"Ein Kind, das jetzt am Hunger stirbt, wird ermordet"

Der Schweizer Soziologe und ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, hat von Deutschland mehr Einsatz für die Entschuldung armer Länder gefordert, um den Hunger zu bekämpfen. Ziegler äußerte sich zum Thema: "Tank oder Teller – Kein Brot für die Welt?"
Die Auslandsschuld müsse weg, sagte Ziegler am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur in der Sendung "Länderforum" zum Thema "Tank oder Teller – Kein Brot für die Welt?" Wenn heute ein Kind an Hunger sterbe, werde es ermordet, betonte er.

Wörtlich sagte Ziegler: "Deutschland ist die lebendigste Demokratie dieses Kontinentes, ist die dritte Wirtschaftsmacht der Welt und kann im Weltwährungsfonds durchsetzen, dass die Entschuldung [ ... ] sich realisiert."

Bei dem heutigen Stand der Landwirtschaft könne das Doppelte der derzeitigen Weltbevölkerung ernährt werden, betonte der Soziologe. Als einen der Gründe für die trotzdem steigende Zahl an Hunger-Opfern nannte Ziegler die Umwandlung von Lebensmitteln wie Mais und Raps zu Biokraftstoffen. Für 50 Liter Bioethanol müssten 358 Kilo Mais verbrannt werden. Davon könne ein Kind in Mexiko ein Jahr lang leben. "Biosprit - das Verbrennen von Nahrungsmitteln und Umwandlung in Biodiesel und Bioethanol - ist der Hauptgrund für die Preisexplosion. Die Preisexplosion ist der Hauptgrund für das rasante Ansteigen von der Vernichtung menschlichen Lebens durch Hunger."

Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, CDU, stimmte zu. Er halte die Produktion von Biokraftstoffen durch die Vernichtung von Nahrung für moralisch nicht akzeptabel. "Bei 900 Millionen Menschen, die hungern, ist es notwendig, sich zu überlegen, ob es auch moralisch vernünftig und akzeptabel ist, ob man das, was man für Brot produzieren kann, nämlich Getreide, ob man dieses in den Tank packen kann." Er halte es für problematisch, dass der Landwirt so zu einem Energieproduzenten gemacht werde und seine erste Aufgabe, Nahrung herzustellen, in den Hintergrund gedrängt werde, betonte der gelernte Bauer.

Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, Bärbel Höhn, wies darauf hin, dass lediglich zwei Prozent der weltweiten Agrar-Fläche für die Produktion von Biokraftstoffen verwendet werden. Hingegen 30 Prozent würden für die Fleischproduktion belegt. "Für eine Kalorie Fleisch wird das drei- bis achtfache dessen an Pflanzen benötigt, als wenn man sich vegetarisch ernähren würde. Das heißt, man könnte viel mehr Menschen ernähren, wenn sie weniger Fleisch essen würden." Die Gründe für den Hunger seien nicht monokausal, betonte Höhn.