"Ein irres Privileg"
Mit 24 Jahren ist sie fast die Jüngste der Truppe. Am Weimarer Nationaltheater hat sie gerade als Regisseurin mit dem Stück "Liliom" ihren Einstand gegeben. Die Österreicherin Nora Schlocker nennt es ein Privileg, mit dem Inszenieren Geld verdienen zu können, was sich für sie nicht wie Arbeit anfühle.
Aus einer Probe: "Herr Liliom, werfen Sie mich vom Karussell runter, wenn ich mich draufsetze?" – "Wenn ich nicht weiß, warum, warum sollte ich Sie dann runterwerfen?"
Liliom ist Schausteller auf dem Rummelplatz und soeben einem jungen Mädchen auf dem Karussell nahegekommen. Näher zumindest als die Karussellbetreiberin es wünscht, die kurzen Prozess macht und sowohl Liliom entlässt als auch dem Mädchen weitere Fahrten verbietet.
Aus einer Probe: "Ich warne Sie! Setzen Sie Ihren Fuß nicht noch einmal auf mein Karussell! Wenn sich eine unanständig aufführt auf meinem Karussell, dann wird sie abgeschafft!"
Vor hundert Jahren ließ der Dramatiker Ferenc Molnar "Liliom" im Budapester Vergnügungspark spielen. Heute sieht man bei der Bühnenprobe im Weimarer "e-Werk" keine Schießbuden und kein Karussell. Nur eine große Freitreppe, die andeutet, dass die Handlung hinter den Kulissen des Jahrmarktes stattfindet.
Die Schauspieler sitzen auf den Zuschauerplätzen und gehen den Text durch. Mitten unter ihnen mit schwarzen Haaren und in bunter Strickjacke hockt die Regisseurin: Nora Schlocker, mit 24 Jahren eine der jüngsten in der Truppe:
"Ich habe immer so eine Sehnsucht danach, dass man den ganzen Raum gestaltet, dass man durch diese Tür reinkommt und dann schon in eine andere Welt kommt."
Die andere Welt in Weimar ist heute die Kirmes-Welt: mit Plastikbecher- und Pappteller-Müll, der zwischen den Zuschauerplätzen herumliegt und von den Schauspielern später zusammengekehrt wird.
Die Regisseurin Nora Schlocker ist klein, zart, beinahe zerbrechlich. Der sehr kurze Jungen-Haarschnitt wirkt an ihr weiblich. Ihr Auftreten ist zurückhaltend und doch bestimmt:
Aus einer Probe: "Okay, stopp, lasst uns noch mal anfangen, bitte! Lasst uns noch mal den Übergang mit der Putzkolonne machen, also wenn, dann muss es so sein, dass die Putzkolonne von da kommt!"
"Ich hatte schon immer einen Drang, rauszufinden, was ich machen will, und unbedingt rauskriegen, was ich mit mir anfangen soll. Deswegen hab ich im Sommer immer irgendwelche Sachen ausprobiert. Hab in einer Band gespielt damals, war freiberuflich bei einer Zeitung, hab mir damit mein Taschengeld verdient."
Nora Schlocker ist die einzige Tochter eines Pharmazeuten und einer Kunstjournalistin. Aufgewachsen ist sie in Innsbruck. Mit 15 macht sie ein Praktikum beim ORF und hat eine eigene Sendung bei einem freien Tiroler Radio. Sie lernt Klarinette, E-Gitarre, singt, schreibt die Musik für einen Schauspiel-Abend, spielt dort sogar eine Hauptrolle. Zwei Jahre später macht sie Abitur, und besucht ein Jahr lang eine Schauspielschule. Spaß macht ihr das Schauspielern nicht besonders, lieber will sie selbst Ideen umsetzen. Als Regisseurin.
"Ich hab schon mit 17 mich am Reinhard-Seminar beworben in Wien – sozusagen die einzige vernünftige Schauspiel- und Regieschule in Österreich. Und da bin ich in die Endrunde gekommen, und da haben sie mir gesagt, ich bin noch zu klein, ich soll nächstes Jahr kommen. (…) Und dann hab ich dieses Jahr am Theater gearbeitet und mich an der "Ernst Busch" beworben. Und da hab ich schon in der ersten Runde gesagt: Wenn Sie mich jetzt überhaupt kommen lassen, dann geh ich nicht wieder, wenn Sie mir sagen, ich bin zu jung. Das ist für mich kein Argument mehr! Weil mich das so geärgert hat im Jahr davor."
Nora Schlocker hat die Aufnahmeprüfung an der Berliner Ernst-Busch-Hochschule beim ersten Mal bestanden und das Studium letztes Jahr abgeschlossen. In dieser Zeit bringt sie zum Beispiel Wagners "Götterdämmerung" als Schauspiel auf die Bühne. Zur Inszenierung von "Gier" und der "Herzzeitlosen" von Sarah Kane reist sie nach Innsbruck und Linz, für die Stücke "Wolf" und "Der Bus" nach Karlsruhe und Halle.
In Nora Schlockers Stücken gibt es viele leise, eindringliche Stellen, und nie wird sie sich verleiten lassen, Musik vom Band einzuspielen. Musiker sind bei ihr stets auf der Bühne und Teil des Geschehens. In Weimar musizieren die Schauspieler sogar selbst.
"Ich find es schade, wenn man erkennt, jetzt kommen die Lieblings-CDs des Regisseurs. Das bekommt für mich schnell so eine Beliebigkeit, und ich finde es immer spannender, wenn man nicht den einfachsten Weg benutzt. Genauso wie man für einen Film ja auch eine Filmmusik komponiert, finde ich es immer schöner, wenn man jemanden hat, der den gesamten Abend auch macht und sich um die Musik kümmert."
Aus einer Probe:
"Mir sagen Sie, ich hab mich aufgeführt? Wir haben die Fahrt bezahlt, uns auf den Hirsch gesetzt..." –
"Sie glauben wohl, ich hab’s nicht gesehen? Nur weil ich in der Mitte sitze vom Karussell, sehe ich im Spiegel doch alles. Setzt sich auf den Hirsch und lässt sich während der ganzen Fahrt vom Liliom befingern!"
"Man kann sich sechs Wochen verkriechen mit einer Gruppe von Menschen, Du hast dich davor manchmal nie gesehen, und nach sechs Wochen denkt man, man kennt sich schon ewig, und man kommt sich so nah."
Die Schauspielertruppe ist Nora Schlockers Ersatzfamilie während der Probenzeit. Für die verlässt sie die Berliner Wohnung, die sie sich mit ihrem Freund teilt, einem österreichischen Filmregisseur. Das Zusammensein mit anderen ist für sie das Schönste an ihrem Beruf.
"Ich bin total glücklich. Was für ein irres Privileg das ist, dass man das machen kann, was sich nicht wie arbeiten anfühlt, und man kriegt auch noch Geld dafür. Ich kann mir es nicht vorstellen, dass man irgendwo sitzt und hofft, dass das Wochenende kommt. Wenn man was inszeniert, dann gibt’s ja nichts anderes."
Service: Nächste Vorstellung von "Liliom" von Ferenc Molnar ist am 14. Mai 2008 im e-Werk Weimar zu sehen.
Liliom ist Schausteller auf dem Rummelplatz und soeben einem jungen Mädchen auf dem Karussell nahegekommen. Näher zumindest als die Karussellbetreiberin es wünscht, die kurzen Prozess macht und sowohl Liliom entlässt als auch dem Mädchen weitere Fahrten verbietet.
Aus einer Probe: "Ich warne Sie! Setzen Sie Ihren Fuß nicht noch einmal auf mein Karussell! Wenn sich eine unanständig aufführt auf meinem Karussell, dann wird sie abgeschafft!"
Vor hundert Jahren ließ der Dramatiker Ferenc Molnar "Liliom" im Budapester Vergnügungspark spielen. Heute sieht man bei der Bühnenprobe im Weimarer "e-Werk" keine Schießbuden und kein Karussell. Nur eine große Freitreppe, die andeutet, dass die Handlung hinter den Kulissen des Jahrmarktes stattfindet.
Die Schauspieler sitzen auf den Zuschauerplätzen und gehen den Text durch. Mitten unter ihnen mit schwarzen Haaren und in bunter Strickjacke hockt die Regisseurin: Nora Schlocker, mit 24 Jahren eine der jüngsten in der Truppe:
"Ich habe immer so eine Sehnsucht danach, dass man den ganzen Raum gestaltet, dass man durch diese Tür reinkommt und dann schon in eine andere Welt kommt."
Die andere Welt in Weimar ist heute die Kirmes-Welt: mit Plastikbecher- und Pappteller-Müll, der zwischen den Zuschauerplätzen herumliegt und von den Schauspielern später zusammengekehrt wird.
Die Regisseurin Nora Schlocker ist klein, zart, beinahe zerbrechlich. Der sehr kurze Jungen-Haarschnitt wirkt an ihr weiblich. Ihr Auftreten ist zurückhaltend und doch bestimmt:
Aus einer Probe: "Okay, stopp, lasst uns noch mal anfangen, bitte! Lasst uns noch mal den Übergang mit der Putzkolonne machen, also wenn, dann muss es so sein, dass die Putzkolonne von da kommt!"
"Ich hatte schon immer einen Drang, rauszufinden, was ich machen will, und unbedingt rauskriegen, was ich mit mir anfangen soll. Deswegen hab ich im Sommer immer irgendwelche Sachen ausprobiert. Hab in einer Band gespielt damals, war freiberuflich bei einer Zeitung, hab mir damit mein Taschengeld verdient."
Nora Schlocker ist die einzige Tochter eines Pharmazeuten und einer Kunstjournalistin. Aufgewachsen ist sie in Innsbruck. Mit 15 macht sie ein Praktikum beim ORF und hat eine eigene Sendung bei einem freien Tiroler Radio. Sie lernt Klarinette, E-Gitarre, singt, schreibt die Musik für einen Schauspiel-Abend, spielt dort sogar eine Hauptrolle. Zwei Jahre später macht sie Abitur, und besucht ein Jahr lang eine Schauspielschule. Spaß macht ihr das Schauspielern nicht besonders, lieber will sie selbst Ideen umsetzen. Als Regisseurin.
"Ich hab schon mit 17 mich am Reinhard-Seminar beworben in Wien – sozusagen die einzige vernünftige Schauspiel- und Regieschule in Österreich. Und da bin ich in die Endrunde gekommen, und da haben sie mir gesagt, ich bin noch zu klein, ich soll nächstes Jahr kommen. (…) Und dann hab ich dieses Jahr am Theater gearbeitet und mich an der "Ernst Busch" beworben. Und da hab ich schon in der ersten Runde gesagt: Wenn Sie mich jetzt überhaupt kommen lassen, dann geh ich nicht wieder, wenn Sie mir sagen, ich bin zu jung. Das ist für mich kein Argument mehr! Weil mich das so geärgert hat im Jahr davor."
Nora Schlocker hat die Aufnahmeprüfung an der Berliner Ernst-Busch-Hochschule beim ersten Mal bestanden und das Studium letztes Jahr abgeschlossen. In dieser Zeit bringt sie zum Beispiel Wagners "Götterdämmerung" als Schauspiel auf die Bühne. Zur Inszenierung von "Gier" und der "Herzzeitlosen" von Sarah Kane reist sie nach Innsbruck und Linz, für die Stücke "Wolf" und "Der Bus" nach Karlsruhe und Halle.
In Nora Schlockers Stücken gibt es viele leise, eindringliche Stellen, und nie wird sie sich verleiten lassen, Musik vom Band einzuspielen. Musiker sind bei ihr stets auf der Bühne und Teil des Geschehens. In Weimar musizieren die Schauspieler sogar selbst.
"Ich find es schade, wenn man erkennt, jetzt kommen die Lieblings-CDs des Regisseurs. Das bekommt für mich schnell so eine Beliebigkeit, und ich finde es immer spannender, wenn man nicht den einfachsten Weg benutzt. Genauso wie man für einen Film ja auch eine Filmmusik komponiert, finde ich es immer schöner, wenn man jemanden hat, der den gesamten Abend auch macht und sich um die Musik kümmert."
Aus einer Probe:
"Mir sagen Sie, ich hab mich aufgeführt? Wir haben die Fahrt bezahlt, uns auf den Hirsch gesetzt..." –
"Sie glauben wohl, ich hab’s nicht gesehen? Nur weil ich in der Mitte sitze vom Karussell, sehe ich im Spiegel doch alles. Setzt sich auf den Hirsch und lässt sich während der ganzen Fahrt vom Liliom befingern!"
"Man kann sich sechs Wochen verkriechen mit einer Gruppe von Menschen, Du hast dich davor manchmal nie gesehen, und nach sechs Wochen denkt man, man kennt sich schon ewig, und man kommt sich so nah."
Die Schauspielertruppe ist Nora Schlockers Ersatzfamilie während der Probenzeit. Für die verlässt sie die Berliner Wohnung, die sie sich mit ihrem Freund teilt, einem österreichischen Filmregisseur. Das Zusammensein mit anderen ist für sie das Schönste an ihrem Beruf.
"Ich bin total glücklich. Was für ein irres Privileg das ist, dass man das machen kann, was sich nicht wie arbeiten anfühlt, und man kriegt auch noch Geld dafür. Ich kann mir es nicht vorstellen, dass man irgendwo sitzt und hofft, dass das Wochenende kommt. Wenn man was inszeniert, dann gibt’s ja nichts anderes."
Service: Nächste Vorstellung von "Liliom" von Ferenc Molnar ist am 14. Mai 2008 im e-Werk Weimar zu sehen.