Ein klassischer Verwechslungsschwank

Von Hartmut Krug · 09.04.2009
Das Stück "Amanullah Amanullah", das 1929 in Berlin uraufgeführt wurde, spielt in der Weimarer Republik. Während im Berliner Palais Prinz Albrecht ein russischer Revolutionsfilm gedreht werden soll, nimmt gleichzeitig der afghanische König Amanullah Khan dort Quartier.
Der klassische Verwechslungsschwank des Autorenpaares Franz Arnold und Ernst Bach, 1929 in Berlin uraufgeführt, spielt in den Anfangsjahren der kaiserlosen Weimarer Republik. Während im Palais Prinz Albrecht ein russischer Revolutionsfilm gedreht werden soll, kommt gleichzeitig der afghanische König Amanullah Khan, im Stück und Volksmund Abdur di Bulla genannt, in Berlin an und nimmt im gleichen Palais Quartier. Nun verwechselt hier jeder jeden, Statisten, Kameraleute, deutsche und afghanische Beamte und Hofleute, und aus allem zieht der Bankangestellte Fritz trick- und verwandlungsreich seinen Vorteil. Schluss- und Höhepunkt des irrwitzigen Treibens ist ein sogenanntes Mullah-Komplott, durch das der allem westlichen zugeneigte König Khan zum Privatmann wird.

Frank Castorf hat die Grundstruktur des Schwankes beibehalten, aber da er ihm etliche Fremdtexte implantiert und etliche Figuren mit neuen Haltungen versehen hat, durfte er auf Geheiß des Verlages nicht mehr den ursprünglichen Titel "Hulla di Bulla" verwenden. Jetzt heißt der Abend, ebenso klangreich wie klangkomisch nach einem für den Staatsbesuch geschriebenen Schlager "Amanullah Amanullah."

Regisseur Frank Castorf setzt den alten Schwank und dessen Darsteller unter Überdruck. Dabei gibt dem Genre Schwank viel zu viel von dem, was es braucht. Gespielt und gebrüllt wird mit viel mimisch-gestischer und stimmlicher Übersteigerung. Castorf bedient das Genre und versucht es in der Übertreibung gleichzeitig zu ironisieren. Das ist auf derbe Weise immer wieder auch komisch, doch macht es diese pausenlose dreistündige Aufführung, trotz vieler wunderbarer schauspielerischer Solonummern, vor allem von Marc Hosemann als dem Berliner Tausendsassa Fritz, in ihrer immer auf dem gleichen Erregungsgrad dahintobenden Spielweise ungemein anstrengend. Die Schauspieler wechseln ständig von einer Rolle in die nächste, dabei grimassieren sie und toben, singen Chansons und lassen die Türen aufs wildeste klappen. Wer Castorfs "Pension Schöller" gesehen hat, der merkt, was hier fehlt: genaue Begründung der Figuren und deren Entwicklung, Spannungsaufbau und Formbewußtsein. Nur der massige Schauspieler Volker Spengler und der schmale Georg Friedrich als kaiserlicher Gast verstehen es, ihre Figuren zwischen Ruhe und Hysterie zu gestalten.

Die Inszenierung versieht den afghanischen Gast mit einer Begeisterung für den aufkommenden Faschismus und behauptet, wenn auch dramaturgisch eher gewalttätig, auch bei den deutschen Figuren den Wunsch nach einer starken Hand. So wird Antonin Artauds "Das Theater und die Pest" aus dem Jahr 1933 von der virtuosen Anne Ratte-Polle mit Schaum vor dem Mund vorgetragen: Artaud behauptet, das Theater müsse wie die Wirklichkeit in einer existentiellen Krise die Pest bekommen, worauf entweder der der Tod oder die Heilung folgen könne. Genauso wenig dramaturgisch überzeugend wirkt es, wenn die Frauen des Abends immer mal wieder in die Rollen von Zilles Milljöhfrauen aus dessen "Hurengespräche" fallen und ihre sexuell-pornographisch direkten Lebensschilderungen vortragen. Natürlich aber sind diese Texte publikumswirksam, und die obszönen Lieder, zu denen sich das Ensemble am Schluß vor dem fast ganz auseinander genommenen Bühnenbild versammelt, nachdem eine hinreißende Szene viele Attentäter unter Teppichen auf die Bühne kriechen sah, begeistern ein amüsierwilliges Publikum und lassen es manche Übersteigerung und Durststrecke vergessen.