Ein Fremdkörper im System
Dieses Buch ist ein Tatsachenbericht, doch es liest sich wie ein Krimi. Die Journalistin Ursel Sieber erzählt darin die Geschichte des ehemaligen Leiters des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Peter Sawicki, der als Hoffnungsträger anfing und zum Ende hin aus dem Amt gedrängt wurde, weil er der Pharmalobby zu sehr auf die Füße trat.
Sechs Jahre lang hat der Mediziner Peter Sawicki das 2004 gegründete IQWiG geleitet. Er sollte im Auftrag der Politik prüfen, welchen konkreten Nutzen die verschiedenen Therapien und Medikamente für Patienten haben. Dazu seien unabhängige Studien notwendig, forderte Sawicki deshalb von Anfang an. Doch er stieß schnell an seine Grenzen und verfing sich im Netz von Abhängigkeiten und Wirtschaftsinteressen. Er wurde massiv von Pharmafirmen, Krankenkassen und Ärztevertretern angegriffen, politisch unter Druck gesetzt und Anfang dieses Jahres gekündigt.
Vom Titel wie auch von der ersten Seite des Buches ist klar: Ursel Siebert steht ganz auf der Seite des Entlassenen. Sie beschreibt Sawickis Kampf gegen Lobbyismus. Akribisch dokumentiert die Autorin, mit welchen Strategien und Tricks Pharmaunternehmen, Ärztevertreter oder Krankenhausdirektoren die öffentliche Meinung steuern. Sie zeigt - unterstützt von vielen Zahlen und Daten - wie sehr der Einsatz medizinischer Therapien von Interessengruppen gesteuert wird. Die beste Therapie ist die, die den Unternehmen großen Gewinn bringt. Gewinnstreben geht vor Gesundheit.
Genau das will Sawicki unterbinden. Doch gibt es kaum unabhängige Studien und kein Gesetz verpflichtet in Deutschland die Pharmaunternehmen dazu, ihre kompletten Forschungsberichte zu veröffentlichen. Folgt man Ursel Siebert, heißt das: Die Unternehmen unterschlagen ungeniert Daten, die die Wirkung ihrer Medikamente nicht belegen; schlimmer noch, sie verheimlichen die Belege, die negative Wirkungen zeigen.
Peter Sawicki weist öffentlich immer wieder auf diesen Missstand hin, führt zahlreiche Briefwechsel mit Pharmaunternehmen und kämpft im Gesundheitsministerium um eine Veröffentlichungspflicht für alle medizinischen Studien. Sein Bemühen bleibt nicht nur ohne Wirkung, sondern richtet sich gegen ihn. Sawickis Expertise und seine Kritik werden öffentlich als haltlos und schädlich diffamiert. Auch die Ärzte und Kliniken, die ihm bei der Erstellung von Gutachten behilflich sind, werden diskreditiert und unter Druck gesetzt. Nicht selten werden ihnen Forschungsgelder entzogen.
Das alles liest sich glaubwürdig. Vor allem, weil die Autorin detailliert Sawickis Amtszeit dokumentiert. Jeden öffentlichen Auftritt, die umfangreiche Korrespondenz, zahlreiche Gespräche. Sie nennt die Namen seiner Gegner und die seiner - wenigen - Unterstützer, erläutert deren Funktionen und Verstrickungen in diesem unglaublichen Netz aus Verstrickungen. Dieses Buch gehört in jedes Wartezimmer. Denn "Gesunder Zweifel" ist das Mindeste, was man dem deutschen Gesundheitssystem entgegensetzten kann.
Besprochen von Susanne Nessler
Ursel Sieber, Gesunder Zweifel. Einsichten eines Pharmakritikers - Peter Sawicki und sein Kampf für eine unabhängige Medizin
Berlin Verlag
208 Seiten, 17,95 Euro
Vom Titel wie auch von der ersten Seite des Buches ist klar: Ursel Siebert steht ganz auf der Seite des Entlassenen. Sie beschreibt Sawickis Kampf gegen Lobbyismus. Akribisch dokumentiert die Autorin, mit welchen Strategien und Tricks Pharmaunternehmen, Ärztevertreter oder Krankenhausdirektoren die öffentliche Meinung steuern. Sie zeigt - unterstützt von vielen Zahlen und Daten - wie sehr der Einsatz medizinischer Therapien von Interessengruppen gesteuert wird. Die beste Therapie ist die, die den Unternehmen großen Gewinn bringt. Gewinnstreben geht vor Gesundheit.
Genau das will Sawicki unterbinden. Doch gibt es kaum unabhängige Studien und kein Gesetz verpflichtet in Deutschland die Pharmaunternehmen dazu, ihre kompletten Forschungsberichte zu veröffentlichen. Folgt man Ursel Siebert, heißt das: Die Unternehmen unterschlagen ungeniert Daten, die die Wirkung ihrer Medikamente nicht belegen; schlimmer noch, sie verheimlichen die Belege, die negative Wirkungen zeigen.
Peter Sawicki weist öffentlich immer wieder auf diesen Missstand hin, führt zahlreiche Briefwechsel mit Pharmaunternehmen und kämpft im Gesundheitsministerium um eine Veröffentlichungspflicht für alle medizinischen Studien. Sein Bemühen bleibt nicht nur ohne Wirkung, sondern richtet sich gegen ihn. Sawickis Expertise und seine Kritik werden öffentlich als haltlos und schädlich diffamiert. Auch die Ärzte und Kliniken, die ihm bei der Erstellung von Gutachten behilflich sind, werden diskreditiert und unter Druck gesetzt. Nicht selten werden ihnen Forschungsgelder entzogen.
Das alles liest sich glaubwürdig. Vor allem, weil die Autorin detailliert Sawickis Amtszeit dokumentiert. Jeden öffentlichen Auftritt, die umfangreiche Korrespondenz, zahlreiche Gespräche. Sie nennt die Namen seiner Gegner und die seiner - wenigen - Unterstützer, erläutert deren Funktionen und Verstrickungen in diesem unglaublichen Netz aus Verstrickungen. Dieses Buch gehört in jedes Wartezimmer. Denn "Gesunder Zweifel" ist das Mindeste, was man dem deutschen Gesundheitssystem entgegensetzten kann.
Besprochen von Susanne Nessler
Ursel Sieber, Gesunder Zweifel. Einsichten eines Pharmakritikers - Peter Sawicki und sein Kampf für eine unabhängige Medizin
Berlin Verlag
208 Seiten, 17,95 Euro