Ein Gefühl der Solidarität

Von Jörg Taszman |
Der Franzose Robert Guédiguian beschäftigt sich in seinem neuen Film mit Fragen von Solidarität und Gerechtigkeit. Ein junger Mann ist am Raubüberfall auf ein älteres Ehepaar beteiligt. Die Schuld wiegt schwer, aber dann stellt sich heraus, dass der Täter aus einer Zwangslage heraus gehandelt hat.
In Frankreich ist der 1953 in Marseille geborene Robert Guédiguian einer der ganz großen Autorenfilmer, der viele seiner Filme in seiner Geburtsstadt ansiedelt, dabei das Leben der kleinen Leute, der Arbeiter in den Mittelpunkt rückt, ohne in Sozialkitsch zu verfallen. In Deutschland kennt man vor allem seinen bekanntesten Film "Marius und Jeanette" (1997).

In seinem neuen Film hinterfragt Guédiguian mit der Hauptfigur des engagierten, linken Gewerkschafters Michel, der arbeitslos wurde und glücklich mit seiner Frau Marie Claire in einem gewissen, bürgerlichen Komfort lebt, die Werte von Solidarität, Brüderlichkeit und politischem Engagement. Denn das zentrale Paar wird Opfer eines Raubüberfalls und einer der Täter ist ein viel jüngerer ehemaliger Arbeitskollege. Nachdem Michel ihn anzeigt, findet er heraus, dass der junge Mann seine beiden minderjährigen Geschwister allein aufzog. Michel will Gerechtigkeit, kann sich aber auch einem Gefühl der Solidarität nicht verwehren…

Robert Guédiguian führt sein Publikum zunächst schön auf die falsche Fährte, alles wirkt harmonisch trotz sozialer Härten. Dann aber wird sein Film zur Reflexion über traditionelle linke Werte in Frankreich, die in der heutigen Zeit durchaus auch konservativ werden, den Generationenkonflikt und eine zunehmende Entsolidarisierung und Verbürgerlichung einer besser situierten Arbeiterschaft.
Das ist jedoch nie thesenhaft oder pädagogisch sondern bestes Erzählkino mit überzeugenden Darstellern, allen voran Jean Pierre Darroussin und die wunderbare Ariane Ascaride.

Frankreich 2011; Regie: Robert Guédiguian; Schauspieler: Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan, Marilyne Canto u. a.; Altersfreigabe: ab 12 Jahren; Länge: 107 Minuten