Ein humaner Film über Affen

Von Hans-Ulrich Pönack |
Ein kleiner Schimpanse verliert seine Mutter. Seine Überlebenschancen scheinen aussichtslos. Doch dann nimmt sich der mächtige Anführer der Affengruppe des Kleinen an. Der neue Film der beiden Naturfilmer Alastair Fothergill und Mark Linfield ist ein märchenhaft erzähltes Lehrstück über das Gute. Mit überwältigenden Aufnahmen.
Mit ihrem abendfüllenden Dokumentarfilm "Unsere Erde – Der Film" (2007) schufen die beiden renommierten und vielfach preisgekrönten britischen Naturfilmer ein Genre-Ausnahmewerk. Ihre neueste Produktion haben sie für das Kuschelfilmhaus Walt Disney beziehungsweise für die Unterabteilung Disney Nature geschaffen. Als monumentalen Blick auf die nächsten lebenden Verwandten des Menschen: Schimpansen, deren Existenz auf unserem Planeten stark gefährdet ist. 1960 lebten eine Million Schimpansen in freier Wildbahn. Heute ist ihr Bestand auf ein Fünftel geschrumpft, heißt es im Film.

Der Tai-Nationalpark, der sich im Südwesten der Republik Elfenbeinküste befindet, ist eines der letzten westafrikanischen Gebiete mit ursprünglichem tropischem Regenwald. Seit 1982 wird er als UNESCO-Welterbe geschützt. Hierin wurde eine Geschichte platziert. Richtig: eine Geschichte. Denn wir haben heutzutage zwei Möglichkeiten der besseren Vermittlung von Ökopflege und Arten- beziehungsweise Tierschutz: mittels einer optisch beeindruckenden Dokumentation oder über einen faszinierenden, spannenden, überzeugenden Spielfilm. Jetzt streiten gerade die Gelehrten. Während die Produktionsfirma Disney und die Filmemacher im Presseheft zum Film von einer "authentischen" Geschichte sprechen, meint der Autor Jörg Blech in einem "Spiegel"-Artikel (Ausgabe 18/2013), dass dies nicht der Wahrheit entspreche, sondern dass die "vermeintliche Geschichte" um ein Affenbaby konstruiert, also herbeigeführt worden sei. Ich will dies nur benennen, aber nicht weiter verfolgen. Denn mir ist es völlig wurscht, ob sich dieses einzigartige Abenteuer so tatsächlich abgespielt hat oder nicht. Für mich zählt in diesem Fall die gute Absicht, über ein spielfilmähnliches engagiertes Dokument etwas Großartiges zu zeigen. Von etwas zu erzählen, das definitiv wichtig, lohnenswert, ebenso bedeutsam wie herrlich unterhaltsam ist – eben von Schimpansen. Ganz nah, ganz dicht – gedanklich wie emotional –, ganz ergreifend.

Es geht um "Oscar", einen kleinen Schimpansen in einer Sippe, die von der nachbarlichen Konkurrenz wegen Nahrung heftig attackiert wird. Dabei verliert der kleine Junge seine Mutter. Die Überlebenssituation scheint aussichtslos, doch dann passiert ein Wunder, indem der Gruppenanführer, der mächtige "Freddy", sich des Kleinen annimmt, ihn adoptiert und somit dessen Überleben sichert. Diese Geschichte wird erzählt von Alexander Brem, in märchenhafter Tonart mit und in einzigartiger, überwältigender Landschaftsoptik, sagenhaften Affen-Arrangements; und – bei entsprechender Rücksichtnahme – es durften nie mehr als drei Crewmitglieder mit den Tieren im Wald sein. Sie durften sich auf keinen Fall näher als sieben Meter nähern, mussten stets eine OP-Maske tragen, "um das Übertragungsrisiko menschlicher Krankheiten auf die Tiere zu minimieren" (Presseheft).

Wir lernen, begreifen, fühlen, empfinden. Neugier, Interesse, Anteilnahme entstehen. Der humane Film, ohne Altersbeschränkung freigegeben, vermittelt viel Gutes. Der Lernspaß ist furios und wirkt enorm nach. Für alle, die helfen wollen, lautet die Nachspannschlusszeile: www.wildchimps.org

USA, 2012; Regie: Alastair Fothergill und Mark Linfield; keine Altersbeschränkung; Erzähler: Alexander Brem; 78 Minuten

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