Ein großer Fauvist
Das "Bank-Austria-Kunstforum" in Wien zeigt die erste umfassende Georges-Braque-Retrospektive im deutschsprachigen Raum seit mehr als 20 Jahren. Zu sehen sind 80 Gemälde und wichtige druckgrafische Arbeiten des großen Fauvisten und Kubisten.
In Frankreich wurde Georges Braque schon zu Lebzeiten als Olympier der Moderne verehrt: Er war der erste lebende Künstler, der im Louvre ausstellen durfte, nicht zuletzt kündet von der Verehrung, die Braque zuteil wurde, auch das Staatsbegräbnis, das ihm Kulturminister André Malraux 1963 in Paris ausrichten ließ.
Im deutschen Sprachraum steht Georges Braque bis heute allerdings im Schatten Pablo Picassos, mit dem zusammen er 1907 in einem kunsthistorischen Husarenstreich die kubistische Revolution angezettelt hat. Ingried Brugger, Direktorin des "Bank-Austria-Kunstforums" Wien, weist auf die Unterschiede zwischen den beiden Meistermalern hin: auf der einen Seite das Marketing-Genie Picasso, der Torero der internationalen Kunstszene, auf der anderen Seite der stille, eher zurückhaltende Braque.
Ingrid Brugger: "Picasso ist ein Südländer. Braque ist ein Franzose, noch dazu ein Nord-Franzose. Das scheint eine klischeehafte Vereinfachung zu sein, aber vielleicht weist diese Vereinfachung doch auf das unterschiedliche Temperament der beiden hin. Das durchzieht das ganze Werk und die Rezeptionsgeschichte."
In Wien ist der ganze Braque zu sehen, von den fauvistischen Anfängen bis zum wenig bekannten Spätwerk. Im Zentrum der Schau stehen aber die kubistischen Meisterwerke, die Braque ab 1907/08 im Duett mit Picasso schuf. Die Symbiose der beiden Kunstrevoluzzer ging soweit, dass sie manche Bilder bewusst nicht signierten, um ihre Arbeiten sozusagen zu anonymisieren. Caroline Messensee, die Kuratorin der Wiener Ausstellung:
Caroline Messensee: "Der Kubismus war nur möglich durch beide. Die zwei haben sich ergänzt. Wäre der eine nicht da gewesen, der andere alleine hätte das in dieser Form nie machen können."
Brugger: "Wenn man sich diese jahrelange künstlerische Einehe vergegenwärtigt, dann hat das wirklich etwas Zwanghaftes. Die haben ja wirklich täglich ihre Arbeiten verglichen, sie hatten beide ihre Ateliers am Montmartre, sie haben sich in der Entwicklung des Kubismus gegenseitig aufgeschaukelt bis zum letzten Reiz."
Nach dem Ersten Weltkrieg – in dem er eine schwere Verwundung davontrug – wandte sich Georges Braque nach und nach vom Kubismus ab. Was nicht bedeutet, dass sich der Künstler untreu wurde, wie Museumsdirektorin Ingried Brugger betont.
Brugger: "Wenn man sich die großen Stilleben aus den Zwanzigerjahren anschaut – und aus dieser Periode stammen viele meiner Lieblingsbilder -, dann sieht man, dass Braque sich treu geblieben ist auch in der Weiterentwicklung des kubistischen Konzepts, aber auf der anderen Seite natürlich diesen allgemeinen Aufruf "Zurück zur Ordnung" in seine Bilder mit hineinnimmt. Genauso hat er es gemacht mit surrealistischen Zitaten. Es gibt in der Ausstellung ein Bild aus dem Centre Pompidou, das in den frühen Dreißigerjahren entstanden ist: Hier hat Braque – zeitgleich mit Picasso – ganz deutlich mit dem Surrealismus geflirtet, obwohl beide ja keine Surrealisten waren, er hat den surrealistischen Einfluss aufgenommen und in ein wunderbares Bild übersetzt."
Anders als das PR-bewusste Rauhbein Picasso lebt Georges Braque ein ruhiges und zurückgezogenes Leben. Anfang der 50er Jahre zieht sich der Künstler nach Varengeville in der Normandie zurück, an den Ort seiner Kindheit. Hier entstehen wunderbare Landschaftsbilder, kleinformatige, stark texturierte Küstenstriche und Ackerfelder. Fast vermeint man in diesen Bildern den Einfluss des Taoismus zu spüren, dem sich Braque zu dieser Zeit schon zugewandt hat.
Brugger: "Die Anerkennung des Spätwerks erfolgte relativ spät. Angesichts der Bilder, die hier im ’Kunstforum’ hängen, versteht man das überhaupt nicht. Denn Braque ist auch nach der Zusammenarbeit mit Picasso vor allem eines: ein großartiger Maler, ein großartiger Künstler, der eine Verschränkung von intellektuellem Konzept und Sinnlichkeit in der Malerei erzielt, die ich sonst noch nirgendwo erlebt habe."
Vor allem in seiner späten "Ateliers"-Serie kommt Braque
seinem zeitlebens anvisierten Ziel am nächsten: einen tastbaren bildnerischen Raum zu schaffen, eine Verdichtung von materiellem Gegenstand und immateriellem Raum.
Brugger: "Man hat ja Braque in dieser Vielfalt schon lange nicht gesehen, und es gibt hier natürlich auch einen neuen Blickwinkel auf Braque, der die Erfahrungen der Postmoderne und ihrer Spielarten inkludiert. Gerade der späte Braque ist einer, der vor dem Hintergrund der heutigen Malerei irrsinnig modern ist. Das hat man natürlich vor zwanzig Jahren noch nicht gesehen."
Dem Wiener "Kunstforum" ist es nicht nur um eine Wiederentdeckung Georges Braques zu tun, sondern auch um eine umfassende Neubewertung dieses bei uns immer noch unterschätzten Künstlers. Ein Vorhaben, das in der Wiener Schau glänzend gelungen ist.
Im deutschen Sprachraum steht Georges Braque bis heute allerdings im Schatten Pablo Picassos, mit dem zusammen er 1907 in einem kunsthistorischen Husarenstreich die kubistische Revolution angezettelt hat. Ingried Brugger, Direktorin des "Bank-Austria-Kunstforums" Wien, weist auf die Unterschiede zwischen den beiden Meistermalern hin: auf der einen Seite das Marketing-Genie Picasso, der Torero der internationalen Kunstszene, auf der anderen Seite der stille, eher zurückhaltende Braque.
Ingrid Brugger: "Picasso ist ein Südländer. Braque ist ein Franzose, noch dazu ein Nord-Franzose. Das scheint eine klischeehafte Vereinfachung zu sein, aber vielleicht weist diese Vereinfachung doch auf das unterschiedliche Temperament der beiden hin. Das durchzieht das ganze Werk und die Rezeptionsgeschichte."
In Wien ist der ganze Braque zu sehen, von den fauvistischen Anfängen bis zum wenig bekannten Spätwerk. Im Zentrum der Schau stehen aber die kubistischen Meisterwerke, die Braque ab 1907/08 im Duett mit Picasso schuf. Die Symbiose der beiden Kunstrevoluzzer ging soweit, dass sie manche Bilder bewusst nicht signierten, um ihre Arbeiten sozusagen zu anonymisieren. Caroline Messensee, die Kuratorin der Wiener Ausstellung:
Caroline Messensee: "Der Kubismus war nur möglich durch beide. Die zwei haben sich ergänzt. Wäre der eine nicht da gewesen, der andere alleine hätte das in dieser Form nie machen können."
Brugger: "Wenn man sich diese jahrelange künstlerische Einehe vergegenwärtigt, dann hat das wirklich etwas Zwanghaftes. Die haben ja wirklich täglich ihre Arbeiten verglichen, sie hatten beide ihre Ateliers am Montmartre, sie haben sich in der Entwicklung des Kubismus gegenseitig aufgeschaukelt bis zum letzten Reiz."
Nach dem Ersten Weltkrieg – in dem er eine schwere Verwundung davontrug – wandte sich Georges Braque nach und nach vom Kubismus ab. Was nicht bedeutet, dass sich der Künstler untreu wurde, wie Museumsdirektorin Ingried Brugger betont.
Brugger: "Wenn man sich die großen Stilleben aus den Zwanzigerjahren anschaut – und aus dieser Periode stammen viele meiner Lieblingsbilder -, dann sieht man, dass Braque sich treu geblieben ist auch in der Weiterentwicklung des kubistischen Konzepts, aber auf der anderen Seite natürlich diesen allgemeinen Aufruf "Zurück zur Ordnung" in seine Bilder mit hineinnimmt. Genauso hat er es gemacht mit surrealistischen Zitaten. Es gibt in der Ausstellung ein Bild aus dem Centre Pompidou, das in den frühen Dreißigerjahren entstanden ist: Hier hat Braque – zeitgleich mit Picasso – ganz deutlich mit dem Surrealismus geflirtet, obwohl beide ja keine Surrealisten waren, er hat den surrealistischen Einfluss aufgenommen und in ein wunderbares Bild übersetzt."
Anders als das PR-bewusste Rauhbein Picasso lebt Georges Braque ein ruhiges und zurückgezogenes Leben. Anfang der 50er Jahre zieht sich der Künstler nach Varengeville in der Normandie zurück, an den Ort seiner Kindheit. Hier entstehen wunderbare Landschaftsbilder, kleinformatige, stark texturierte Küstenstriche und Ackerfelder. Fast vermeint man in diesen Bildern den Einfluss des Taoismus zu spüren, dem sich Braque zu dieser Zeit schon zugewandt hat.
Brugger: "Die Anerkennung des Spätwerks erfolgte relativ spät. Angesichts der Bilder, die hier im ’Kunstforum’ hängen, versteht man das überhaupt nicht. Denn Braque ist auch nach der Zusammenarbeit mit Picasso vor allem eines: ein großartiger Maler, ein großartiger Künstler, der eine Verschränkung von intellektuellem Konzept und Sinnlichkeit in der Malerei erzielt, die ich sonst noch nirgendwo erlebt habe."
Vor allem in seiner späten "Ateliers"-Serie kommt Braque
seinem zeitlebens anvisierten Ziel am nächsten: einen tastbaren bildnerischen Raum zu schaffen, eine Verdichtung von materiellem Gegenstand und immateriellem Raum.
Brugger: "Man hat ja Braque in dieser Vielfalt schon lange nicht gesehen, und es gibt hier natürlich auch einen neuen Blickwinkel auf Braque, der die Erfahrungen der Postmoderne und ihrer Spielarten inkludiert. Gerade der späte Braque ist einer, der vor dem Hintergrund der heutigen Malerei irrsinnig modern ist. Das hat man natürlich vor zwanzig Jahren noch nicht gesehen."
Dem Wiener "Kunstforum" ist es nicht nur um eine Wiederentdeckung Georges Braques zu tun, sondern auch um eine umfassende Neubewertung dieses bei uns immer noch unterschätzten Künstlers. Ein Vorhaben, das in der Wiener Schau glänzend gelungen ist.