Ein ganz normales Baby
Als vor 30 Jahren in Großbritannien das erste "Retortenbaby" geboren wurde, galt das als ein Wunder. Heute ist die künstliche Befruchtung, die Erzeugung eines Embryos außerhalb des Mutterleibes, in vielen Ländern ein routiniertes medizinisches Verfahren, das vielen Paaren hilft, sich ihren sehnlichen Kinderwunsch zu erfüllen.
"Ein sehr gesunder Schrei! Wollen Sie das Baby mal halten!?"
Auf den ersten Blick ein ganz normales Baby, das der britische Gynäkologe Patrick Steptoe da am 25. Juli 1978, um 23:47 Uhr im Allgemeinen Krankenhaus von Oldham in die BBC-Kamera hält: ein gesundes Mädchen, per Kaiserschnitt geboren, 2600 Gramm schwer und 49 Zentimeter groß. Aber "Lovely Louise", wie die Zeitungen sie nennen, ist alles andere als "normal", denn Louise Brown ist das erste Retortenbaby der Welt.
"Dr. Steptoe ist wie ein Gott, denn er hat mir mein Kind geschenkt,"
erzählte die überglückliche Mutter den Reportern.
Seit neun Jahren schon wünschten sich Lesley und John Brown aus Bristol ein Baby, doch die Frau hatte verklebte Eileiter und konnte nicht schwanger werden. Deshalb wandte sich das Paar schließlich an Steptoe, der zusammen mit dem Physiologen Robert Edwards von der Universität Cambridge an einer neuen Methode in der Fortpflanzungsmedizin arbeitete, der "in-vitro-Befruchtung":
Dabei werden der Frau Eizellen entnommen, im Reagenzglas mit den männlichen Samen verschmolzen und dann zwei bis drei Tage im Brutschrank aufbewahrt. Falls eine Befruchtung stattgefunden hat, sich also die Eizellen teilen, wird der "Zellhaufen" in die Gebärmutter eingesetzt. Dann bleibt nur noch die Hoffnung, dass er sich dort "einnistet" und sich dieser Embryo ganz normal im Mutterleib weiter entwickelt.
Auch Steptoe und Edwards hatten bereits jahrelang vergeblich versucht, aus solchen "in der Retorte" befruchteten Eizellen ein Kind entstehen zu lassen - bis es bei Leslie Brown schließlich klappte.
Louise, die mit zweitem Namen "Joy" - "Freude" heißt, erzählte später einmal, sie sei oft von anderen Kindern gefragt worden, wie sie denn ins Reagenzglas gepasst habe und etwas traurig fügte sie hinzu:
"Aber ich bin kein Monster, sondern ganz normal im Bauch meiner Mutter gewachsen."
Tatsächlich löste die Geburt des ersten Retortenbabys neben großen Hoffnungen auch viele Ängste aus: Die Kirchen sprachen von einem teuflischen Eingriff in die Schöpfung, viele beschworen die Horrorvision von "Baby-Zucht-Anstalten" herauf, wie in Huxleys düsterem Zukunftsroman Schöne neue Welt.
Und Robert Edwards trug auch nicht gerade zur Beruhigung der Gemüter bei, als er Anfang der 80er Jahre in einem Interview sagte:
"Wir haben jetzt die ersten Lebensstufen unter wissenschaftlicher und medizinischer Kontrolle. Wir werden die Möglichkeit haben, die besten Embryonen auszuwählen, wenn im Verlauf der nächsten zehn Jahre erst einmal die Methoden der Fertilitäts-Behandlung perfektioniert sein werden."
Inzwischen ist so gut wie alles wissenschaftlich möglich, was damals nach der Geburt von Louise Brown befürchtet wurde - und wird vielfach auch getan:
Leihmütter und Eispende sind ein lukratives Geschäft; ebenso spezielle Samenbanken mit "Nobelpreisträgermaterial". Es gibt Manipulationen und Selektionen der Embryos vor der Einpflanzung. Eine Frau trägt das Kind ihrer verstorbenen Schwägerin aus, eine über 60-Jährige bekommt ein Kind - als Ersatz für den verstorbenen Sohn; aus zwölf Embryonen wird einer als passendster Zellspender für das kranke Geschwisterkind ausgewählt und geboren; vor dem Scheidungsrichter streitet man um eingefrorene Embryos. Und längst arbeiten Wissenschaftler an Klonversuchen mit Menschen.
Die Zeugung im Reagenzglas selbst macht heute keine Schlagzeilen mehr. Sie ist in vielen Ländern fast Routine geworden. Es gibt über dreieinhalb Millionen Retortenbabies weltweit. Und das erstes deutsche ist inzwischen auch schon 26 Jahre alt.
Von Louise Brown hört man nur noch selten etwas. Sie gilt als sehr öffentlichkeitsscheu und gibt nicht gern Interviews, weil sie "nichts Aufregendes zu erzählen" habe. Gelegentlich trifft sie den heute 82-jährigen Robert Edwards, den sie liebevoll ihren "zweiten Vater" nennt. Und über die Party anlässlich ihres 25. Geburtstages freute sich Louise, weil dazu auch mehr als 1000 andere künstlich gezeugte Menschen gekommen waren.
"Es ist so schön, hier zu sein und all die anderen Retortenbabys zu sehen,"
erzählte sie den Reportern.
"Ich bin stolz, dass ich dabei war, auch wenn ich selbst gar nichts dazu beigetragen habe."
Ihr Name steht im Lexikon und wird bei Quiz-Sendungen gerne abgefragt. Ansonsten aber ist Louise Brown, das erste künstlich gezeugte Kind der Welt, heute tatsächlich eine "ganz normale" 30-jährige Frau. Vor zwei Jahren wurde sie schließlich selbst schwanger - "auf natürlichem Wege" - und bekam Ende 2006 ein gesundes Baby.
Auf den ersten Blick ein ganz normales Baby, das der britische Gynäkologe Patrick Steptoe da am 25. Juli 1978, um 23:47 Uhr im Allgemeinen Krankenhaus von Oldham in die BBC-Kamera hält: ein gesundes Mädchen, per Kaiserschnitt geboren, 2600 Gramm schwer und 49 Zentimeter groß. Aber "Lovely Louise", wie die Zeitungen sie nennen, ist alles andere als "normal", denn Louise Brown ist das erste Retortenbaby der Welt.
"Dr. Steptoe ist wie ein Gott, denn er hat mir mein Kind geschenkt,"
erzählte die überglückliche Mutter den Reportern.
Seit neun Jahren schon wünschten sich Lesley und John Brown aus Bristol ein Baby, doch die Frau hatte verklebte Eileiter und konnte nicht schwanger werden. Deshalb wandte sich das Paar schließlich an Steptoe, der zusammen mit dem Physiologen Robert Edwards von der Universität Cambridge an einer neuen Methode in der Fortpflanzungsmedizin arbeitete, der "in-vitro-Befruchtung":
Dabei werden der Frau Eizellen entnommen, im Reagenzglas mit den männlichen Samen verschmolzen und dann zwei bis drei Tage im Brutschrank aufbewahrt. Falls eine Befruchtung stattgefunden hat, sich also die Eizellen teilen, wird der "Zellhaufen" in die Gebärmutter eingesetzt. Dann bleibt nur noch die Hoffnung, dass er sich dort "einnistet" und sich dieser Embryo ganz normal im Mutterleib weiter entwickelt.
Auch Steptoe und Edwards hatten bereits jahrelang vergeblich versucht, aus solchen "in der Retorte" befruchteten Eizellen ein Kind entstehen zu lassen - bis es bei Leslie Brown schließlich klappte.
Louise, die mit zweitem Namen "Joy" - "Freude" heißt, erzählte später einmal, sie sei oft von anderen Kindern gefragt worden, wie sie denn ins Reagenzglas gepasst habe und etwas traurig fügte sie hinzu:
"Aber ich bin kein Monster, sondern ganz normal im Bauch meiner Mutter gewachsen."
Tatsächlich löste die Geburt des ersten Retortenbabys neben großen Hoffnungen auch viele Ängste aus: Die Kirchen sprachen von einem teuflischen Eingriff in die Schöpfung, viele beschworen die Horrorvision von "Baby-Zucht-Anstalten" herauf, wie in Huxleys düsterem Zukunftsroman Schöne neue Welt.
Und Robert Edwards trug auch nicht gerade zur Beruhigung der Gemüter bei, als er Anfang der 80er Jahre in einem Interview sagte:
"Wir haben jetzt die ersten Lebensstufen unter wissenschaftlicher und medizinischer Kontrolle. Wir werden die Möglichkeit haben, die besten Embryonen auszuwählen, wenn im Verlauf der nächsten zehn Jahre erst einmal die Methoden der Fertilitäts-Behandlung perfektioniert sein werden."
Inzwischen ist so gut wie alles wissenschaftlich möglich, was damals nach der Geburt von Louise Brown befürchtet wurde - und wird vielfach auch getan:
Leihmütter und Eispende sind ein lukratives Geschäft; ebenso spezielle Samenbanken mit "Nobelpreisträgermaterial". Es gibt Manipulationen und Selektionen der Embryos vor der Einpflanzung. Eine Frau trägt das Kind ihrer verstorbenen Schwägerin aus, eine über 60-Jährige bekommt ein Kind - als Ersatz für den verstorbenen Sohn; aus zwölf Embryonen wird einer als passendster Zellspender für das kranke Geschwisterkind ausgewählt und geboren; vor dem Scheidungsrichter streitet man um eingefrorene Embryos. Und längst arbeiten Wissenschaftler an Klonversuchen mit Menschen.
Die Zeugung im Reagenzglas selbst macht heute keine Schlagzeilen mehr. Sie ist in vielen Ländern fast Routine geworden. Es gibt über dreieinhalb Millionen Retortenbabies weltweit. Und das erstes deutsche ist inzwischen auch schon 26 Jahre alt.
Von Louise Brown hört man nur noch selten etwas. Sie gilt als sehr öffentlichkeitsscheu und gibt nicht gern Interviews, weil sie "nichts Aufregendes zu erzählen" habe. Gelegentlich trifft sie den heute 82-jährigen Robert Edwards, den sie liebevoll ihren "zweiten Vater" nennt. Und über die Party anlässlich ihres 25. Geburtstages freute sich Louise, weil dazu auch mehr als 1000 andere künstlich gezeugte Menschen gekommen waren.
"Es ist so schön, hier zu sein und all die anderen Retortenbabys zu sehen,"
erzählte sie den Reportern.
"Ich bin stolz, dass ich dabei war, auch wenn ich selbst gar nichts dazu beigetragen habe."
Ihr Name steht im Lexikon und wird bei Quiz-Sendungen gerne abgefragt. Ansonsten aber ist Louise Brown, das erste künstlich gezeugte Kind der Welt, heute tatsächlich eine "ganz normale" 30-jährige Frau. Vor zwei Jahren wurde sie schließlich selbst schwanger - "auf natürlichem Wege" - und bekam Ende 2006 ein gesundes Baby.