Ein Himmelsklassiker

Einer der Schwerpunkte des Jahrs der Astronomie ist der Sternenhimmel und seine Beobachtung. Um sich faszinieren zu lassen, braucht man allerdings nicht unbedingt ein Fernrohr oder gar ein Teleskop - dazu reicht schon ein Buch wie "Zwilling, Stier und Großer Bär - Sternenbilder erkennen auf den ersten Blick" von H. A. Rey.
Noch zu Lebzeiten von H. A. Rey erschien sein Himmelsklassiker "Zwilling, Stier und Großer Bär" in sechs Auflagen, und kein Geringerer als Albert Einstein soll bei der Lektüre bemerkt haben: "Ein höchst erhellendes Buch!".

Bei soviel Lorbeeren darf man gespannt sein, ob der Inhalt hält, was der Untertitel verspricht, nämlich "Sternenbilder erkennen auf den ersten Blick". Man kann dazu nur uneingeschränkt ja sagen! Es macht Riesenspaß, den Erklärungen von Rey zu folgen, bei denen immer größter Wert auf Verständlichkeit und Einfachheit gelegt wird. Hier und da scheint der Kinderbuchautor durch, weil dies manchmal etwas betulich geschieht. Mathematische Vorkenntnisse, so wird stolz versprochen, sind überflüssig.

Sternenbilder gehören seit Tausenden von Jahren zur Menschheitsgeschichte. Man hatte sie sich vorwiegend in Ägypten und Mesopotamien ausgedacht, um Orientierung und Wissen bei der Beobachtung des Sternenhimmels erhalten zu können. Mit der modernen Astronomie verloren sie an Bedeutung, und der moderne Mensch bekam seine liebe Mühe und Not, wenn er die Sternenbilder aufzählen oder gar am Himmel finden sollte. Die assoziative Phantasie antiker Beobachter, mit der sie noch in einer Sternengruppe Zwillinge zum Beispiel sehen konnten, war späteren Generationen nicht mehr gegeben.

H. A. Rey setzt genau bei diesem allgegenwärtigen Defizit an. Mit ganz einfachen Strichen gelingt es ihm, jene einfachen Sternengruppen, die nach der Überlieferung einen Zwilling oder Andromeda oder den Großen Bären darstellen sollen, zu solchen zu machen. Da entsteht dann tatsächlich ein Zwillingspaar vor unseren Augen, und bei Andromeda sehen wir wirklich die "Frau in Ketten". Diese Erfindungen von Rey tragen das ganze Buch.

88 Sternenbilder gibt es, rund 60 sind in unseren Breiten zu sehen und etwa so viel hat Rey auch gezeichnet. Immer drei oder vier Sternenbilder werden - auch wegen ihrer gegenseitigen Abhängigkeit - zusammen vorgestellt. Der Stern zum Beispiel, der den Kopf der Andromeda bildet, ist auch Bestandteil des Sternenbildes "Herbstviereck".

Der Autor will keine Stubengelehrsamkeit befördern. Ganz ausdrücklich ruft er dazu auf, mit seinem Buch nach draußen zu gehen, möglichst mit einer roten Lampe, die nicht so sehr blendet, wenn man die Sternenbilder im Buch mit dem wirklichen Nachthimmel vergleicht. Für die eigentliche Herausforderung, nämlich erstmal die ungefähre Region zu orten, in der man ein bestimmtes Sternenbild suchen sollte, werden einfache und hilfreiche Tipps gegeben.

Das beginnt mit der Suche nach dem Polarstern, um den sich buchstäblich alles dreht. Der Sternenhimmel ist in Bewegung, dreht sich entgegen dem Uhrzeigersinn - der Polarstern bleibt am Ort, etwa in der Mitte zwischen Zenit und Himmelshorizont.

Man kann etwa zu einer bestimmten Stunde zwei Dutzend Sternenbilder am Nachthimmel beobachten. Während neue am Horizont auftauchen, gehen gleichzeitig andere unter. Und dann ändert sich das Ganze noch während der verschiedenen Jahreszeiten. Ein anschaulicher und gut erklärter Sternenkalender, mit dessen Hilfe der für ein bestimmtes Datum jeweils gültige Sternenhimmel gefunden werden kann, bringt hier Ordnung hinein.

Bei wem hat sich in das Staunen bei der Betrachtung des wunderbaren Sternenhimmels nicht schon einmal Bedauern darüber eingemischt, dass man über die Sternenbilder, die in der Kulturgeschichte eine so große Rolle spielen, so wenig weiß und dass man so unbeholfen seine Blicke wandern lassen muss. Mit dem Buch von H. A. Rey hat nun jeder die Möglichkeit, diese Lücke zu schließen und kenntnisreicher als früher in den funkelnden Nachthimmel zu schauen.

Besprochen von Peter Kirsten

H. A. Rey: Zwilling, Stier und Großer Bär. Sternenbilder erkennen auf den ersten Blick
Aus dem Amerikanischen von Ebi Naumann
Arche Literatur Verlag 2009
180 Seiten, 28 Euro