Ein Jahr nach dem Anschlag in Halle

Keine Einzeltäter, sondern rechtsextreme Strukturen

06:28 Minuten
Blick auf die Synagoge in Halle an der Saale, die vor einem Jahr Ziel eines antisemitischen Anschlags wurde.
Am 9. Oktober 2019 wurde auf die Synagoge in Halle ein antisemitischer Anschlag verübt. © picture alliance/Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB
Bascha Mika im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 07.10.2020
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In Halle wurde heute der Opfer des Anschlags auf die Synagoge gedacht. Seit der Tat werde zwar mehr über Rechtsextremismus gesprochen, sagt Journalistin Bascha Mika. Vor den strukturellen Ursachen verschließe man aber weiter die Augen.
Es war ein Schock, als vor nicht ganz einem Jahr bekannt wurde, dass Dutzende Betende in der Synagoge in Halle nur äußerst knapp dem Anschlag eines Rechtsextremen entgangen waren. In Kampfmontur war der Täter aufgetreten, mit mehreren Kilo Sprengstoff und einigen Schusswaffen. Nach seinem fehlgeschlagenen Versuch, in die Synagoge einzudringen, erschoss er auf der Flucht zwei Menschen.
Seit der Tat werde wieder mehr über Rassismus und Antisemitismus gesprochen, sagt die Journalistin Bascha Mika. Dies sei überaus wichtig, denn aus Untersuchungen wisse man, dass sich Täter wie der von Halle in ihrem Handeln auch durch eine entsprechende gesellschaftliche Stimmung gestützt fühlten. "Deshalb ist ein öffentlicher Diskurs so wahnsinnig wichtig."

Die Muster der Diskriminierung

Allerdings sei das Thema auch deshalb nicht verschwunden, weil Innenminister Horst Seehofer es durch seine beständige Weigerung über strukturellen Rassismus in Deutschland zu reden, "am Köcheln" gehalten habe. Diese sei "unsäglich dumm", so Bascha Mika, da man wisse, dass es nicht nur Einzeltäter gebe, sondern auch entsprechende gesellschaftliche Muster:
"Die sind zum Teil gar nicht bewusst. Und nach denen verhalten wir uns alle. Und wenn man sich diese Muster nicht bewusst macht – und dazu gehören eben auch rassistische und diskriminierende Muster –, dann kommt man an diese strukturellen Fragen nicht ran."
Die Politik könne hier viel mehr tun, beispielsweise die "unendlich vielen Initiativen", die sich gegen derartige Muster engagierten, unterstützen statt ihnen den Geldhahn abzudrehen. "Was ich mir aber vor allem wünsche, dass diese Beteuerungen, es gibt keinen strukturellen Rassismus und keine strukturelle Diskriminierung, auch nicht in Institutionen – dass das endlich mal aufhört."
(ckü)
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