Ein Gang durch die Kunstgeschichte
Eigentlich kennt man dieses Spiel: Immer, wenn die "Bild"-Zeitung fröhlich daherkommt, steckt etwas besonders Perfides dahinter. Scheinbar besorgt um den staatsmännischen Ehrenplatz von Altkanzler Gerhard Schröder, erinnert das Blatt ihre Leser daran, daß in der Ahnengalerie im Kanzleramt noch ein Schröder-Porträt fehlt und ruft die Aktion aus: "Wer malt den schönsten Schröder?"
Was sie beim lustigen Kleckseln an der Volksfront verschwiegen, aber natürlich im Hinterkopf hat, ist der Grund für das bisherige Fehlen von Schröders Porträt: Der Maler Jörg Immendorff, soeben mit dem Kaiserring der Stadt Goslar ausgezeichnet und ein persönlicher Freund Schröders, sollte es ursprünglich malen. Doch Immendorff leidet, wie man weiß, seit Jahren unter einer unheilbaren Muskelerkrankung, die es dem an den Rollstuhl gefesselten Künstler mittlerweile unmöglich macht, auch nur noch einen Pinsel in die Hand zu nehmen.
Vermutlich wird er Schröders Porträt deshalb überhaupt nicht mehr malen können. Das freut die "Bild"-Zeitung, denn die Bilder Immendorffs, der sich vor allem in den siebziger Jahren der linksanarchistischen Szene zurechnete, galten der Zeitung schon immer als entartete Kunst. Da aber der Künstler nun außer Gefecht gesetzt ist, dachte man wohl schadenfroh in der "Bild"-Redaktion, ist die Gelegenheit günstig, zu zeigen, daß eigentlich deutsche Volkskunst in die Ahnengalerie gehört. Nebenbei hofft man in einer Art medialem Voodoo-Kult, Immendorff lebendig unter dem Schund der Leser zu begraben.
Die 47 von angeblich Hunderten "Porträt"-Einsendungen, die in der heutigen "Bild" abgedruckt sind, dokumentieren dabei ein ausgeprägtes Verlangen nach geklonten Abbildern, Hüllenwesen ohne Persönlichkeit. Eine künstlerische Vergewaltigung mit unverkennbar liebvollen Absichten. Getreulich haben sich die 47 Hobbymalerinnen und -maler an SPD-Wahlplakate, Presse-Posen und Fotobände aus Schröders Amtszeit gehalten, in jenem sichtlichen Bemühen um "Realismus" der Oberfläche, als die Schröder ganz freiwillig so gern in den Köpfen gewohnt hat.
Da und dort schmückt sich die Banalität des Bösen mit Zitaten aus der Kunstgeschichte. Wo die freie Fantasie waltet, wird es hingegen depressiv, etwa wenn Schatten das berühmte Gesicht wie frisch vernähte Wunden zieren; oder martialisch, wenn der Altkanzler lächelnd einer schwarz-rot-goldenen Flammenwand entsteigt. Speziell dieses Motiv wirft, da sein Schöpfer einen englischen Namen trägt, die Frage auf, ob der "Bild"-Jury nicht vielleicht der britische Humor ihrer Leser entgangen ist.
Auch das frankensteinartige Porträt, ohne Pupillen in den stahlweißen Augen, gibt den deutschen Farben im Hintergrund etwas von Höllenglut und dem Altkanzler die Aura des Renegaten. Immerhin ist nun der Nachweis gelungen, wie viele Bürger unseres Landes sich mit Kunst und Politik beschäftigen, und die auf eine sehr ernstzunehmende Weise. Zwar ist Schröder kein Vereinigungskanzler. Aber immer war es ihm ein Anliegen, Deutschland als Kulturnation ins Bewußtsein der Welt zurückzubringen. Die "Bild"-Aktion zeigt: Wir haben verstanden. Und wer weiß, welche Einsendungen die Redaktion dem Publikum jetzt noch vorenthalten hat?
Vermutlich wird er Schröders Porträt deshalb überhaupt nicht mehr malen können. Das freut die "Bild"-Zeitung, denn die Bilder Immendorffs, der sich vor allem in den siebziger Jahren der linksanarchistischen Szene zurechnete, galten der Zeitung schon immer als entartete Kunst. Da aber der Künstler nun außer Gefecht gesetzt ist, dachte man wohl schadenfroh in der "Bild"-Redaktion, ist die Gelegenheit günstig, zu zeigen, daß eigentlich deutsche Volkskunst in die Ahnengalerie gehört. Nebenbei hofft man in einer Art medialem Voodoo-Kult, Immendorff lebendig unter dem Schund der Leser zu begraben.
Die 47 von angeblich Hunderten "Porträt"-Einsendungen, die in der heutigen "Bild" abgedruckt sind, dokumentieren dabei ein ausgeprägtes Verlangen nach geklonten Abbildern, Hüllenwesen ohne Persönlichkeit. Eine künstlerische Vergewaltigung mit unverkennbar liebvollen Absichten. Getreulich haben sich die 47 Hobbymalerinnen und -maler an SPD-Wahlplakate, Presse-Posen und Fotobände aus Schröders Amtszeit gehalten, in jenem sichtlichen Bemühen um "Realismus" der Oberfläche, als die Schröder ganz freiwillig so gern in den Köpfen gewohnt hat.
Da und dort schmückt sich die Banalität des Bösen mit Zitaten aus der Kunstgeschichte. Wo die freie Fantasie waltet, wird es hingegen depressiv, etwa wenn Schatten das berühmte Gesicht wie frisch vernähte Wunden zieren; oder martialisch, wenn der Altkanzler lächelnd einer schwarz-rot-goldenen Flammenwand entsteigt. Speziell dieses Motiv wirft, da sein Schöpfer einen englischen Namen trägt, die Frage auf, ob der "Bild"-Jury nicht vielleicht der britische Humor ihrer Leser entgangen ist.
Auch das frankensteinartige Porträt, ohne Pupillen in den stahlweißen Augen, gibt den deutschen Farben im Hintergrund etwas von Höllenglut und dem Altkanzler die Aura des Renegaten. Immerhin ist nun der Nachweis gelungen, wie viele Bürger unseres Landes sich mit Kunst und Politik beschäftigen, und die auf eine sehr ernstzunehmende Weise. Zwar ist Schröder kein Vereinigungskanzler. Aber immer war es ihm ein Anliegen, Deutschland als Kulturnation ins Bewußtsein der Welt zurückzubringen. Die "Bild"-Aktion zeigt: Wir haben verstanden. Und wer weiß, welche Einsendungen die Redaktion dem Publikum jetzt noch vorenthalten hat?