"Ein kleines Wunder"

Moderation: Vladimir Balzer · 23.10.2007
Das Herzstück der Anna Amalia Bibliothek in Weimar, die zum Weltkulturerbe zählt, ist nach dem schweren Brand 2004 restauriert. Am Mittwoch wird das Stammhaus der Forschungsbibliothek mit dem Rokokosaal der Öffentlichkeit mit einem Festakt übergeben. 3000 der zerstörten Bücher konnten ersetzt und 16.000 wiederhergestellt werden.
Deutschlandradio Kultur war mit der Sendung Fazit live vor Ort und sprach unter anderem mit dem Chefbuchrestaurator Matthias Hageböck und dem Bibliotheksdirektor Michael Knoche. Lesen Sie hier Auszüge aus den Interviews:

Balzer: Wie ist der Stand der Restaurierung der Bücher jetzt?

Hageböck: Die Bilanz nach dem Brand war die, dass wir 62.000 Bücher in das Zentrum für Bucherhaltung nach Leipzig geschafft haben. Dort sind sie eingefroren worden, um Schimmelbildung zu verhindern und anschließend gefriergetrocknet wurden. Die Bücher befinden sich alle wieder hier. Und diese 62.000 Bücher teilen sich auf in 34.000 Wasser- und Hitzeschäden, von denen haben wir 14.000 bereits wieder in den Bestand einsortiert. Da waren die Schäden so geringfügig, dass sie nach der Gefriertrocknung direkt wieder in die Benutzung gehen konnten. Verbleiben also aus diesem Teil 20.000 für die Restaurierung. Oben aus dem Brandherd haben wir 28.000 Bücher geborgen, davon sind 8000 restaurierfähig, die anderen sind zu stark verbrannt.

(…)

Balzer: Herr Knoche, wachen Sie manchmal noch nachts auf und denken an diese Brandnacht von damals?

Knoche: Ja, die Bilder verschwinden nicht aus dem Kopf. Im Moment schießen sie zusammen mit Bildern von wunderbaren Räumen, die ganz herrlich restauriert sind und wo man ganz spontan begeistert ist, wenn man sie betritt. Und wenn man dann sieht, ach, da hängt ja auch jetzt auch dieses große Ölgemälde, das da immer schon hängen sollte und plötzlich da ist. Es sind für mich natürlich auch aufregende Tage. Und manchmal weiß man gar nicht, was man fühlen soll. (…) Uns Bibliothekare hat es natürlich auch in besonderer Weise zusammengeschweißt so ein Erlebnis. Wir haben die ganze Nacht in einer Menschenkette gearbeitet zusammen, dieses Ereignis zu verkraften versucht und zu retten versucht. Und wir haben da eine ganz andere emotionale Beziehung zueinander gefunden. Und es ist einfach unglaublich, mit welcher Energie die Bibliothekare hier gearbeitet haben, und wie dieses kleine Wunder, was es für mich eigentlich bedeutet, dann auch zustande gekommen ist.