Ein Griff in die Vollen
Das Hörspiel „Wassermusik“ ist eine Adaption des gleichnamigen Bestseller-Romans von T. C. Boyle. In „Wassermusik“ führt uns Kult-Autor Boyle auf die Spuren des Afrika-Forschers Mungo ("Mungo") Park, der um 1800 die Quellen des Niger-Flusses entdecken wollte. Selten, dass ein Hörspiel derartig zu einem Hollywood-Film für die Ohren wird.
„Au, vorne ist er auch weiß, weiß wie ein Bettlaken, weiß wie ein Schneesturm. Ali und seine Entourage staunen, wie beim ersten Mal. Sicher hat ihn seine Mutter in Milch getaucht. Zählt seine Finger und Zehen. Mungo will sich Hosen hochziehen. Au. Doch Machmud schlägt ihn wieder nieder, das Geheul der Menge entflammt die Menge bis zur Ekstase ...“
Afrika 1796, im Inneren des bis dahin unerforschten Senegal. Der 23-jährige Mungo Park, Englands berühmter Afrikaforscher, gerät als Gefangener in die Hände der Mauren, sein nackter Po wird begutachtet, sein Markwert als Lustsklave taxiert. Getreu folgt Kult-Autor T.C. Boyle den Spuren des historischen Mungo Park. Parallel dazu entwickelt Boyle eine fiktive Romanfigur, deren Weg sich später mit dem von Mungo Park kreuzen wird: Ned Rise, Veranstalter von privaten Porno-Shows in London.
„Gerade erhebt sich Juttajim von Sally, blanker Arsch, pechschwarz und splitternackt, sein Glied steif und glänzend im Licht der Öllampen. Im Publikum herrscht mit einem mal ehrfürchtige Stille. Er fängt an, sich der Menge zuzuwenden, ganz langsam und methodisch und fängt dann an, sich auf das riesige Fass seines Brustkorbes zu trommeln. Das ist mein Stichwort. Nan schlüpft aus ihrem Schlafrock und trippelt geziert auf die Bühne hinaus. Scheiße, die ist voll wie ‚ne Strandhaubitze. Nachdem sie ein bisschen rumstolziert ist und ihre Brüste fürs Publikum aneinander gerieben hat, beginnt sie Juttajims mächtiges Organ zu bearbeiten; ein Schauder durchzuckt das Publikum.“
Wer allerdings Boyles Roman „Wassermusik“ nicht gelesen hat, der wird erstmal 40 Minuten auf die Folter gespannt, bevor er erfährt, wer denn dieser seltsame Porno-Show-Veranstalter alias Ned Rise denn nun ist. Erst langsam, wie im Roman auch, verweben sich im Hörspiel die Biographien der beiden Hauptprotagonisten. Während Ned Rise im Abschaum der Londoner Unterwelt seine Geschäfte abwickelt, entdeckt Mungo Park auf seiner ersten Reise durch Afrika den Fluss seiner Träume: den Niger.
„Kann es wahr sein? Folgt mir! Ich laufe los hin zu dem anschwellenden Tosen, Brüllen, Zischen, zu den süßen Synkopen des Wassers, das über ein Bett aus Steinen braust. Wie betäubt rappeln sich die Männer auf, hinken mir hinterher, über eine Ebene, einen Abhang hinauf, und da, da ist er, der Niger, klar und kühl wie ein Oktobermorgen, geometrische Wesen, an den Flussrändern sauber gestutzt, über die gekräuselte Wasserfläche gleiten Kähne, Blesshühner und große schweigende Schwäne. Lachse springen und frische Farne und laubreiche Ulmen säumen das Ufer. Boa.“
Selten, dass ein Hörspiel derartig zu einem Hollywood-Film für die Ohren wird. Allerdings auch nur so lässt sich der Hörer, wie auch der Leser, durch die Sprachkunst in Boyles 560-Seiten-Roman verführen, sich auf die unglaublich verschlungenen, barock überbordenden Handlungsstränge einzulassen. Denn bevor sich die Wege von Mungo Park und Ned Rise kreuzen, muss erstmal dessen Lebensweg von der Geburt an erzählt werden.
„Der Bettelstand war ein beliebter Beruf in jenen Tagen, und es herrschte harte Konkurrenz. Armeen von amputierten, Aussätzigen, Schwachsinnigen, Paralytikern, Brabbelköppen, Sabbermäulern und Jammerlappen säumten die Straßen, Schulter an Schulter; da war der Mann ohne Beine, der im Nachttopf hockte und auf den Fingerknöcheln herumhoppelte wie ein Affe. Die Frau ohne Gliedmaßen, die den Leuten mit der Zunge die Stiefel polierte. Der Hundmensch mit kurzem Schwanz und gelben Fangzähnen, die ihm über die Lippen ragten.“
„Wassermusik“ von T.C., von Thomas Coraghessan Boyle, ein genialer Roman, und eine grandiose, kongeniale Hörspieladaption: Kein Spiel mit Geräuschen, kein Hör-Spiel im manchmal üblichen Sinne, sondern ein Hör-Rausch, ein großer Film für die Ohren: Starbesetzung: Anna Thalbach, Thomas Fritsch, Udo Schenk und viele andere mehr. Und die Musik von Henrik Albrecht: auch die gelungen und eigenständig, und nicht das übliche Hörspiel-Potpourri . „Wassermusik“: ein Griff in die Vollen. Und er endet mit dem Tod seiner Helden.
„Der heilige Gral, der deus ex machina, der ihn aus dem todgeweihten Kanu hinfort heben und in Sicherheit bringen könnte. Gib sie mir. Nein. Gib sie mir, nicht zu fassen. Aaahh, und dann gehen sie über Bord; es ist ein Gefühl wie ins Maul eines Hurrikans zu springen, wie der Tanz mit einer Lawine; im Nu werden sie begraben unter unzähligen, krachenden Tonnen von Wasser, selbst sie Felsen erzittern unter dem wuchtigen Ansturm.“
T.C. Boyle : Wassermusik
Aus dem Amerikanischen von Werner Richter
Hörverlag, München 2006, 4 CD, 275 Minuten.
Afrika 1796, im Inneren des bis dahin unerforschten Senegal. Der 23-jährige Mungo Park, Englands berühmter Afrikaforscher, gerät als Gefangener in die Hände der Mauren, sein nackter Po wird begutachtet, sein Markwert als Lustsklave taxiert. Getreu folgt Kult-Autor T.C. Boyle den Spuren des historischen Mungo Park. Parallel dazu entwickelt Boyle eine fiktive Romanfigur, deren Weg sich später mit dem von Mungo Park kreuzen wird: Ned Rise, Veranstalter von privaten Porno-Shows in London.
„Gerade erhebt sich Juttajim von Sally, blanker Arsch, pechschwarz und splitternackt, sein Glied steif und glänzend im Licht der Öllampen. Im Publikum herrscht mit einem mal ehrfürchtige Stille. Er fängt an, sich der Menge zuzuwenden, ganz langsam und methodisch und fängt dann an, sich auf das riesige Fass seines Brustkorbes zu trommeln. Das ist mein Stichwort. Nan schlüpft aus ihrem Schlafrock und trippelt geziert auf die Bühne hinaus. Scheiße, die ist voll wie ‚ne Strandhaubitze. Nachdem sie ein bisschen rumstolziert ist und ihre Brüste fürs Publikum aneinander gerieben hat, beginnt sie Juttajims mächtiges Organ zu bearbeiten; ein Schauder durchzuckt das Publikum.“
Wer allerdings Boyles Roman „Wassermusik“ nicht gelesen hat, der wird erstmal 40 Minuten auf die Folter gespannt, bevor er erfährt, wer denn dieser seltsame Porno-Show-Veranstalter alias Ned Rise denn nun ist. Erst langsam, wie im Roman auch, verweben sich im Hörspiel die Biographien der beiden Hauptprotagonisten. Während Ned Rise im Abschaum der Londoner Unterwelt seine Geschäfte abwickelt, entdeckt Mungo Park auf seiner ersten Reise durch Afrika den Fluss seiner Träume: den Niger.
„Kann es wahr sein? Folgt mir! Ich laufe los hin zu dem anschwellenden Tosen, Brüllen, Zischen, zu den süßen Synkopen des Wassers, das über ein Bett aus Steinen braust. Wie betäubt rappeln sich die Männer auf, hinken mir hinterher, über eine Ebene, einen Abhang hinauf, und da, da ist er, der Niger, klar und kühl wie ein Oktobermorgen, geometrische Wesen, an den Flussrändern sauber gestutzt, über die gekräuselte Wasserfläche gleiten Kähne, Blesshühner und große schweigende Schwäne. Lachse springen und frische Farne und laubreiche Ulmen säumen das Ufer. Boa.“
Selten, dass ein Hörspiel derartig zu einem Hollywood-Film für die Ohren wird. Allerdings auch nur so lässt sich der Hörer, wie auch der Leser, durch die Sprachkunst in Boyles 560-Seiten-Roman verführen, sich auf die unglaublich verschlungenen, barock überbordenden Handlungsstränge einzulassen. Denn bevor sich die Wege von Mungo Park und Ned Rise kreuzen, muss erstmal dessen Lebensweg von der Geburt an erzählt werden.
„Der Bettelstand war ein beliebter Beruf in jenen Tagen, und es herrschte harte Konkurrenz. Armeen von amputierten, Aussätzigen, Schwachsinnigen, Paralytikern, Brabbelköppen, Sabbermäulern und Jammerlappen säumten die Straßen, Schulter an Schulter; da war der Mann ohne Beine, der im Nachttopf hockte und auf den Fingerknöcheln herumhoppelte wie ein Affe. Die Frau ohne Gliedmaßen, die den Leuten mit der Zunge die Stiefel polierte. Der Hundmensch mit kurzem Schwanz und gelben Fangzähnen, die ihm über die Lippen ragten.“
„Wassermusik“ von T.C., von Thomas Coraghessan Boyle, ein genialer Roman, und eine grandiose, kongeniale Hörspieladaption: Kein Spiel mit Geräuschen, kein Hör-Spiel im manchmal üblichen Sinne, sondern ein Hör-Rausch, ein großer Film für die Ohren: Starbesetzung: Anna Thalbach, Thomas Fritsch, Udo Schenk und viele andere mehr. Und die Musik von Henrik Albrecht: auch die gelungen und eigenständig, und nicht das übliche Hörspiel-Potpourri . „Wassermusik“: ein Griff in die Vollen. Und er endet mit dem Tod seiner Helden.
„Der heilige Gral, der deus ex machina, der ihn aus dem todgeweihten Kanu hinfort heben und in Sicherheit bringen könnte. Gib sie mir. Nein. Gib sie mir, nicht zu fassen. Aaahh, und dann gehen sie über Bord; es ist ein Gefühl wie ins Maul eines Hurrikans zu springen, wie der Tanz mit einer Lawine; im Nu werden sie begraben unter unzähligen, krachenden Tonnen von Wasser, selbst sie Felsen erzittern unter dem wuchtigen Ansturm.“
T.C. Boyle : Wassermusik
Aus dem Amerikanischen von Werner Richter
Hörverlag, München 2006, 4 CD, 275 Minuten.