Ein Humanist und Grenzüberschreiter

Von Anna Gann · 01.02.2012
Johannes Trithemius war in seiner Zeit ein berühmter Abt und Humanist. In Umberto Eco Roman "Das Focaultsche Pendel" spielt er eine Rolle als Kenner von Geheimschriften. Für seinen Gönner Kaiser Maximilian I. verfasste er auch historische Schriften.
"[Ich muss] ertragen, dass viele mich für einen Zauberer halten, dass sie meinen, ich könnte Tote zum Leben erwecken, Dämonen aus der Unterwelt heraufbeschwören, die Zukunft voraussagen und durch Beschwörungen Diebe einfangen."

Der Benediktinerabt, humanistische Gelehrte und Klosterreformer Johannes Trithemius war ein Grenzüberschreiter. Er vertiefte sich in die Kabbala, die jüdische Mystik, entwarf Systeme zur Textverschlüsselung und beschäftigte sich mit Dämonologie. Die Unterstellung, mit dem Teufel im Bunde zu sein, konnte auf der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert gefährlich werden. Trithemius beteuerte daher stets, er betreibe nur die "natürliche" Magie, zu deren Zielen es gehörte, Einblicke in die Zusammenhänge der Natur zu gewinnen.

Die schillernde Person des Trithemius hat die Fantasie von Schriftstellern und Komponisten angeregt. In Sergej Prokofjews Oper "Der Flammenengel" etwa wird er als Autor eines geheimen Buches genannt.

Geboren wurde Johannes Trithemius als Johannes Zeller oder auch Johannes Heidenberg am 1. Februar 1462 im beschaulichen Moselort Trittenheim bei Trier. Mit nur 21 Jahren wurde der Spross einer Winzerfamilie Abt des Benediktinerklosters Sponheim bei Bad Kreuznach. Ihm stand das Ideal des gebildeten Klostermannes vor Augen. Unter den Mönchen seiner Zeit erblickte er jedoch vor allem faule Disziplinlosigkeit.

"O, ihr Dummköpfe und Toren, die ihr eure Trägheit nicht verbergt, sondern zu eurer größeren Verwirrung euch auch noch öffentlich als Feinde der göttlichen Schriften erweist! Verharrt nur in eurer falschen Einfalt, in eurer eselshaften Demut!"

Trithemius avancierte zu einem führenden Kopf der Bursfelder Kongregation, die sich für eine Reform der Benediktinerklöster einsetzte. In Sponheim baute er eine umfangreiche Bibliothek auf und machte damit das Kloster zu einem Anziehungspunkt für Gelehrte von nah und fern, auch aus dem europäischen Ausland. Der Humanist Alexander Hegius schwärmte nach einem Zusammentreffen mit dem Abt:

"Ich habe das große Licht der Welt gesehen."

Der berühmte Klostergelehrte Trithemius hat zahlreiche Schriften verfasst. Die bedeutendste ist "De scriptoribus ecclesiasticis", die erste gedruckte Literaturgeschichte. Für seine historischen Berichte erfand er allerdings mitunter Quellen und Personen, was ihm den zweifelhaften Ruf eines Geschichtsfälschers eintrug. Um seine Person ranken sich indes auch Gerüchte und Legenden. Die bekannteste schildert der Reformator Martin Luther 1539 in seinen "Tischreden" so:

"[...] der Abt von Sponheim, hatte zu Wegen bracht, dass Kaiser Maximilian alle verstorbene Kaiser und große Helden [...] in seinem Gemach nacheinander gehend gesehen hatte [...] unter welchen auch gewest war der große Alexander, Julius Cäsar, item des Kaisers Maximilian Braut [...]"

Auch andere Autoren haben diese Legende überliefert. Ihr Kern, die Beschwörung toter Berühmtheiten, wurde später dem Arzt Johannes Faust zugeschrieben. Dieser hatte tatsächlich von sich behauptet, ein Meister der Totenerweckung zu sein. Johann Wolfgang von Goethe hat das Motiv dann im zweiten Teil seiner Tragödie "Faust" aufgegriffen. Die Zeitgenossen Faust und Trithemius sind sich zwar nie begegnet. In einem Brief von 1507 zeigte sich der Theologe Trithemius allerdings erbost über den Astrologen Faust. Dieses Schreiben ist das früheste Zeugnis über den bekannten Dr. Faustus.

"Beachte die törichte Kühnheit dieses Menschen; [...] Wer in Wahrheit von den Künsten keine Ahnung hat, hätte sich besser einen Narren als einen Magister nennen sollen!"

Trithemius verließ das Kloster Sponheim nach Konflikten mit dem Konvent und wurde 1506 Abt von St. Jakob in Würzburg. Dort starb der Gelehrte am 13. Dezember 1516. In seinem autobiografischen Werk "Nepiachus" hatte er geschrieben:

"Stets habe ich alles, was in dieser Welt wissbar ist, zu wissen begehrt. Aber es war mir unmöglich, dieses mein Verlangen zu stillen [...]; denn das Leben ist kurz und der Geist schwach."