Ein Lob der Provinz
Geht gar nichts mehr in verbalen Zermürbungskriegen unter Politikern, dann wird dem Gegner schon mal Humor abgesprochen, wenigstens aber wird er mit dem Wort "Provinzler" etikettiert. Er sei ein Provinzler, musste sich Kurt Beck anhören, als seine Gegner in Politik und Medien Gefahr witterten, dieser Mann aus der Provinz, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, könnte eine Mehrheit links der Mitte organisieren.
Auch Helmut Kohl, ein ehemaliger Ministerpräsident aus Rheinland-Pfalz, wurde bis in seine Kanzlerjahre hinein als Provinzler kommentiert, gezeichnet und besungen. Saumagen anstelle von Sushi.
Schon Konrad Adenauer war eigentlich nur ein rheinisch-katholischer Provinzler. Und was ist Angela Merkel? Natürlich kein Provinzler, aber eine Provinzlerin. Irgendwie sind wir doch in Deutschland alle aus der Provinz. Das war bereits in der Bonner Teilrepublik so und gilt auch noch heute im Zeichen der Berliner Republik.
Gerade aus der Berliner Perspektive ableiten zu wollen, die Menschen im Rest der Republik seien nicht so ganz ernst zu nehmen, ist von vornherein ein untauglicher Versuch. Berlin mit seiner urbanen Wabenkultur der Kieze ist selbst bekennende Provinz. Freilich gibt es Unterschiede zu Bonn. Berlin ist viel größer, fast schon wieder eine Metropole; eine Hauptstadt ist es schon lange. Berlin hat nach dem Fall der Mauer zu seiner Lust und Freude, aber auch zu seinen Lasten viel, viel Kultur im Angebot. Drei bedeutende Opernhäuser, mehrere erstklassige Sinfonieorchester, die Museumsinsel und viele andere Top-Galerien, Film- und Literaturfestspiele dazu sogenannte Events von Madonna im Olympiastadion bis zum Auftritt des Signum-Quartetts in einem Wohnzimmer. Und Berlin hat seine Vergangenheit, gute und erdrückende Geschichte, zum ausgraben in vielen Schichten, fast wie im alten Troja. Gegen solche Konkurrenz müssen sich, anders als in Bonn, Kulturveranstaltungen in Botschaften und Landesvertretungen bewähren. Auch Hinterbänkler in der Politik müssen sich in Berlin etwas einfallen lassen um aufzufallen und mit einer Notiz in den Zeitungen bedacht zu werden. Dennoch bleibt es dabei, die Berliner organisieren sich in ihren Stadtbezirken selbst als Provinz. Die CDU der Stadt hat gerade wieder dazu beigetragen mit Friedbert Pflüger und ihrem noch amtierenden Vorsitzenden, der mit dem Spitznamen "Grinsendes Eisbein" bedacht wurde. Und die zugereisten Politiker, Lobbyisten und Medienleute kommen aus ihrer jeweiligen Provinz.
Die Provinz in Deutschland zwischen den Deichlandschaften im Norden und den Alpenseen im Süden ist etwas ganz Besonderes, Landschaften von großem Reiz egal ob die Insel Rügen oder die Weinberge an der Mosel, an Saale und Unstrut oder an den Hängen des Schwarzwalds. Die Menschen in den verschiedenen Regionen ob Pommern, Sachsen, Leute aus dem Kohlenpott, Rheinländer, Schwaben oder Bayern und selbstverständlich die Berliner sind wegen ihrer Originalität immer eine Begegnung wert.
Es gehört schon sehr viel Borniertheit dazu, vor diesem Hintergrund mit dem Wort Provinzler andere degradieren zu wollen.
Die Provinz hat sich nach dem Krieg im politisch organisierten Föderalismus und auch noch fast zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer bestens bewährt. Und das gilt auch, wenn hier und da über Reformen nachgedacht werden muss.
Was die Gleichmacherei von Provinzen zu einem Zentralstaat anrichten kann, haben die Älteren bei uns erlitten und können die Jüngeren immer wieder nachlesen. Und im sogenannten Global Village, dem Synonym für weltumspannende Gleichmacherei von Produkten und Konsumgewohnheiten, vom Kaffee im Pappbecher bis zur Massenkonfektion von Klamotten und Geschmäckern, in dieser Welt, in der auch die Banken inzwischen ihre Pleiten global fusionieren, sollte das Provinzielle, das noch Unterscheidbare, seinen Preis haben. Wir sollten die Provinz und die Provinzler unter Denkmalschutz stellen.
Peter Frei, Jahrgang 1934, war zunächst Redakteur bei der NRZ. 1962 ging er zum Deutschlandfunk und 1967 nach Baden-Baden zum SWF. Er war zehn Jahre lang Korrespondent in London, danach in Bonn, von 1991 an Chefredakteur des SWF und von 1993 bis 1998 sein Hörfunkdirektor.
Schon Konrad Adenauer war eigentlich nur ein rheinisch-katholischer Provinzler. Und was ist Angela Merkel? Natürlich kein Provinzler, aber eine Provinzlerin. Irgendwie sind wir doch in Deutschland alle aus der Provinz. Das war bereits in der Bonner Teilrepublik so und gilt auch noch heute im Zeichen der Berliner Republik.
Gerade aus der Berliner Perspektive ableiten zu wollen, die Menschen im Rest der Republik seien nicht so ganz ernst zu nehmen, ist von vornherein ein untauglicher Versuch. Berlin mit seiner urbanen Wabenkultur der Kieze ist selbst bekennende Provinz. Freilich gibt es Unterschiede zu Bonn. Berlin ist viel größer, fast schon wieder eine Metropole; eine Hauptstadt ist es schon lange. Berlin hat nach dem Fall der Mauer zu seiner Lust und Freude, aber auch zu seinen Lasten viel, viel Kultur im Angebot. Drei bedeutende Opernhäuser, mehrere erstklassige Sinfonieorchester, die Museumsinsel und viele andere Top-Galerien, Film- und Literaturfestspiele dazu sogenannte Events von Madonna im Olympiastadion bis zum Auftritt des Signum-Quartetts in einem Wohnzimmer. Und Berlin hat seine Vergangenheit, gute und erdrückende Geschichte, zum ausgraben in vielen Schichten, fast wie im alten Troja. Gegen solche Konkurrenz müssen sich, anders als in Bonn, Kulturveranstaltungen in Botschaften und Landesvertretungen bewähren. Auch Hinterbänkler in der Politik müssen sich in Berlin etwas einfallen lassen um aufzufallen und mit einer Notiz in den Zeitungen bedacht zu werden. Dennoch bleibt es dabei, die Berliner organisieren sich in ihren Stadtbezirken selbst als Provinz. Die CDU der Stadt hat gerade wieder dazu beigetragen mit Friedbert Pflüger und ihrem noch amtierenden Vorsitzenden, der mit dem Spitznamen "Grinsendes Eisbein" bedacht wurde. Und die zugereisten Politiker, Lobbyisten und Medienleute kommen aus ihrer jeweiligen Provinz.
Die Provinz in Deutschland zwischen den Deichlandschaften im Norden und den Alpenseen im Süden ist etwas ganz Besonderes, Landschaften von großem Reiz egal ob die Insel Rügen oder die Weinberge an der Mosel, an Saale und Unstrut oder an den Hängen des Schwarzwalds. Die Menschen in den verschiedenen Regionen ob Pommern, Sachsen, Leute aus dem Kohlenpott, Rheinländer, Schwaben oder Bayern und selbstverständlich die Berliner sind wegen ihrer Originalität immer eine Begegnung wert.
Es gehört schon sehr viel Borniertheit dazu, vor diesem Hintergrund mit dem Wort Provinzler andere degradieren zu wollen.
Die Provinz hat sich nach dem Krieg im politisch organisierten Föderalismus und auch noch fast zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer bestens bewährt. Und das gilt auch, wenn hier und da über Reformen nachgedacht werden muss.
Was die Gleichmacherei von Provinzen zu einem Zentralstaat anrichten kann, haben die Älteren bei uns erlitten und können die Jüngeren immer wieder nachlesen. Und im sogenannten Global Village, dem Synonym für weltumspannende Gleichmacherei von Produkten und Konsumgewohnheiten, vom Kaffee im Pappbecher bis zur Massenkonfektion von Klamotten und Geschmäckern, in dieser Welt, in der auch die Banken inzwischen ihre Pleiten global fusionieren, sollte das Provinzielle, das noch Unterscheidbare, seinen Preis haben. Wir sollten die Provinz und die Provinzler unter Denkmalschutz stellen.
Peter Frei, Jahrgang 1934, war zunächst Redakteur bei der NRZ. 1962 ging er zum Deutschlandfunk und 1967 nach Baden-Baden zum SWF. Er war zehn Jahre lang Korrespondent in London, danach in Bonn, von 1991 an Chefredakteur des SWF und von 1993 bis 1998 sein Hörfunkdirektor.

Peter Frei© SWR