Ein Liebling der Kritiker

Von Daniela Mayer |
Spätestens seit ihrer Rolle als "Nina" in Jürgen Goschs gefeierter Theaterinszenierung von Anton Tschechows "Die Möwe" ist die 31-jährige Kathleen Morgeneyer ein Liebling der Kritiker. Auch bei dem Berliner "Theatertreffen" ist sie wieder dabei.
Kathleen Morgeneyer: "Olga ist nicht da, sie ist zur Arbeit gegangen."

Das rote Wasser hat die helle Haut ihrer dünnen Beine bis zum Rocksaum verfärbt. Nur ihre langen Zöpfe sind vollkommen blond und rein geblieben. Umrahmen ihr schüchternes, angstvolles Gesicht. Kathleen spielt Lisa.

"Du hässliches, nichtsnutziges Ding"

Ein achtjähriges Mädchen. Ungeliebt und zu verzweifelt, um zu leben.

Lisa stirbt. Ergreifend. Endgültig. Doch Kathleen steht wieder auf. Als Baronin Elisabeth Thalmann, ihrer zweiten Rolle im Theaterstück "Der Fall der Götter" am Düsseldorfer Schauspielhaus.

Im selben blassen Blümchenkleid, jetzt mit hastig hochgesteckten Zöpfen, verwandelt sie sich vom verlorenen Kind in eine entschlossene, scheinbar glückliche Frau. Kathleen Morgeneyers rascher Rollenwechsel überrascht und begeistert. Nur mit der leichten Korrektur ihrer Mimik, der Haltung ihres schmalgliedrigen Körpers, spielt sie zwei grundverschiedene Menschen.

"Manchmal ist mir so ein bisschen schwindelig, weil ich dann nicht mehr genau weiß, innen drin, wo ich bin."

Gibt sie in der Pause des Theaterstücks offen zu und wirkt auch so. Liebenswürdig verwirrt und ein bisschen verloren in einem kargen, nach kaltem Rauch riechendem Raum. Jetzt trägt sie einen schwarzen Blazer über dem Blumenkleid. Ihre Haare sind offen und bauschen sich wild um ihr ungeschminktes, von der Aufführung noch leicht erhitztes Gesicht. Mit ihrer schmalen, geraden Nase, der feinen, durchscheinenden Haut und dem schönen, markanten Profil, könnte sie Modell für eine Büste der Antike stehen. Entschlossenheit, Kraft und Zähigkeit strahlt sie aus. Und doch wirkt die 31-Jährige auch überraschend jung. Mädchenhaft, sympathisch und irgendwie zart.

Mit ihren schmalen, langen Händen untermalt sie anmutig, was sie in manchmal stockenden Sätzen erzählt. Zum Beispiel von ihrer Teenagerzeit in Chemnitz, als eine schauspielbegeisterte Tochter eines Bauingenieurs und einer Lehrerin.

"Wir hatten dann nach der Wende so eine freie Schule und da bin ich hin gegangen mit großer Lust, plötzlich. Und da haben wir ganz viele Sachen gemacht. Theater, Filme und alles und da ist das so gewachsen."

Das spätere, weniger freie Gymnasium hat Kathleen Morgeneyer abgebrochen. Um auf eine Schauspielschule zu gehen.

"Dann hat das aber nicht geklappt, da war ich gerade 17. Da haben die gesagt, ich soll nochmal wieder kommen, das hab ich aber sechs Jahre nicht gemacht. In der Zeit war ich Pantomime."

"In Chemnitz und Leipzig, mit Freunden zusammen haben wir so ein eigenes Theater gegründet und dann mit Masken und Schattenspiel und so gespielt."
Mit 24 Jahren aber – für sie auf den letzten Drücker, wie Kathleen Morgeneyer leicht verlegen ergänzt - hat sie sich schließlich doch wieder an der Ernst-Busch-Schule in Berlin vorgestellt. Und wurde sofort genommen.

"Ich hatte mir das gewünscht. Vor allem weil ich gerne von Anfang an eigentlich mit Sprache arbeiten wollte. Und da bemerke ich, dass da für mich so andere kreative Sachen kommen. Bei Sprache. Also bei Gedichten oder eben bei Texten."

Das haben auch andere bemerkt.

2006 ging Kathleen Morgeneyer direkt von der Schule nach Düsseldorf ans Schauspielhaus. Seitdem gehört sie fest zum Ensemble. Dort hat sie vor anderthalb Jahren auch zum ersten Mal Regisseur Jürgen Gosch getroffen. Von dem sie sichtlich begeistert ist.

"In dem zweiten Jahr hat Jürgen Gosch "Was ihr wollt" gemacht und da hatte ich die Olivia gespielt. Und so haben wir uns kennen gelernt. Ja. Und dann hab ich ihn auch gebeten, ist es möglich nochmal zusammen zu arbeiten und er hat das auch von sich aus dann gesagt und so ist das dann zu Stande gekommen."

Jürgen Gosch besetzte sie schließlich wieder, als Nina in Anton Tschechows "Die Möwe".

"Mit Jürgen Gosch, ich mein, das ist jetzt schon ein Geschenk da zu sein. Und das dort zu machen, mit den Menschen zusammen. Das ist schon sehr groß."

Die Rolle bringt ihr seit der Premiere letzten Dezember hymnische Kritiken und verlockende Angebote. Kommenden Sommer wird sie auf Wunsch des neuen Frankfurter Intendanten Oliver Reese an das dortige Schauspiel wechseln.

Privat allerdings, zieht es sie wieder zurück nach Berlin. Ihrem Freund, einem Musiker zuliebe, sagt sie lächelnd. Mit ihm teilt sie unter anderem ihre Freude an selbst komponierten "kleinen Liedern", wie sie sie in ihrer bescheidenen Art nennt.

"Ich mach’ das so mit Gitarre und Klavier, aber so ganz einfach, wie für Kinder oder so."

Sogar für ein Theaterstück hat sie in Düsseldorf schon solche Stücke eingespielt. Doch viel Zeit für Musik und ihre andere Leidenschaft, die Poesie, wird sie bei der Vielzahl der Angebote in Zukunft wohl kaum haben.

Stimme aus Lautsprecher:
"Frau Morgeneyer, bitte großes Haus besetzen."

Zeit zum drüber reden, bleibt ihr auf jeden Fall keine. Kathleen Morgeneyer muss zurück auf die Bühne. Schnell.

Kathleen Morgeneyer:
"Ich muss jetzt wirklich gehen,"

sagt sie und entschwindet. Zum Schlussakt. Dem "Fall der Götter". Sie lässt einen berührt zurück. Mit der Vorfreude darauf sie bald wieder zu sehen. Auf der Bühne, in ihrer nächsten gefeierten Rolle.