Ein Jahr Rot-Rot-Grün in Thüringen

Keine Pannen, keine Wunder

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) scherzt mit der Vize-Ministerpräsidentin Heike Taubert (l., SPD) und der zweiten Vertreterin des Ministerpräsidenten Anja Siegesmund (Bündnis 90/Die Grünen).
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) scherzt mit der Vize-Ministerpräsidentin Heike Taubert (l., SPD) und der zweiten Vertreterin des Ministerpräsidenten Anja Siegesmund (Bündnis 90/Die Grünen). © picture alliance / dpa / Michael Reichel
Von Henry Bernhard |
"Nicht alles anders, aber vieles besser" wollte Deutschlands erster linker Ministerpräsident Bodo Ramelow machen, als er vor einem Jahr mit seiner rot-rot-grünen Regierung in Thüringen antrat. Inzwischen ist der Realpolitiker auf dem Boden der Tatsachen angekommen.
Die Stimmung ist gelöst auf der Pressekonferenz von Bodo Ramelow und seinen beiden Stellvertretenden Ministerpräsidentinnen von der SPD und von den Bündnisgrünen. Ein Jahr haben sie durchgestanden ohne größere Pannen, aber auch ohne Wunder zu vollbringen.
"Ich beginne mit der Feststellung, dass ein erstes Jahr ein erstes Jahr und nicht eine erste Legislaturperiode ist. Man kann in einem ersten Jahr nur die Dinge beschreiben, die man angefangen hat in arbeitsfähige Strukturen zu bringen, bzw. Projekte, die man angefangen hat, in Gang zu setzen und Maßnahmen, auf die man sich verständigt hat."
Dafür, dass die Erwartungen auf der einen Seite groß, auf der anderen Seite finster waren, als vor einem Jahr die erste rot-rot-grüne Landesregierung mit einem linken Ministerpräsident antrat, ist die Bilanz – je nach Sichtweise – ernüchternd oder beruhigend. "Nicht alles anders, aber vieles besser" wollte Ministerpräsident Bodo Ramelow machen. Vor einem Jahr sagte er in seiner Regierungserklärung:
"Wir wollen das attraktive Herz in der Mitte der Bundesrepublik Deutschland sein, und dazu zählt für uns auch, Herz einer bunten Republik zu sein."
Auf dem Boden der Tatsachen
Inzwischen ist auch der Realpolitiker Bodo Ramelow auf dem Boden der Tatsachen angekommen.
"Der Anpassungsprozess von mir im Amt hat auch was damit zu tun, dass ich lernen musste, in dem Amt, die richtigen Maßnahmen, die richtigen Wirkmechanismen zu begreifen. Das sieht sich doch durchaus als Oppositionsführer von außen einfacher an. Kann man einfach im nächsten Ministerium anrufen und sagen, 'Hallo, ich bin der Ministerpräsident; bringen sie mir mal folgende Entscheidung vorbei!' Und sowas ist ein bißchen zu einfach gedacht. Und da habe ich lernen müssen, mit dem Instrumentarium umzugehen."
Die von vielen vorgebrachten Zweifel an der Stabilität der Regierung angesichts einer Ein-Stimmen-Mehrheit haben sich inzwischen gelegt. Linke und SPD ertragen die dauerdebattierenden Grünen, die wiederum die alten Kader bei den Linken und Linke und Grüne die Sparwut der SPD.
Rot-Rot-Grün hat noch jedes Gesetz durchgebracht, das sie in den Landtag eingebracht haben: Zum Bildungsurlaub, zum Wählen mit 16 auf kommunaler Ebene, zur Abschaffung des Landeserziehungsgeldes, den laufenden Haushalt und auch das Gesetz zur Finanzierung der Freien Schulen – ein "Herzensthema" der Grünen, das die Koalition erstmals erschütterte, erinnert sich Matthias Hey, Fraktionschef der SPD.
"Da hat unser kleiner Bündnispartner, also die Grünen, mal ausgetestet, wie weit sie überhaupt in der Koalition gehen können. Das war bis zur Schmerzgrenze. Und das war schon auch eine Erfahrung, die muss ich nicht unbedingt jährlich machen."
AfD und CDU zerlegen sich selbst
Die Opposition zerlegt sich derweil von ganz allein: Die AfD-Fraktion hat drei von elf Abgeordneten verloren; ein ehemaliger CDU-Minister hat aus Protest gegen Merkels Politik Partei und Fraktion verlassen. Die Wunsch-Koalition der CDU, Schwarz-Rot, ist nicht einmal mehr rechnerisch möglich. Bodo Ramelow, der erste linke Ministerpräsident in Deutschland, sitzt fest im Sattel. Der Oppositionsführer, Mike Mohring, CDU:
"Nämlich sie hat in zehn Monaten geschafft, den Konsolidierungskurs des Landes, für den viele Jahre gebraucht wurden, ihn aufzubauen, kaputt zu machen; der Haushalt, der vorgelegt ist für die Jahre '16 und '17 setzt die Tilgung aus, erhöht Steuern und Abgaben, ist unambitioniert und verbraucht alle Rücklagen dieses Landes."
In der Tat gibt es bei der Linken Bestrebungen, entgegen dem Willen des Koalitionsvertrages, neue Schulden aufzunehmen. Hier könnte es bald knirschen. Ebenso wie bei der Gebietsreform, die die hohe Anzahl der Kommunen und Kreise in Thüringen reduzieren soll. SPD-Fraktionschef Hey sieht hier erhebliches Konfliktpotential für die Koalition:
"Es wird, glaube ich, aus den Reihen der Linken und der Grünen wird es dem einen oder anderen klar, dass das eine sehr unangenehme Geschichte wird, weil man ja eine unglaubliche Medienmaschinerie gegen sich hat. Und das ist natürlich im Moment schlechtes Wetter; aber auch bei schlechtem Wetter muss man eben auch mal stehen! Und wenn das wirklich scheitern sollte, dann ist aus meiner Sicht die Koalition auch zu Ende."
Aber die Gebietsreform soll erst am Ende der Legislaturperiode gestemmt werden. Bis dahin wird Rot-Rot-Grün wohl auf jeden Fall weiter in Thüringen regieren.
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