staaten dort vereinbart haben, in Tokio.

March: Ihr Ziel in Niedersachsen ist es ja, bis 2020 ein Viertel des Energieverbrauches durch erneuerbare Energien abzudecken. Sie setzen da u.a. auf die Windenergie und planen sogenannte Offshore-Anlagen in der Nordsee. Was versprechen Sie sich davon?

Sander: Die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Nutzung der Offshore-Anlagen sehen wir in Niedersachsen als die Möglichkeit an, um erneuerbare Energien auch in diesem Bereich zu ermöglichen. Denn im Onshore-Bereich, da stoßen wir an die Grenzen, da ist auch die Akzeptanz nicht mehr der Bürger da. Aber insbesondere im Offshore-Bereich, da sehen wir erhebliche Chancen, dass wir dort nach vorne kommen werden. Und das ist auch der Bereich, der uns bei den erneuerbaren Energien nach vorne bringen wird, um dieses Ziel zu erreichen.

March: Nun sind diese Offshore-Anlagen ja nicht unumstritten. Der Bau ist schwierig und teuer. Stromkabel führen durchs Meer ans Land, was Umweltschützer auf den Plan ruft. Warum lohnt sich die Technologie trotz dieser Risiken?

Sander: Wir haben gerade bei der Trassenbereitstellung über Norderney nicht feststellen können, dass aus Umweltschutzgründen dieses bekämpft worden ist. Wir haben allerdings, müssen wir jetzt feststellen, dass wir dann Probleme bekommen im Binnenland, diesen Strom abzuleiten. Da haben wir Probleme, nicht im Bereich des Wattenmeeres, da haben auch die Bürger insofern schon Erfahrung, weil ja auch Statoil, ein bekanntes norwegisches Unternehmen, ja auch dort mal eine Pipeline durch das Wattenmeer gezogen hat, und man hat festgestellt, dass das naturverträglich geschehen ist.

March: Und warum gibt es diese Probleme, den Strom abzuleiten?

Sander: Da haben natürlich die Bürger heute gegen oberirdische Trassen erhebliche Bedenken. Es sind einmal gesundheitliche Bedenken, es sind aber auch Bedenken der Gemeinden zum Beispiel bei der Raumplanung. Wer möchte schon über seinem Haus oder in der Nähe seines Hauses eine Trasse haben. Da wird schon der Wunsch laut, dieses eben unterirdisch zu verlegen. Und deswegen haben wir in Niedersachsen, ja auch der Landtag, auf Vorschlag der Regierungsfraktionen und der Landesregierung ja ein Erdkabelgesetz verabschiedet, welches dann hier auch in Niedersachsen als Pilotprojekte realisiert werden sollen.

March: Nun sollen gleichzeitig zum Bau der Offshore-Anlagen ja auch Kohlekraftwerke an den Küsten gebaut werden. Wird es da keine Probleme mit den Kapazitäten der Stromleitungen geben?

Sander: Nein, da gibt es keine, weil natürlich gerade in der Küstenregion Niedersachsen eine große wirtschaftliche Entwicklung stattfindet, mit dem Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven. Aber wenn Sie auf den Bereich Buxtehude, Emden, Cuxhaven sehen, dann sind das boomende Regionen, wo ein Energiebedarf auch schon vorhanden ist und müssen auf der anderen Seite auch sehen, dass wir die Kohlekraftwerke an der Küste deshalb mitbenötigen, wenn der Strom aus Windkraft nicht erzeugt werden kann, weil die Räder auch mal stillstehen, die Windräder, dann brauchen wir diese Kohlekraftwerke auch, um in der Regeltechnik, um dieses dann auszugleichen.

March: Aber trotz all dieser Probleme und Bedenken lohnt sich Offshore?

Sander: Es rechnet sich natürlich im Augenblick unter wirtschaftlichen Aspekten noch nicht. Aber wir haben als Bundesrepublik Deutschland gar keine andere Chance. Wir müssen ja auch einfach immer zur Kenntnis nehmen, dass durch mehr Technik auch der Wirkungsgrad dieser Stromerzeugung erheblich besser wird.

March: Bundesweit wird ja gerade wieder eine heftige Debatte über die Zukunft der Atomenergie geführt. Was halten Sie denn von längeren Laufzeiten für die Meiler?

Sander: Wir kommen gar nicht darum herum, dass die Kraftwerke, die unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch länger laufen können, die aus Sicherheitsgründen es auch können, denn das ist der einzelne begrenzende Faktor. Wenn die Sicherheit dieser Kraftwerke nicht vorhanden wäre, dann könnte man über frühere Abschaltung nachdenken. Aber so macht es volkswirtschaftlich keinen Sinn, und ich glaube auch, dass die Bevölkerung dieses einfach sehen muss und die Politik muss auch den Mut haben, dieses der Bevölkerung zu erklären, denn diese Strompreise, diese Energiepreise, die sind unsozial, und da kann man mit Sozialtarifen, werden wir nicht machen. Wir müssen eben mehr Strom bekommen, wir müssen mehr Wettbewerb bekommen, und dazu brauchen wir auch die Kernenergie. Sie hat übrigens in Niedersachsen einen Anteil von 60 Prozent an der Stromerzeugung. Und das alleine schon sagt ja dann, dass wir diese 60 Prozent, die wir ja in rund 14 Jahren ersetzen müssten durch Kohlekraftwerke, das heißt auch aus CO2-Gründen, glaube ich, können wir auf die Kernenergie nicht verzichten. Und da muss ich allerdings sagen, da ist auf dem G8-Gipfel deutlich geworden, dass Deutschland da eine besondere Stellung hat, nicht eine, die nach vorne gerichtet ist, sondern im Grunde genommen abtaucht aufgrund der politischen Verhältnisse in Berlin.

March: Nun verschärft sich aber mit den längeren Laufzeiten ja auch das Problem der Endlagerung, dass Sie ja auch in Niedersachsen haben. Muss das in Kauf genommen werden?

Sander: Das Moratorium für Gorleben läuft ja im Jahre 2010 aus. Das ist ja in der Zeitrechnung der Politik eigentlich übermorgen. Gorleben, welches schon zu 90 Prozent erkundet ist, muss sofort weiter erkundet werden. Und wenn diese ergebnisoffene Erkundung zu Ende geführt ist, dann muss eine Entscheidung gefällt werden, ob Gorleben geeignet ist oder nicht. Denn da hat die Bevölkerung mehr als recht. Wenn diese Endlagerfrage nicht gelöst ist, dann hat das natürlich auch erheblichen Einfluss auf die weitere Laufzeit der Kernkraftwerke.

March: Aber die Frage der Endlagerung wird ja nicht morgen gelöst werden?

Sander: Nein, aber wir brauchen auch sie morgen nicht lösen. Ich meine, Herr Trittin hat damit zumindest eins erreicht, dass ja Zwischenlager gebaut worden sind, und das heißt Zwischenlager. Das bedeutet, dass dort für längere Zeit auch diese abgebrannten Elemente noch gelagert werden können. Das entbindet uns aber nicht von der Verpflichtung, dass wir, diese Generation, die die Kernkraft genutzt hat und die Kernkraft nutzt, dafür zu sorgen hat, dass es auch zu einer sicheren Endlagerung kommt.