Ein Kosmos im Detail
Besser könnte sich kein Ausstellungstitel in das Profil der Ruhrfestspiele einfügen: "Mensch und Maschine" heißt die Retrospektive zum Schaffen von Konrad Klapheck, die die Kunsthalle Recklinghausen im Rahmenprogramm des Festivals im Industrierevier zeigt. Rund 70 Gemälde des Künstlers sind zu sehen, der seit den 60er Jahren zu den auch international bekanntesten deutschen Malern zählt.
Der Maler ist seinem Modell treu geblieben. Es war faszinierend, geduldig, preiswert – sechs Mark die Woche - und hielt seine Pose unverrückbar präzise. Deshalb hat er es in ganzen Bilderserien verewigt. Und was das Erstaunlichste ist: 50 Jahre später sieht es noch genauso gut aus wie am ersten Tag. Konrad Klapheck und seine Schreibmaschine Modell "Continental" – das ist ein Markenzeichen in der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts geworden. 1955 hat er sie zuerst gemalt – aus dem Jahr 2005 stammt das jüngste Schreibmaschinenbild. Nebeneinander gehängt, eröffnen sie die Schau in Recklinghausen.
Klapheck: "Ich bin jetzt 71, das älteste Bild ist von 1955, damals war ich 20, es sind also 50 Jahre, die hier ausgestellt sind, sogar ein bisschen mehr."
Die Schreibmaschine von 1955 war eine Revolution in der Malerei. Das Gegenständliche war verpönt damals, überall dominierte die Farbe, in großer, gestischer Manier aufgetragen. Abstrakter Expressionismus, Tachismus und Informel hießen die beherrschenden Kunstrichtungen – da kam Klapheck und malte Alltagsgegenstände, mit Akribie und altmeisterlicher Perfektion, in äußerst reduzierter, kühler, strenger Farbigkeit.
Schwalm: "Er wollte dieser Malerei der Geste, des Pinselduktus, eine harte Konkretion entgegensetzten und hat auf den Farbenrausch mit einer ganz harten Dinglichkeit geantwortet."
Kurator Dr. Hans Jürgen Schwalm sieht vor allem Kontinuität als Kennzeichen dieses malerischen Werks. Alle seine großen Themen sind in Recklinghausen vertreten: nach den Schreibmaschinen die Nähmaschinen, dann die Schuhspanner, Bügeleisen, Fahrräder, Autoreifen, Telefone, Wasserhähne und Duschköpfe. Mit denen der unangepasste, skurrile Außenseiter Klapheck plötzlich mit knapp dreißig den Anschluss an die internationale Kunstszene fand.
Schwalm: "Er war ein unzeitgemäßer Künstler und plötzlich war en vogue, als in den 60er Jahren die Pop Art auf den deutschen Kunstmarkt schwappte, war Klapheck an vorderster Front auf einmal und wurde von der Kunstgeschichte eingeholt.""
Ein grandioses Missverständnis, das man kaum mehr begreifen kann, wenn man in Recklinghausen an den Wänden entlang schaut: diese monumentalen, vereinzelten Gegenstände stammen viel eher aus Träumen oder surrealen Filmen als aus den bunten Katalogen der Warenwelt, die die Pop Art inspirierten. Etwas Geheimnisvolles, bisweilen Abgründiges, Sinistres umgibt sie. Irritierend ist der Widerspruch zwischen einer akribisch genauen, überscharfen Nahsicht bei gleichzeitiger Abstraktion der Einzelheiten: Die berühmten Schreibmaschinen etwa haben keine Buchstaben auf den Tasten. Auch mit wechselnden Perspektiven treibt Klapheck Vexierspiele, die einen leichten Schwindel erzeugen.
Schwalm: "Diese psychologische Durchdringung, dieses Bild hinter dem Bild, denk ich, unterscheidet ihn von der Pop Art. Es geht nicht um Zivilisationskritik, es geht nicht um Abtasten von Oberfläche, sondern es geht um die Auseinandersetzung mit einem Ding, in das das Leben der Gesellschaft eingeschrieben ist, in das seine eigene Biographie eingeschrieben wird, hinter dem sich immer so ein ganzer Kosmos öffnet."
Der nimmt den Betrachter auf Anhieb gefangen in Recklinghausen. "Mensch und Maschine", die der Ausstellung den Titel geben, stehen in einem raffiniert kalkulierten, dialektischen Spannungsverhältnis, das die Phantasie beschäftigt, angeregt auch durch Klaphecks rätselhafte Titel, die allegorische Bedeutungen nahe legen. "Die gekränkte Braut" etwa heißt das erste Nähmaschinen-Portrait, "Die Sprache der Mächtigen" das jüngste Schreibmaschinenbild.
Klapheck: "In den Titeln spiegeln sich immer menschliche Qualitäten, zwischenmenschliche Beziehungen wider, das ist aber nicht von vorneherein so geplant, sondern es ergibt es sich so: erst Bild und hinterher Titel, und der Titel, der mir meist spontan einfällt, bezieht sich eben auf Menschliches."
Vor etwa zehn Jahren hat Konrad Klapheck eine neue Richtung eingeschlagen: Menschen erscheinen direkt in seinen Bildern.
Klapheck: "Es ist da eine Umkehrung passiert."
Zum ersten Mal präsentiert die Kunsthalle Recklinghausen diese jüngste Werkentwicklung in einem größeren Rahmen. Figuren, zumeist Aktdarstellungen, in ebenfalls surreal anmutenden Situationen. Die Hintergründigkeit, der bisweilen schwarze Humor, die präzise Komposition stehen den früheren Bildern nicht nach, dennoch ist die Wirkung auf den Betrachter schwächer. Wo banale Gegenstände zu mächtigen Charakteren zu werden schienen, sieht man jetzt Personen, die automatenstarr und unindividuell wirken. Man vermisst die lakonische Kraft, die strahlende Aura der Ding-Bilder, denen sich Klapheck offenbar auch wieder annähert.
Klapheck: "Ich hab in den letzten zehn Jahren vorwiegend Bilder mit Menschen, hauptsächlich mit Akten gemalt, aber von Zeit zu Zeit treibt es mich, auszuprobieren, ob ich auch noch eines meiner alten Themen befriedigend wieder in mein Programm aufnehmen kann, ob ich noch in der Lage bin, ne Schreib- oder Nähmaschine zu malen, die neben den alten Fassungen bestehen kann."
Das wird er selbst am kritischsten überprüfen, denn obwohl eine Retrospektive über 50 Jahre gewiss auch ein Anlass sein könnte, sich zurückzulehnen und das Erreichte Revue passieren zu lassen, sieht Klapheck, der Perfektionist, die Konfrontation mit seiner Vergangenheit eher als Herausforderung für die Zukunft.
Klapheck: "Der Rückblick ist für den Künstler manchmal was Erfreuliches, manchmal auch etwas Beklemmendes, und das Beste ist, dass man aus seinen Fehlern lernen kann, die so gnadenlos der Öffentlichkeit ausgesetzt sind, geradezu im Scheinwerferlicht, da springen einem die Schwachstellen der Bilder geradezu in die Augen."
Service: "Menschen und Machinen" - Bilder von Konrad Klapheck
Kunsthalle Recklinghausen 6.5.-23.7.2006
Klapheck: "Ich bin jetzt 71, das älteste Bild ist von 1955, damals war ich 20, es sind also 50 Jahre, die hier ausgestellt sind, sogar ein bisschen mehr."
Die Schreibmaschine von 1955 war eine Revolution in der Malerei. Das Gegenständliche war verpönt damals, überall dominierte die Farbe, in großer, gestischer Manier aufgetragen. Abstrakter Expressionismus, Tachismus und Informel hießen die beherrschenden Kunstrichtungen – da kam Klapheck und malte Alltagsgegenstände, mit Akribie und altmeisterlicher Perfektion, in äußerst reduzierter, kühler, strenger Farbigkeit.
Schwalm: "Er wollte dieser Malerei der Geste, des Pinselduktus, eine harte Konkretion entgegensetzten und hat auf den Farbenrausch mit einer ganz harten Dinglichkeit geantwortet."
Kurator Dr. Hans Jürgen Schwalm sieht vor allem Kontinuität als Kennzeichen dieses malerischen Werks. Alle seine großen Themen sind in Recklinghausen vertreten: nach den Schreibmaschinen die Nähmaschinen, dann die Schuhspanner, Bügeleisen, Fahrräder, Autoreifen, Telefone, Wasserhähne und Duschköpfe. Mit denen der unangepasste, skurrile Außenseiter Klapheck plötzlich mit knapp dreißig den Anschluss an die internationale Kunstszene fand.
Schwalm: "Er war ein unzeitgemäßer Künstler und plötzlich war en vogue, als in den 60er Jahren die Pop Art auf den deutschen Kunstmarkt schwappte, war Klapheck an vorderster Front auf einmal und wurde von der Kunstgeschichte eingeholt.""
Ein grandioses Missverständnis, das man kaum mehr begreifen kann, wenn man in Recklinghausen an den Wänden entlang schaut: diese monumentalen, vereinzelten Gegenstände stammen viel eher aus Träumen oder surrealen Filmen als aus den bunten Katalogen der Warenwelt, die die Pop Art inspirierten. Etwas Geheimnisvolles, bisweilen Abgründiges, Sinistres umgibt sie. Irritierend ist der Widerspruch zwischen einer akribisch genauen, überscharfen Nahsicht bei gleichzeitiger Abstraktion der Einzelheiten: Die berühmten Schreibmaschinen etwa haben keine Buchstaben auf den Tasten. Auch mit wechselnden Perspektiven treibt Klapheck Vexierspiele, die einen leichten Schwindel erzeugen.
Schwalm: "Diese psychologische Durchdringung, dieses Bild hinter dem Bild, denk ich, unterscheidet ihn von der Pop Art. Es geht nicht um Zivilisationskritik, es geht nicht um Abtasten von Oberfläche, sondern es geht um die Auseinandersetzung mit einem Ding, in das das Leben der Gesellschaft eingeschrieben ist, in das seine eigene Biographie eingeschrieben wird, hinter dem sich immer so ein ganzer Kosmos öffnet."
Der nimmt den Betrachter auf Anhieb gefangen in Recklinghausen. "Mensch und Maschine", die der Ausstellung den Titel geben, stehen in einem raffiniert kalkulierten, dialektischen Spannungsverhältnis, das die Phantasie beschäftigt, angeregt auch durch Klaphecks rätselhafte Titel, die allegorische Bedeutungen nahe legen. "Die gekränkte Braut" etwa heißt das erste Nähmaschinen-Portrait, "Die Sprache der Mächtigen" das jüngste Schreibmaschinenbild.
Klapheck: "In den Titeln spiegeln sich immer menschliche Qualitäten, zwischenmenschliche Beziehungen wider, das ist aber nicht von vorneherein so geplant, sondern es ergibt es sich so: erst Bild und hinterher Titel, und der Titel, der mir meist spontan einfällt, bezieht sich eben auf Menschliches."
Vor etwa zehn Jahren hat Konrad Klapheck eine neue Richtung eingeschlagen: Menschen erscheinen direkt in seinen Bildern.
Klapheck: "Es ist da eine Umkehrung passiert."
Zum ersten Mal präsentiert die Kunsthalle Recklinghausen diese jüngste Werkentwicklung in einem größeren Rahmen. Figuren, zumeist Aktdarstellungen, in ebenfalls surreal anmutenden Situationen. Die Hintergründigkeit, der bisweilen schwarze Humor, die präzise Komposition stehen den früheren Bildern nicht nach, dennoch ist die Wirkung auf den Betrachter schwächer. Wo banale Gegenstände zu mächtigen Charakteren zu werden schienen, sieht man jetzt Personen, die automatenstarr und unindividuell wirken. Man vermisst die lakonische Kraft, die strahlende Aura der Ding-Bilder, denen sich Klapheck offenbar auch wieder annähert.
Klapheck: "Ich hab in den letzten zehn Jahren vorwiegend Bilder mit Menschen, hauptsächlich mit Akten gemalt, aber von Zeit zu Zeit treibt es mich, auszuprobieren, ob ich auch noch eines meiner alten Themen befriedigend wieder in mein Programm aufnehmen kann, ob ich noch in der Lage bin, ne Schreib- oder Nähmaschine zu malen, die neben den alten Fassungen bestehen kann."
Das wird er selbst am kritischsten überprüfen, denn obwohl eine Retrospektive über 50 Jahre gewiss auch ein Anlass sein könnte, sich zurückzulehnen und das Erreichte Revue passieren zu lassen, sieht Klapheck, der Perfektionist, die Konfrontation mit seiner Vergangenheit eher als Herausforderung für die Zukunft.
Klapheck: "Der Rückblick ist für den Künstler manchmal was Erfreuliches, manchmal auch etwas Beklemmendes, und das Beste ist, dass man aus seinen Fehlern lernen kann, die so gnadenlos der Öffentlichkeit ausgesetzt sind, geradezu im Scheinwerferlicht, da springen einem die Schwachstellen der Bilder geradezu in die Augen."
Service: "Menschen und Machinen" - Bilder von Konrad Klapheck
Kunsthalle Recklinghausen 6.5.-23.7.2006