Ein Grenzgänger aus Norwegen
Für sein Kunstprojekt "The Promised Land" hat der Norweger Morten Traavik seine Landsleute mit Nordkoreanern zu einer Perfomance zusammengeführt. Ziel seiner Aktionen ist die Völkerverständigung "West meets East".
Ein Schneehügel am Rande von Kirkenes. Unter einem Partyzelt sitzen fünf junge Musiker aus der nordkoreanischen Hauptstadt Pjönjang und warten auf ihren Einsatz, jeder ein riesiges Akkordeon vor dem Bauch. Auf das Zeichen von Morten Traavik greifen sie in die Tasten, norwegischer Pop in sozialistischer Interpretation.
Gegenüber der Musikgruppe sitzen 250 Männer und Frauen auf einer Anhöhe, in der Hand eine Reihe von Bildertafeln. Wie in den Massenparaden in Pjönjang mit tausenden Nordkoreanern heben sie auf Kommando ihre Tafeln. Wie aus einem Puzzle mit mehreren hundert Einzelteilen entstehen so riesige Bilder von Eisbär, Eisbrecher und Saami vor untergehender Sonne.
"Mich interessieren weiße Flecken auf der Landkarte. Nordkorea wird stets als geschlossenes Land beschrieben, mit dem man schwer in Kontakt kommt. Vor drei Jahren ergab sich für mich eine Möglichkeit, als Tourist einzureisen. Später kam ich auf die Idee, die Nordkoreaner nach Nordnorwegen einzuladen. Denn auch in Kirkenes wohnten die Menschen einst an einer der am stärksten bewachten Grenzen der Welt."
Morten Traavik, eine russische Fellmütze auf dem Kopf, verfolgt das Geschehen vom Rande aus. Die Szene hat etwas unwirkliches, platziert zwischen einer Produktionshalle auf der einen und dem Blick in den Fjord auf der anderen Seite. Das Publikum schmunzelt, als am Ende der Darbietung ein Bild von Traaviks Sohn Tage erscheint. Seit sechs Monaten ist der Norweger Vater.
Drei Wochen später, Besuch in Morten Traaviks Wohnung in Stockholm: Helle Möbel, an den Wänden Plakate von seinen Ausstellungen, neben dem Schreibtisch steht ein Kinderbett. Morten Traavik, Jahrgang 1971, breite Stirn, ernster Blick, versucht seinen Sohn zum Einschlafen zu bringen.
"Ich schlafe nachts sehr viel schlechter. Vater zu werden, hat mich beeinflusst, nicht verändert. Ich reise immer noch. Das muss ich tun, um das machen zu können, was ich am liebsten tue. Tage ist mit seinen sechs Monaten ein weit gereister junger Mann. Er war schon in Oslo, Bergen und sogar in Kirkenes. Er ist die Zukunft, 'the promised land"'"
Das gelobte Land. Oder: West meets East - es ist seine Art der Völkerverständigung. Das kommt nicht von ungefähr. Traavik stammt aus Bergen von der Westküste, wo einst die Hanse für ein buntes Völkergemisch sorgte. Auch seine Vorfahren waren Seefahrer:
""Auf der Seite meines Vaters gibt es eine lange Reihe von Kapitänen. Mein Großvater steuerte Tanker, er reiste durch die ganze Welt. Wenn er zurück kam, hatte er spannende Bilder und Geschichten im Gepäck und seltsam duftende Reisetaschen und Überseekoffer. Albert Camus hat einmal gesagt, dass wir uns auf die Suche nach dem machen, was uns einst das Herz geöffnet hat. Selbst zu erkennen, welche Einflüsse mich geprägt haben, das ist jedoch schwer zu sagen."
Sein Vater bricht mit der Kapitänstradition, reist als Psychologe durch innere Landschaften, die Mutter ist Grundschullehrerin. Er selbst wächst in den 70er Jahren als Kind linksliberaler Eltern auf, die Basare für die hungernden Kinder in Afrika veranstalten. Bereits im zarten Alter von zwei Jahren ist er dabei, wenn seine Eltern gegen die EU demonstrieren. Auf dem Gymnasium wählt er später Russisch als Fremdsprache, studiert nach dem Abitur Theaterregie in Moskau und Stockholm:
"Als Regisseur bist du eine Art Dirigent. Du selbst bist nicht der beste Instrumenmtalist, aber du hast Temperament, den Überblick, vermagst, den Instrumentalisten das Beste zu entlocken. In der Kunst bin ich ein Allround-Dilettant. Ich habe als Musiker gearbeitet, kann zeichnen, habe Schauspielerfahrung und schreibe gerade ein Buch. Ich habe viele Plattformen, doch bei all dem interessiert mich das Gesellschaftliche, das Politische."
Traavik erforscht das abgeschottete Nordkorea. Fünf Mal reist der norwegische Künstler in den vergangenen drei Jahren ein. Traavik lässt sich mit einer glitzernden Dicscokugel vor historischen Monumenten des Landes ablichten und muss sich vorwerfen lassen, er unterstütze eine Diktatur.
Zuvor war er in Afrika unterwegs. In Sambia drehte er ein Video, in dem er als Entwicklungshelfer, ganz in weiß gekleidet, flauschige Flügel auf dem Rücken, durch Lusaka wandelt. In Angola startete er das Projekt "Miss Landmine". Frauen mit amputierten Beinen posieren im Bikini am Strand oder strecken ihre Beinprothesen der Kamera entgegen.
"Paradoxien und Widersprüche, von denen es im Alltag eine ganze Menge gibt, sichtbar zu machen und zu problematisieren, das ist mir wichtig. Als ich 2003 nach Angola reiste, stellte ich fest, dass Misswahlen dort ein großes Thema sind. Genauso wie Landminen. Wie bei einem chemischen Experiment führte ich beide zusammen und sah, dass es eine explosive Mischung ergab, die manche anrührend, andere provozierend empfanden. Ich finde, gute Kunst muss Reaktionen hervorrufen, im Solar Plexus, im Herzen oder im Unterleib."
Gegenüber der Musikgruppe sitzen 250 Männer und Frauen auf einer Anhöhe, in der Hand eine Reihe von Bildertafeln. Wie in den Massenparaden in Pjönjang mit tausenden Nordkoreanern heben sie auf Kommando ihre Tafeln. Wie aus einem Puzzle mit mehreren hundert Einzelteilen entstehen so riesige Bilder von Eisbär, Eisbrecher und Saami vor untergehender Sonne.
"Mich interessieren weiße Flecken auf der Landkarte. Nordkorea wird stets als geschlossenes Land beschrieben, mit dem man schwer in Kontakt kommt. Vor drei Jahren ergab sich für mich eine Möglichkeit, als Tourist einzureisen. Später kam ich auf die Idee, die Nordkoreaner nach Nordnorwegen einzuladen. Denn auch in Kirkenes wohnten die Menschen einst an einer der am stärksten bewachten Grenzen der Welt."
Morten Traavik, eine russische Fellmütze auf dem Kopf, verfolgt das Geschehen vom Rande aus. Die Szene hat etwas unwirkliches, platziert zwischen einer Produktionshalle auf der einen und dem Blick in den Fjord auf der anderen Seite. Das Publikum schmunzelt, als am Ende der Darbietung ein Bild von Traaviks Sohn Tage erscheint. Seit sechs Monaten ist der Norweger Vater.
Drei Wochen später, Besuch in Morten Traaviks Wohnung in Stockholm: Helle Möbel, an den Wänden Plakate von seinen Ausstellungen, neben dem Schreibtisch steht ein Kinderbett. Morten Traavik, Jahrgang 1971, breite Stirn, ernster Blick, versucht seinen Sohn zum Einschlafen zu bringen.
"Ich schlafe nachts sehr viel schlechter. Vater zu werden, hat mich beeinflusst, nicht verändert. Ich reise immer noch. Das muss ich tun, um das machen zu können, was ich am liebsten tue. Tage ist mit seinen sechs Monaten ein weit gereister junger Mann. Er war schon in Oslo, Bergen und sogar in Kirkenes. Er ist die Zukunft, 'the promised land"'"
Das gelobte Land. Oder: West meets East - es ist seine Art der Völkerverständigung. Das kommt nicht von ungefähr. Traavik stammt aus Bergen von der Westküste, wo einst die Hanse für ein buntes Völkergemisch sorgte. Auch seine Vorfahren waren Seefahrer:
""Auf der Seite meines Vaters gibt es eine lange Reihe von Kapitänen. Mein Großvater steuerte Tanker, er reiste durch die ganze Welt. Wenn er zurück kam, hatte er spannende Bilder und Geschichten im Gepäck und seltsam duftende Reisetaschen und Überseekoffer. Albert Camus hat einmal gesagt, dass wir uns auf die Suche nach dem machen, was uns einst das Herz geöffnet hat. Selbst zu erkennen, welche Einflüsse mich geprägt haben, das ist jedoch schwer zu sagen."
Sein Vater bricht mit der Kapitänstradition, reist als Psychologe durch innere Landschaften, die Mutter ist Grundschullehrerin. Er selbst wächst in den 70er Jahren als Kind linksliberaler Eltern auf, die Basare für die hungernden Kinder in Afrika veranstalten. Bereits im zarten Alter von zwei Jahren ist er dabei, wenn seine Eltern gegen die EU demonstrieren. Auf dem Gymnasium wählt er später Russisch als Fremdsprache, studiert nach dem Abitur Theaterregie in Moskau und Stockholm:
"Als Regisseur bist du eine Art Dirigent. Du selbst bist nicht der beste Instrumenmtalist, aber du hast Temperament, den Überblick, vermagst, den Instrumentalisten das Beste zu entlocken. In der Kunst bin ich ein Allround-Dilettant. Ich habe als Musiker gearbeitet, kann zeichnen, habe Schauspielerfahrung und schreibe gerade ein Buch. Ich habe viele Plattformen, doch bei all dem interessiert mich das Gesellschaftliche, das Politische."
Traavik erforscht das abgeschottete Nordkorea. Fünf Mal reist der norwegische Künstler in den vergangenen drei Jahren ein. Traavik lässt sich mit einer glitzernden Dicscokugel vor historischen Monumenten des Landes ablichten und muss sich vorwerfen lassen, er unterstütze eine Diktatur.
Zuvor war er in Afrika unterwegs. In Sambia drehte er ein Video, in dem er als Entwicklungshelfer, ganz in weiß gekleidet, flauschige Flügel auf dem Rücken, durch Lusaka wandelt. In Angola startete er das Projekt "Miss Landmine". Frauen mit amputierten Beinen posieren im Bikini am Strand oder strecken ihre Beinprothesen der Kamera entgegen.
"Paradoxien und Widersprüche, von denen es im Alltag eine ganze Menge gibt, sichtbar zu machen und zu problematisieren, das ist mir wichtig. Als ich 2003 nach Angola reiste, stellte ich fest, dass Misswahlen dort ein großes Thema sind. Genauso wie Landminen. Wie bei einem chemischen Experiment führte ich beide zusammen und sah, dass es eine explosive Mischung ergab, die manche anrührend, andere provozierend empfanden. Ich finde, gute Kunst muss Reaktionen hervorrufen, im Solar Plexus, im Herzen oder im Unterleib."