Ein Gedichtband als Abenteuer

Die beiden Herausgeber Björn Kuhligk und Jan Wagner sind selber Dichter. In "Lyrik von jetzt zwei" stellen sie eine neue Dichtergeneration vor, die um das Jahr 1975 herum geboren wurde. Jeder Auserwählte ist mit vier Gedichten vertreten. Auf Namen wie Steffen Brenner, Daniela Danz, Nadja Küchenmeister oder Norbert Lange sollte man künftig achten.
"Lyrik von jetzt" hieß bereits 2003 eine bei DuMont erschienene Anthologie. Die Herausgeber Björn Kuhligk und Jan Wagner, beide ebenfalls Lyriker, hatten 74 Stimmen ausgewählt, um zu zeigen, dass eine neue Generation von Lyrikern für die klangvolle Lebendigkeit des Genres sorgt.

Die kontrovers geführte Diskussion zum Buch hielt Kuhligk und Wagner nicht davon ab, fünf Jahre danach erneut Inventur zu machen. Schließlich verzeichnete die erste Anthologie bereits Namen (Renatus Deckert, Rainer Stolz, Albert Ostermaier, Uljana Wolf, Ron Winkler), die in der gegenwärtigen Lyrik mit tonangebend sind.

Während "Lyrik von jetzt" das Geburtsjahr 1965 fokussierte, wird in "Lyrik von jetzt zwei" der Jahrgang 1975 ins Visier genommen. Keiner der LyrikerInnen wurde vor 1970 geboren. Jeder Auserwählte ist mit vier Gedichten vertreten, die – wie es im Vorwort heißt – "für seine Entwicklung und seine Poetologie" repräsentativ sind. Ein Anhang mit biografischen und bibliografischen Details soll dazu auffordern, über die Lektüre des Gedichts hinaus am Dichter "dran" zu bleiben. Deshalb sind der Anthologie zwei Inhaltsverzeichnisse beigefügt. In dem einen geht es biografisch zu, im zweiten sind die Gedichte in ihrer Druckfolge dokumentiert.

Denn die Herausgeber verstehen "Lyrik von jetzt zwei" als "Nachschlagewerk und Abenteuer". Natürlich ist der interessierte Leser bemüht, sich auf das Abenteuer einzulassen. Von der Überzeugung getrieben, dass ein Gedicht für sich selbst sprechen muss, ist es deshalb ratsam, auf keinen Fall mit der Lektüre des Anhangs zu beginnen.

"Lyrik von jetzt zwei" kündet bereits beim ersten Durchblättern von formeller Heterogenität. Zu konstatieren ist auch, dass sich die jungen LyrikerInnen auf dem Terrain der klassischen Topoi wie Liebe und Tod, Erinnern und Vergessen, Natur und Urbanität auskennen und keine Scheu haben, sich ihrer anzunehmen. Die Anrufung der Natur geschieht in pathetischer Form

"bevor die weissen geranien welken
und die wehmut einkehrt
solange alles noch steht
muss ich es preisen"


aber auch recht banal

"Über den Ahornwipfeln
kreischen die Schwalben,
wie Kleinkinder, denen man ihr Spielzeug
genommen hat"


Der Mythos wird unerschrocken neu vermessen oder gar entzaubert

"kirke, wie war das, steht sie am
glambecker see, zwischen ufer & puff
mit dem schweinekoben & der spange
oder spirale im bauch"


und die Klimazonen auf der Suche nach Glück durchdekliniert

"Im dürren April
der schattige Ruf
eines Kindes
die vielen
beschreibbaren Vögel
im kärglichen Licht
und ein unüberhörbares
Buchenblatt
das dich verstummen macht
unter der grünenden Sonne".


Leider lädt nur selten ein lyrischer Text zum Verweilen ein, um sein Geheimnis zu erkunden. Der reine Poesie-Ertrag aus der Bestandsaufnahme "Lyrik von jetzt zwei" besteht daher aus nur wenigen Stimmen, die von einer eigenen poetischen Gangart künden (Daniela Danz, Norbert Lange, Nadja Küchenmeister, Steffen Brenner, Christophe Fricker, Sabine Eschgfäller) - auf sie gilt es künftig zu achten.

Rezensiert von Carola Wiemers

Lyrik von jetzt zwei. 50 Stimmen herausgegeben von Björn Kuhligk und Jan Wagner,
Berlin Verlag, 2008, 288 Seiten, 19,90 Euro.