Ein Krimi für Jugendliche

12.10.2007
Mit seinen über vierzig Büchern ist Mats Wahl der bekannteste lebende Jugendbuchautor Schwedens und seit Jahren international erfolgreich. Er hat auch eine eigene Krimireihe für Jugendliche entwickelt. In diesem Sommer veröffentlichte der Carl Hanser Verlag nach "Der Unsichtbare", "Kaltes Schweigen" und "Kill" mit "Die Rache" einen weiteren Band. Darin schildert Wahl Schweden nicht als das Land der Idyllikerin Astrid Lindgren, sondern sensibilisiert die Leser für die Risse in der Fassade der Wohlstandsgesellschaft.
Mit seinen über vierzig Büchern ist Mats Wahl der bekannteste lebende Jugendbuchautor Schwedens und seit Jahren international erfolgreich. Mats Wahl hat auch eine eigene Krimireihe für Jugendliche entwickelt. In diesem Sommer veröffentlichte der Carl Hanser Verlag nach "Der Unsichtbare", "Kaltes Schweigen" und "Kill" einen weiteren Band. Sein Titel: "Die Rache".

"Die Rache" ist Mats Wahls vierter Krimi um den beliebten Kommissar Harald Fors. Wieder muss der Ermittler mit seinem aus lauter Individualisten zusammengewürfelten Team einen Fall lösen, der sich als weitaus komplizierter erweist, als man erst denkt. Fors, melancholischer Möchtegern-Macho mit Humor und Flugangst, ist ebenso sensibel wie unkonventionell. Jeder mag ihn, sogar die Täter.

Mats Wahl hat in "Die Rache" verschiedene dramatische Handlungsfäden ineinander geflochten: Die 13-jährige Tove versucht, den Mord an ihrem Vater zu rächen und drei erwachsene Männer rächen den brutalen Überfall auf ihren Vater, der seitdem im Koma liegt. Eine Gruppe von Rechtsradikalen plant einen Anschlag und einer von ihnen rächt sich für dessen Verrat. Übrig bleiben am Schluss unschuldige Tote und tote Täter, körperlich und seelisch Verletzte.

Alle diese Fälle scheinen miteinander zu tun zu haben oder hängen auch wirklich zusammen. Was sie verbindet, ist das Motiv der Rache und seine vielen Gesichter. Toves tiefe Trauer, die maßlose Wut der drei Brüder, Angst oder die Verführung durch wirre politische Thesen – jedes Rachegefühl hat seine eigenen Wurzeln und jeder Racheakt seine schrecklichen Konsequenzen. Die damit auftauchenden nicht nur juristischen, sondern auch psychologischen und philosophischen Fragen sind bei Kommissar Fors gut aufgehoben. Entschieden in seinen Überzeugungen, dabei feinfühlig in seinem Umgang mit Tätern und Opfern zeigt er, dass Gut und Böse eher Abstrakta sind, während die Realität meist grau ist.

Spannend ist Mats Wahls "Die Rache" weniger im üblichen Sinn des Whodunit. Spannend sind vielmehr die Konflikte, von denen der Autor erzählt. Und das hängt vor allem mit den Menschen zusammen, die er schildert. Tove, das vor Schmerz halb verrückte Mädchen; seine Großmutter, eine gütige alte Pastorin; Harri, ein gemeingefährlicher Jugendlicher, der zufällig zum Opfer wird; Kommissar Fors selbst und seine Mitarbeiter – sie alle sind durch Kleinigkeiten wie Bewegungen, Mimik, ein Lachen oder einen Tick mit wenigen Strichen präzise und lebendig gezeichnet.

Wie in allen seinen Büchern schildert der Autor auch in "Die Rache" Schweden nicht als das Land der Idyllikerin Astrid Lindgren, sondern als das des ermordeten Olov Palme. Als ein Land mit kaputten Familien und einsamen Alten, Arbeitslosen und Neonazis. Doch er prangert niemanden an, sondern sensibilisiert seine Leser für die tiefen Risse in der Fassade der Wohlstandsgesellschaft.

Ein schönes Gegengewicht zu diesen ernsten Themen bildet Mats Wahls Humor. Wie er Wichtigtuerei und Eitelkeiten mit leisen Bemerkungen entlarvt, wie er die Handlung durch ironisches Geplänkel auflockert und in frech-flotten Dialogen auf den Boden des Alltags holt, das tut nicht nur seiner Story gut, sondern auch dem Leser. Man sieht ihn – trotz allem – mit einem Auge zwinkern. Und liegt auch ein Hauch Melancholie über dem Geschehen, so weiß man doch, letztendlich wird Kommissar Fors schon alles in den Griff bekommen.

Rezensiert von Sylvia Schwab

Mats Wahl: Die Rache.
Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch
Carl Hanser Verlag 2007. 288 S., geb., 16,90 Euro. Ab 13 Jahre.