Ein Jäger und Sammler

Von Antonia Kreppel |
Er sammelt Street-Art, Malereien, Objekte und Kartonskulpturen. Philipp Teuchtler findet sie auf der Straße und in Ateliers junger Künstler. In seiner großen Altbauwohnung lebt er in einem Kunstlabyrinth. Auf seinen legendären "Bikinipartys" wird Kunst getauscht. Jetzt ist er erstmals mit zwei Objekten auf der Art Cologne vertreten.
Der Vorraum der Altbauwohnung sieht auf den ersten Blick aus wie ein Berg von Müll: Kartons, alte Kleider und Schuhe, Theaterkulissen, Tannenzweige stapeln sich bis zur Decke. Ein bleicher, dunkel gekleideter Mann bahnt sich den Weg durch das Gerümpel: Philipp Teuchtler, 33 Jahre alt; schwarze zerzauste Haare, Sieben-Tage-Bart, charmantes Lächeln.

Doch wo bitte ist da die Kunst?

Philipp Teuchtler: " Meine neuesten Erwerbungen, Moment, da müssen wir schauen ... "

Mit schnellem Schritt führt er durch seine labyrinthartig verzweigte Wohnung, die er von seinen Eltern übernommen hat. Alte Kronleuchter hängen an den Decken. Von außen dringt nur spärliches Tageslicht in die drei Meter hohen Räume. Wände, Decken, Ecken – überall steht, liegt und hängt Kunst – Kartonskulpturen, Malereien und Graffiti von Street-Art-Künstlern, Objekte von Kunststudenten wie Papier-Würste, Giraffen ohne Kopf, Kochtöpfe mit Fratzen. An der Wand lehnt eine Schablonenmalerei des französischen Künstlers Blek le Rat.

Philipp Teuchtler: " Und der hat des damals im letzten Jahr auf so eine Tür in Wien hingepickt, auf so eine Aufzugstür . Und da ist es jetzt über ein Jahr gehangen, bis ich gesehen hab, dass sich die ganzen Füße schon unten auflösen. Jetzt haben wir‘s versucht runterzunehmen, ja und haben wir‘s eh geschafft. Hab ich nicht gewusst, dass des 5000 Euro wert ist. "

Philipp Teuchtler strahlt. Sein Zugang zu Kunst ist völlig unkompliziert, ein Urtrieb
sozusagen: jagen und sammeln. Er sucht sich zusammen, was ihm gefällt. An der Basis, dort wo Kunst entsteht: In Ateliers, Akademien und vor allem auf der Straße.

Wenn der englische Streetart-Künstler Banksy in Wien eine Ratte auf eine Stromkastentüre sprayt, lässt er schon mal das ganze Teil abmontieren und zahlt die Unkosten. Oder er hilft eine Ausstellung abbauen und rettet aus dem Müll, was andere wegwerfen, wie beispielsweise ein mit Erdnussbutter beschmiertes Stofftier des amerikanischen Künstlers William Pope L. -beide Kunst-Objekte sind auf der Art Cologne zu sehen.

" Das ist so ein kleiner Lohn für die jahrelange Arbeit und Energie, die man reinsteckt. Da ich mir nicht viel leisten kann, also kein großes Budget hab, um Bilder zu kaufen, muss ich halt schauen, wie man Sachen günstig bekommt. Für mich ist eben auch wichtig, dass man den Leuten zeigen kann, dass man auch Kunst sammeln kann, ohne dass man jetzt wirklich eine dicke Brieftasche braucht. "

Kunst hat er nie studiert. Seit seinem Abitur im Wiener Lycée - die Großmutter war Französin - arbeitet er im Plattenladen seiner Eltern - übrigens das älteste Second-Hand-Plattengeschäft Wiens. Sicher ein anregendes Milieu für einen, der gerne Dinge um sich herum anhäuft. Erst vor drei Jahren fing es so richtig mit dem Kunst sammeln an - Anreiz war die Pappfigur eines anonymen Straßenkünstlers, die ihm sein Bruder geschenkt hat. Die schnelle, einfache, genaue Machart hat ihn fasziniert.

" Und erst wie ich halt selber welche auf der Straße entdeckt hab, hab ich mir gedacht, oh, die ist aber schön gemalt. Da ist es halt losgegangen. Das ist eben das Schöne, dass keine gleich ist - obwohl es eine große Auflage ist im Moment, sind das alles Unikate. "

Die lebensgroßen Kartonfiguren sind mit fotokopierten Porträts von Persönlichkeiten aus
Politik, Medienwelt und Wissenschaft beklebt: Mao Tse-tung, James Dean, Sigmund Freud
& Co. Über 600 dieser flachen Pappkameraden hat Philipp Teuchtler inzwischen in
seiner Wohnung und in einem Lager versammelt - regelrecht auf Beutejagd ist er gegangen.

" Also Sonntag war immer ein guter Tag, Sonntag ab 11 Uhr ist man immer ein paar Mal auf die Straße gegangen und hat geschaut, ob schon was steht, nein, um 12 noch einmal, nein - d.h. der Sonntag war schon reserviert für die Suche. "

Auch den Künstler hat er gejagt, bis er seine Identität kannte. Heute ist er mit ihm befreundet - na ja, was eben ein unerbittlicher Sammler unter Künstlerbetreuung versteht.

" Wir telefonieren schon täglich, ich terrorisiere ihn schon, also dem lass ich keine Ruh. Es kann auch um 1 Uhr sein in der Nacht oder ... "

Kunst ist Kommunikation: Das ist Philipp Teuchtlers Geheimrezept. Junge Künstler gehen bei ihm ein und aus. Auf den inzwischen legendären "Bikiniparties" kommt es zu wahren Tauschorgien: Hip-Hop-Schallplatten gegen Graffiti-Kunst - Pappfigur gegen Pappfigur - zum Beispiel das Porträt des Sammlers gegen ...

" Philipp Teuchtler: Such, such ... was ist da denn , oh ein Einstein
Künstler: Ein Einstein, Einstein mit Che, den würd ich nehmen
Teuchtler: … und Arnold Schwarzenegger auch drauf.
Künstler: Den reservier‘ ich mir ...
Teuchtler: Nimm ihn …"

Drei Nymphensittiche sind Philipp Teuchtlers einzige Lebensgefährten in seinem 110 Quadratmeter großen Kunstlabyrinth - seit seine langjährige Freundin unlängst ausgezogen ist.

" Also ich könnte alles raushauen aus der Wohnung: Vom Fernseher, Kasten, Tische
und so, bis ich halt dann nur noch mit den Kunstwerken lebe, also ich brauch da nicht
wirklich viel, ein Bett vielleicht, die Küche, Dusche, aber sonst. Langsam muss eh
alles rausfliegen was nicht irgendwie mit Kunst zu tun hat. "