Ein geschickter Strippenzieher
Warum hat US-Präsident Barack Obama die Menschen in seinem Wahlkampf emotional so stark erreicht? Diese und andere Fragen untersucht der Publizist Rudolf von Waldenfels in seinem neuen Buch "Der schwarze Messias - Barack Obama und die gefährliche Sehnsucht nach politischer Erlösung".
Die Tränen, nicht der Jubel sind es, die den besonderen Politiker kennzeichnen: Wer Barack Obama wirklich erlebt, der beginnt zu weinen. Immer wieder zitiert der Journalist Rudolf von Waldenfels solche Berichte, vor allem aus dem Wahlkampf. Obama, das fasziniert den Autor am amerikanischen Präsidenten, bewegt Menschen zu ungeahnten Emotionen. Zwei Fragen stellt sich von Waldenfels: Warum kann Obama das? Und ist das eigentlich wünschenswert in einer Demokratie?
Der ersten Frage nähert sich von Waldenfels auf biografischem Weg. Er erzählt die Geschichte eines Chicagoer Politikers mit ehrenhaften Motiven und durchschnittlichen Methoden. Kein Heiliger, sondern ein geschickter Strippenzieher, der einen parteipolitischen Filz für seinen Aufstieg nutzt. Aus der politischen Biografie, so das Ergebnis, kann Obamas besondere Anziehungskraft nicht abgeleitet werden.
Von Waldenfels untersucht sodann Obamas Auftreten und Rhetorik. Der Autor ist selbst ausgebildeter Schauspieler – vielleicht hat er deshalb einen guten Blick für die perfekte Inszenierung, die er durchaus bewundert. Ja, Obama setzt sich in Szene – aber tun das nicht alle Politiker? Und vor allem: Wird es bei ihm nicht legitimiert durch einen unbedingten Glauben an sich, seine Ziele und seine Botschaft?
Damit kommt von Waldenfels zum eigentlichen Kern seines Buches. Obama zieht seine besondere Wirkmacht daraus, dass er in seiner Person wirkliche Versöhnung der unterschiedlichen Versionen des amerikanischen Traumes versprechen kann. Obama verbindet in seiner Person den weißen Traum von unendlichen Möglichkeiten mit dem schwarzen Albtraum der Sklaverei. Das ist keine brandneue Erkenntnis.
Aber von Waldenfels zeichnet ein lesenswertes, detailreiches Stimmungsbild der USA, für das er viel gereist ist. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum es so überzeugend gelungen ist, Obama als Erlösergestalt zu inszenieren, aus ihm wirklich so etwas wie einen Messias zu machen.
Von Waldenfels will aber eigentlich noch weiter fragen, wie der Untertitel von der "gefährlichen Sehnsucht nach politischer Erlösung" suggeriert. Dieser Teil kommt deutlich zu kurz. Die Vielfalt der amerikanischen Vignetten überstrahlt die Analyse. Hier macht sich eine Lücke im Literaturverzeichnis schmerzlich bemerkbar: Der Soziologe Max Weber hat bereits vor gut 100 Jahren charismatische Herrschaft so analysiert, dass sich vieles – nicht alles – am Aufstieg und vor allem auch der gegenwärtigen Krise des Barack Obama verstehen lässt. Rudolf von Waldenfels belässt es bei einer Art anthropologischen Konstante: Obama zapfe die Bereitschaft des Menschen an, glauben zu wollen.
Denn letztlich sei jeder Mensch existenziell hilflos einer übergeordneten Macht ausgeliefert. Ob diese Sehnsucht gefährlich ist? Die Frage beantwortet von Waldenfels nur indirekt, wenn er am Schluss knapp für die schmucklose demokratische Langeweile plädiert: Nur sie garantiere dauerhafte Versöhnung, gerade mit ihrem Versprechen, dass sich nichts wirklich ändere.
Besprochen von Kirsten Dietrich
Rudolf von Waldenfels: Der schwarze Messias - Barack Obama und die gefährliche Sehnsucht nach politischer Erlösung
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2010, 192 Seiten, 17,95 Euro
Der ersten Frage nähert sich von Waldenfels auf biografischem Weg. Er erzählt die Geschichte eines Chicagoer Politikers mit ehrenhaften Motiven und durchschnittlichen Methoden. Kein Heiliger, sondern ein geschickter Strippenzieher, der einen parteipolitischen Filz für seinen Aufstieg nutzt. Aus der politischen Biografie, so das Ergebnis, kann Obamas besondere Anziehungskraft nicht abgeleitet werden.
Von Waldenfels untersucht sodann Obamas Auftreten und Rhetorik. Der Autor ist selbst ausgebildeter Schauspieler – vielleicht hat er deshalb einen guten Blick für die perfekte Inszenierung, die er durchaus bewundert. Ja, Obama setzt sich in Szene – aber tun das nicht alle Politiker? Und vor allem: Wird es bei ihm nicht legitimiert durch einen unbedingten Glauben an sich, seine Ziele und seine Botschaft?
Damit kommt von Waldenfels zum eigentlichen Kern seines Buches. Obama zieht seine besondere Wirkmacht daraus, dass er in seiner Person wirkliche Versöhnung der unterschiedlichen Versionen des amerikanischen Traumes versprechen kann. Obama verbindet in seiner Person den weißen Traum von unendlichen Möglichkeiten mit dem schwarzen Albtraum der Sklaverei. Das ist keine brandneue Erkenntnis.
Aber von Waldenfels zeichnet ein lesenswertes, detailreiches Stimmungsbild der USA, für das er viel gereist ist. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum es so überzeugend gelungen ist, Obama als Erlösergestalt zu inszenieren, aus ihm wirklich so etwas wie einen Messias zu machen.
Von Waldenfels will aber eigentlich noch weiter fragen, wie der Untertitel von der "gefährlichen Sehnsucht nach politischer Erlösung" suggeriert. Dieser Teil kommt deutlich zu kurz. Die Vielfalt der amerikanischen Vignetten überstrahlt die Analyse. Hier macht sich eine Lücke im Literaturverzeichnis schmerzlich bemerkbar: Der Soziologe Max Weber hat bereits vor gut 100 Jahren charismatische Herrschaft so analysiert, dass sich vieles – nicht alles – am Aufstieg und vor allem auch der gegenwärtigen Krise des Barack Obama verstehen lässt. Rudolf von Waldenfels belässt es bei einer Art anthropologischen Konstante: Obama zapfe die Bereitschaft des Menschen an, glauben zu wollen.
Denn letztlich sei jeder Mensch existenziell hilflos einer übergeordneten Macht ausgeliefert. Ob diese Sehnsucht gefährlich ist? Die Frage beantwortet von Waldenfels nur indirekt, wenn er am Schluss knapp für die schmucklose demokratische Langeweile plädiert: Nur sie garantiere dauerhafte Versöhnung, gerade mit ihrem Versprechen, dass sich nichts wirklich ändere.
Besprochen von Kirsten Dietrich
Rudolf von Waldenfels: Der schwarze Messias - Barack Obama und die gefährliche Sehnsucht nach politischer Erlösung
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2010, 192 Seiten, 17,95 Euro
