Ein kurzes Zeitschriftenleben

Von Michael Meyer |
Vor zwei Jahren startete das Magazin „Vanity Fair“ im Condé Nast Verlag. Die Erwartungen des Verlags, eine ernsthafte Konkurrenz zu „Spiegel“ und „Stern“, aber auch der „Bunten“ zu werden, haben sich nicht einmal ansatzweise erfüllt. Das Magazin wird mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Zumindest Berliner Zeitungshändler verkauften zum Teil recht gut das Magazin „Vanity Fair“, richtig begeistert ist jedoch keiner von ihnen über die Verkaufszahlen. Und die wurden seit einigen Monaten immer schlechter: „Rezession trifft auch den Oscar!“ titelte „Vanity Fair“ dieser Tage auf seiner Internetseite und nahm damit das eigene Ende vorweg.

Was wurde vor zwei Jahren nicht alles geschrieben über das neue Wunderkind im Magazinmarkt – und es wurde erwartungsvoll gezittert. Ob in den Redaktionen des „Stern“, „Focus“ oder des „Spiegel“. Denn, so der Plan, die deutsche „Vanity Fair“ sollte alles in den Schatten stellen: Die Stars von „Bunte“ und „Gala“ – nur edler und exklusiver; die Wundertüte eines Henri-Nannen-„Stern“ – nur schicker und überraschender, und irgendwie dabei noch die Relevanz von „Focus“ und „Spiegel“ haben – nur lässiger und luxuriöser.

Schon die erste Ausgabe war eine Enttäuschung: Der halbnackte Til Schweiger als Symbol für eine ganz neue Art von Promis in Deutschland? Das war ein Fehlschlag. Die Liste der darauf noch folgenden, mauen bis peinlichen Geschichten der „Vanity-Fair“-Redaktion ist lang: Mal wurde Dresden und Leipzig zu neuen „In“-Städten der Leistungselite hochgeschrieben, ein anderes Mal war sich die Redaktion nicht zu schade, dem Neonazi Horst Mahler seitenweise im Interview mit Michel Friedman zu erlauben, seine Sicht der Dinge darzulegen. Zur Diskussion um die hohen Managergehälter fiel dem damaligen Chefredakteur Poschardt nichts anderes ein als der Kommentar: „Danke, Manager“ – für all die Überstunden und Wochenenden ohne die Familie. Überhaupt zeichnete sich das Blatt durch eine erstaunliche Profillosigkeit und Beliebigkeit aus, findet auch der Hamburger Medienjournalist Kai-Hinrich Renner:

„Ich glaube, dass es vorgeschoben ist, zu sagen, die Wirtschaftskrise sei Schuld, ich glaube auch, dass das Blatt publizistische irrelevant war, und folglich auch keinen Erfolg am Kiosk hatte.“
Renner glaubt auch, dass das Blatt personell kaum gegen die etablierten Magazine bestehen konnte:

„Die ‚Edelfedern‘ sind dageblieben, wo sie waren, nämlich beim ‚Spiegel’, ‚Stern’ oder bei ‚Geo’. Wenn Sie so einen Anspruch vor sich hertragen, den das amerikanische Blatt hat, dann können Sie das wirklich nur mit den Besten der Besten machen. Das wöchentliche Erscheinen war ein großer Fehler, es gab ja schon Leute, die gedacht haben: Na, gibt es überhaupt genügend Personal unter den deutsche Stars um da ein Monatsmagazin mit zu bestücken, für ein Wochenmagazin ging das natürlich überhaupt nicht.“

Kein Wunder daher, dass kaum jemand in der Branche den Münchner Condé Nast-Verlag journalistisch ernst nehmen wollte – und zwar weder die Konkurrenz der bunten Blätter, noch die politischen Magazine. „Vanity Fair“ war ohnehin nicht dazu angetan, gar dem „Spiegel“ oder dem „Stern“ ernsthaft Konkurrenz zu machen. Anders als die großen Hamburger Magazine erreichte „Vanity Fair“ noch nicht einmal 200.000 verkaufte Exemplare, gerade mal 26.000 Abonnenten verzeichnete das Blatt im dritten Quartal 2008.

Und das, obwohl man mit zwei Euro Verkaufspreis deutlich billiger war als die Konkurrenz. Überdies verließ vor einem Jahr Ulf Poschardt das sinkende Schiff, mit ihm einige Redakteure, vor kurzem kündigte Condé-Nast-Verlagsgeschäftsführer Bernd Runge seinen Weggang an, und auch die Nachfolger sahen angesichts der mauen Auflagenzahlen und der grassierenden Medien- und Werbekrise keine Zukunft mehr für das Blatt.

Zusammen mit dem kürzlich eingestellten „Park Avenue“ und dem vor einem Jahr eingestellten Magazin „Max“ wird „Vanity Fair“ als weiteres Beispiel eines Hochglanzmagazins, das niemand braucht, in die Mediengeschichte eingehen. Um die deutsche „Vanity Fair“ ist es nicht schade – bedauerlich ist eher, dass es nicht gelungen ist, dem amerikanischen Original nachzueifern.

Dort erscheint „Vanity Fair“ nur einmal im Monat und kann durchaus zuweilen mit relevanten politischen Geschichten aufwarten, etwa als 2005 die CIA-Agentin Valerie Plame ihre Geschichte der „Vanity Fair“ erzählte. Von Geschichten wie diesen war die deutsche Ausgabe weit entfernt, auch wenn zuweilen Texte aus amerikanischen Magazinen übernommen wurden.

Ob es nach dem Ende von „Vanity Fair“ jemals wieder ein neues Hochglanzmagazin geben wird, ist noch völlig offen, zunächst einmal muss die derzeitige Medien- und Werbekrise überwunden sein – und das kann dauern.