Ein langer Abend für Mieczysław Weinberg

Dem Vergessen entrissen

Ein Mann stützt versonnen seinen Kopf auf die Hände, die er über eine Stuhlkante gelegt hat.
In Polen geboren, fand er schließlich seinen Lebensmittelpunkt in Moskau © Mieczyslaw Weinberg / Weinbergsociety
Moderation: Stefan Lang · 02.05.2020
Der Komponist Mieczysław Weinberg war jüdischer Pole, der nach dem Kriegsausbruch sein Land verließ. In Moskau wurde er Schostakowitschs enger Freund. Lange wurden seine Werke nicht beachtet. Zunehmend begeistert sich die Musikwelt für ihn - eine Werkschau.
Zwei Kurzopern des Komponisten stehen auf dem Programm und einige Kammermusikwerke, die Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet und produziert hat.

Verlobungsarien in der Küche

An erster Stelle präsentieren wir Ihnen die Oper "Wir gratulieren" - ein Werk voller jüdischer Bezüge unter der Tarnung eines sozialistischen Mantels. Es sind zwei Paare, die sich in der Oper finden, Dienerschaft von großen Herrschaften, die in der Küche und im Keller ihr Leben gestalten und auch bis in die Ohnmacht hinein zu feiern wissen, bis die Dame des Hauses, eine reiche Jüdin, dem Verlobungstreiben ein Ende bereitet. Darunter ihre Köchin Bejlia, verwitwet und frustriet, die dem Buchleiher Reb Alter zustimmt, um mit ihm durchzubrennen. Zwischen ihnen das junge Paar, die Kammerdienerin Fradl, die dem Diener des Nachbarhaushaltes Chaim ihr Ja-Wort gegeben hat.
Weinberg hätte darin, so hat er es selbst formuliert, seine jüdischen Erfahrungen mit hinein verwoben.
Ein Mann sitzt mit einem Stift schreibend an einem Schreibtisch.
Der Komponist Mieczysław Weinbergan seinem Schreibtisch in Moskau.© http://www.weinbergsociety.com
Danach folgt eine Aufzeichnung aus Erfurt. Dort kam der Einakter "Lady magnesia" auf die Bühne.

Liebeständelei endet in Versteinerung

Hier handelt es sich um ein komödiantisches Stück mit derb-absurder Handlung. Die attraktive Titelheldin, in besten Verhältnissen lebend, lebenslustig, genusssüchtig, ist von ihrem Mann Lord George Fitztollemache gelangweilt. Mehr Freude bringt ihr dagegen der attraktive Adolphus, der Diener der Familie.
Eine Dame mit großem Hut, rotem Kleid und weißem Pelz steht singend auf einer Bühne.
Lady Magnesia ( Marisca Mulder) genießt ihr Leben in vollen Zügen.© picture alliance / ZB / Martin Schutt
Derweil ist das Zimmermädchen Phyllis am Lord interessiert. Aber der schenkt ihr keine Beachtung. Lord George Fitztollemache beobachtet nur das Treiben seiner Frau und giert nach Rache: er beschließt, sie umzubringen.
Er schreitet zur Tat, es ist Nacht – er holt aus, will zustechen, als die Lady niest – kräftig, laut, der Lord zuckt zusammen. Der Mord fällt aus. Ein neuer Plan entsteht. Der Diener Adolphus soll dran glauben, mittels Gift. Adolphus schluckt, das Gift schlägt an, der Diener windet sich unter Schmerzen.
Dieses Leiden bemerkt die Lady. Erst stößt sie das Winden des Mannes ab, dann aber ergreift sie das Mitleid. Gleichzeitig entwickelt sie wieder Gefühle für den Lord, ihren Mann. Beide versuchen nun Adolphus Schmerzen zu lindern.
Vielleicht hilft Gips, ein altes Hausmittel, gegen das Gift? Stuck aus der Zimmerdecke wird verabreicht, dann die Gipsbüste der Lady in Wasser gelöst. Die Schmerzen weichen, der Tod ist aber unabwendbar. Sanft tritt er ein: Adolphus versteinert. Nach und nach wird er zur Statue, die schützend die Hände über das Paar breitet. Draußen tobt derweil ein Gewitter.

Musik donnert durch die Geschichte

Dieser kuriosen Handlung hat Weinberg eine entsprechende Musik gegeben. Dabei grast er durch sämtliche Stile, die die Musikgeschichte zu bieten hat - buntes Musiktreiben für das wilde Bühnengeschehen.
Leider können wir aus rechtlichen Gründen die Opern nicht komplett zum Nachhören zur Verfügung stellen.

Freundschaft bekundet

Das folgende Klavierquintett komponierte Weinberg 1943/44, das im März 1945 in Moskau zur Uraufführung kam. Es ist unüberhörbar von Schostakowitschs Klavierquintett angeregt. Er war Weinberg Mentor, Freund und Helfer. Schostakowitsch konnte eine lange Haft des Freundes verhindern. Das Weinberg-Quintett wirkt fast wie eine Verbeugung vor dem Komponistenfreund.

Miniaturen für die Kleinen am Klavier

Elisaveta Blumina, Pianistin im Quintett, ist eine ausgesprochene Weinberg-Verehrerin. Sie hat seine Werke regelmäßig im Repertoire. Ihr ist es zu einem guten Teil zu verdanken, dass gerade dieser Komponist wieder auf den Konzertbühnen zu hören ist. Sie beschließt den Abend solistisch mit den 21 leichten Stücken für Klavier, op. 41. Die Miniaturen tragen anschauliche Titel, wie "Die Nachtigall", "Der kleine Ball", "Hasenkinder", "Versteckspiel" und zu guter Letzt "Gute Nacht".
Elisaveta Blumina stützt ihren Kopf in ihre Hände und lächelt.
Elisaveta Blumina spielt Weinbergs Werke gern und oft in Konzerten.© Mathias Beyer
Aufnahme vom September 2012 im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin
Mieczysław Weinberg
Wir gratulieren - Oper nach dem Theaterstück "Mazl tov" von Scholem Alejchem
Deutsch Adaption: Ulrike Patow - Fassung von Henry Koch

Katia Guedes - Madame
Anna Gütter - Fradl
Olivia Saragosa - Bejlia
Jett Martin - Reb Alter
Robert Elibay-Hartog - Chaim

Kammerakademie Potsdam
Leitung: Vladimir Stoupel

Aufzeichnung der Oper auf der Studiobühne des Theaters Erfurt im Februar 2020
Mieczysław Weinberg
Lady Magnesia - Oper in einem Akt
Text vom Komponisten nach Bernard Shaws Farce "Passion, Poisen and Petrification"

Sir George Fitztollemache - Marwan Shamiyeh
Lady Magnesia, seine Gattin - Marisca Mulder
Phyllis, Zimmermädchen - Stéphanie Müther
Adolphus Bastable, Hausdiener - Máté Sólyom-Nagy

Mitglieder des Philharmonischen Chores
Philharmonisches Orchester Erfurt
Leitung: Samuel Bächli

Aufnahme vom Februar 2020 im Haus des Rundfunks in der Masurenallee
Mieczysław Weinberg
Quintett für Klavier und Streicher.

Elisaveta Blumina, Klavier
Noah Bendix-Balgley, Violine
Shanshan Yao, Violine
Mate Szücs, Viola
Bruno Delepelaire, Violoncello

Aufnahme vom Februar 2020 im Haus des Rundfunks in der Masurenallee
Mieczysław Weinberg
21 leichte Stücke für Klavier, op. 41

Elisaveta Blumina, Klavier

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