Ein Flair am Set wie bei John Cassavetes

Hanna Doose im Gespräch mit Britta Bürger · 13.01.2013
Kathi will sich als Schauspielerin behaupten, ihre Mutter, gespielt von der verstorbenen Susanne Lothar, ist Lebensberaterin und kann darüber nur müde lächeln. In dem Kino-Debüt der 33-jährigen Hanna Doose spielt die Schauspielerin ihre letzte große Rolle.
Britta Bürger: "Staub auf unseren Herzen" – am Donnerstag kommt dieses intensive Filmdebüt von Hanna Doose in die Kinos. Schön, dass Sie zuvor zu uns gekommen sind, herzlich willkommen im "Radiofeuilleton"!

Hanna Doose: Ja, ich freue mich auch sehr, danke!

Bürger: Es ist Ihr erfolgreiches Debüt und zugleich das Vermächtnis der Schauspielerin Susanne Lothar, die im Sommer mit nur 51 Jahren gestorben ist. Es war ihre letzte große Filmrolle, und man sieht den Film ja unwillkürlich mit dem Wissen im Hinterkopf, schaut sich Susanne Lothar noch mal besonders genau an, und natürlich auch diese Figur, die sie spielt. Warum wollten Sie diese Frau, die andere coacht, um Geld zu verdienen, und dabei selbst ja voller ungelöster Konflikte ist, warum wollten Sie diese Frau mit Susanne Lothar besetzen?

Doose: Ich habe nach einer Schauspielerin gesucht für die Mutterfigur, die einen größtmöglichen Kontrast zu Stephanie Stremler darstellt sozusagen, weil Stephanie und ich sind aus einer früheren Arbeit auch schon miteinander befreundet seit Jahren, und wollten bei diesem Film unbedingt wieder zusammenarbeiten, also es war klar, dass sie die Tochter spielt von Anfang an. Und dann habe ich beim Schreiben natürlich überlegt: Okay, wer könnte die Mutter spielen? Und auf einmal ist recht früh auch das Bild von Susanne Lothar aufgeploppt in meinem Kopf, weil ich fand ihre Darstellung in "Das weiße Band" so großartig. Und dann habe ich gedacht, na ja, man kann ja mal ganz oben ansetzen, auch wenn es nicht klappt, dann kann man ja immer noch runterschrauben sozusagen, aber ich habe ihre … ich finde ihre Art eben so anders als die von Stephanie Stremler, dass ich mir vorstellen konnte, dass alleine, wenn ich die beiden aufeinander loslasse, dass schon ein interessantes Spiel oder Zusammenspiel wird.

Bürger: Und warum hat sich Susanne Lothar ihrerseits für Sie entschieden? Sehr viel Geld war mit der Rolle vermutlich nicht zu verdienen.

Doose: Nein, es war leider gar kein Geld mit der Rolle zu verdienen, und das muss ich auch allen Schauspielern und natürlich meinem Team hoch anrechnen, dass alle bei diesem Low-Budget-Projekt umsonst mitgemacht haben, und bei Susanne war es eben so, dass sie unbedingt auch diese Arbeitsweise ausprobieren wollte. Also sie wollte so frei wie Cassavetes, sagte sie immer, arbeiten. Wir haben ja die Dialoge am Set improvisiert, und das habe ich schon bei meinem letzten Kurzfilm ausprobiert, diese Arbeitsweise, und den hatte sie gesehen, den habe ich ihr einfach geschickt, das Treatment, und dann hat sie sofort zugesagt. Sie hat gesagt: Das will ich unbedingt machen.

Bürger: Das ist ja eine Arbeitsweise, in der es eben keine aufgeschriebenen Dialoge gibt, sondern sehr viel Improvisation und Raum für die Schauspieler, ihre eigenen Worte zu finden? Wie sieht das genau aus?

Doose: Also das sieht dann so aus, dass wir uns halt morgens hinsetzen, noch mal die Szene besprechen, die ja in den Grundzügen schon komplett festgelegt ist, weil sonst kann man ja einen Film auch nicht planen – du brauchst ja einen Ausstattung, Requisiten, das muss ja alles vorgeplant und organisiert werden –, und dann ist sozusagen nur frei, wie die Schauspieler die Szene im Moment interpretieren. Also ich sage dann zum Beispiel, ja, ihr streitet euch doch, und die Mutter versucht jetzt, ihr das Kind wegzunehmen und es soll heute bei ihr bleiben, mal schauen, was passiert. Und dann lasse ich die auch jetzt erst mal machen, also ich probe nicht, weil ich der Meinung bin, dass so ein erster Take, wenn die einfach mal loslegen dürfen, der hat schon immer ganz viele so authentische Momente, also sozusagen, wo man normalerweise denken würde, das ist doch jetzt ein Fehler oder so was sagt man doch nicht, das ist dann oft im Schnitt eigentlich so ein Moment, wo man merkt, ja, das ist menschlich, das ist echt. Und deswegen lasse ich die immer gleich aufeinander los. Und wir drehen auch oft dann mit zwei Kameras – also jetzt bei dem Film war das so –, um eben so ganz dokumentarisch alles gleich mitnehmen zu können.

Bürger: Das kann nur funktionieren, wenn sich die Schauspieler da mit großer Kreativität reinschmeißen, indem sie vielleicht auch mehr als üblich von sich selbst preisgeben. Haben die beiden das gemacht – sich selbst gezeigt?

Doose: Ja, sicherlich, aber ich denke, das tut man als Schauspieler immer. Und in so einer Arbeitsweise hast du natürlich noch mehr Raum dafür. Also die haben sich sehr stark eingebracht. Wie weit das jetzt wirklich ins Private geht, das kann ich natürlich gar nicht beurteilen, das geht mich auch nichts an, woher der Schauspieler das dann nun wirklich nimmt. Er ist Schauspieler, und sein Beruf ist natürlich auch, was herzustellen, was nichts mit ihm zu tun hat. Aber ich glaube, sie haben sich auch gefreut, sich da stark einbringen zu können, weil es natürlich auch leichter ist, dann. Also du kannst dann einfach noch mehr zeigen und tiefer vielleicht gehen in manche Bereiche. Und das ging so weit, dass wir auch private Requisiten von Susanne Lothar und Michael Kind und Stephanie Stremler am Set hatten und Kostüm war von denen zum Teil privat – also das war ganz großartig, wie die dann uns auch unterstützt haben.

Bürger: Garantiert auch der Lippenstift von Susanne Lothar.

Doose: Ja, ihr komplettes Make-Up hat sie selber gemacht.

Bürger: Knallrot! Sie sagen, das geht Sie nichts an, was die Rolle mit Ihren Schauspielerinnen zu tun hat, aber uns interessiert natürlich schon, was diese Geschichte auch mit Ihnen zu tun hat. Wie viel steckt von Ihrer eigenen Biografie da drin?

Doose: Also da ist jetzt nichts eins zu eins drin, aber ich kenne mich natürlich so mit den Themen aus, Trennung – meine Eltern sind zum Beispiel getrennt –, oder wie ist es, mit Anfang 30 immer noch abhängig, finanziell, von den Eltern zu sein, was bedeutet das dann auch für die emotionale Abnabelung. Das sind natürlich alles Themen, die im Film vorkommen, und die ich auch sehr gut von mir selber kenne. Man überspitzt es dann natürlich für so einen Film, und überhöht Sachen, aber – ja, klar, also ich arbeite gerne mit Themen, die mir persönlich auch was sagen, oder die ich zumindest, so wie diese Mutter-Tochter-Konstellation – das habe ich zum Glück so nicht erlebt privat, aber das kenne ich aus dem Bekanntenkreis, wenn Mütter ihre Kinder so behandeln. Und das hat mich sehr berührt, und deswegen wollte ich da einen Film drüber machen.

Bürger: "Staub auf unseren Herzen" – am Donnerstag kommt der Film von Hanna Doose in die Kinos, vorab ist sie unser Gast hier im Deutschlandradio Kultur. Sie haben vor der DFFB in Berlin auch in Dänemark studiert, auch in Schweden – inwieweit haben diese Aufenthalte dort Ihren filmischen Ansatz mitgeprägt?

Doose: Das hat mich sehr geprägt, weil ich war noch sehr jung, als ich in Dänemark auf der Filmhochschule war – also nicht in Kopenhagen auf der richtigen, sondern auf so einem Filmcollege in Ebeltoft, acht Monate –, und ja, klar, da habe ich natürlich vor allen Dingen auch die skandinavischen Filme kennengelernt. Und da ging das gerade so los mit der Dogma-Bewegung, und das hat mich wahnsinnig beeindruckt, wie man eben mit kleinen Mitteln, mit Videokameras eine tolle, große Geschichte erzählen kann, so wie bei "Das Fest" von Thomas Vinterberg zum Beispiel oder "Die Idioten" von Lars von Trier. Das sind nach wie vor meine Lieblingsfilme, also es hat auch nicht aufgehört nach irgendwie zehn Jahren andere Filme gucken und so, und, ja, ich mag einfach dieses Freie der skandinavischen Filme, und ich habe auch oft das Gefühl, dass die Schauspieler noch mal einen Zacken besser sind.

Bürger: Alles, was Sie beschreiben, trifft im Grunde auch auf Ihren Film zu, finde ich, man spürt genau das. Und man atmet Berliner Luft, man spürt die Atmosphäre der Stadt Berlin so beiläufig und doch sehr präsent. Was macht dieses Flair für Sie aus? Was war Ihnen da wichtig?

Doose: Ja, ich meine, es ist so ein bisschen aus der Not entstanden, dass wir gesagt haben, okay, wir haben ja kein Geld, wir müssen alles so um den Block sozusagen herum drehen, also bei uns zu Hause so praktisch. Und dadurch ist es natürlich eine Berliner Geschichte geworden, und ich wohne selber seit, glaube ich, jetzt zwölf Jahren in Berlin, ich liebe Berlin, und wir haben dann gesagt, ja klar, da muss der Alex vorkommen, da soll der Mauerpark vorkommen, das ist auch typisch für Berlin, dass man lange studiert vielleicht, dass man ein bisschen einfacher leben kann, weil es hier nicht so teuer ist, und so ein bisschen länger rumdümpelt vielleicht oder so, weil man sich noch länger über Wasser halten kann. Und das spielt eben auch rein.

Bürger: Sehr gut gefallen hat mir auch, wie Sie die Musik einsetzen: Nicht als Brei, der unter allem liegt, sondern sehr akzentuiert, erzählt die Musik zum Teil ja selbst auch eine Geschichte, sie lacht und weint in Klängen. Der Vater zum Beispiel, der da wieder auftaucht, begleitet sich auf der Gitarre, und genau so auch der Puppenspieler, in den sich Kathi dann irgendwann verliebt. Wie kam es zu der Entscheidung für diesen beinahe altmodischen Liedermacher-Sound?

Doose: Ja, also mir gefällt die Musik einfach sehr gut, so der Stil der Musik, und außerdem war es auch so, dass wir ja eben halt alles sozusagen selber machen mussten. Und da lag das auf der Hand, dass ich gedacht habe, na ja, gut, der Florian Loycke, der den Puppenspieler spielt, der macht im wirklichen Leben das Helmi-Puppentheater, der macht permanent selber Musik, und ich liebe seine Musik. Also ist es logisch, der wird mit Steffi im Film auch die Musik machen. Und das entsteht dann praktisch so aus den Szenen raus und läuft dann über in den Soundtrack. Und bei Michael Kind war das so, dass er wusste, er will seinem Enkel im Film auch noch mal ein Lied trällern und kam plötzlich einfach mit diesem wundervollen Lied an, "Set", hat es gespielt, und meine beiden Produzenten waren natürlich: Oh Gott, Hanna, wir müssen doch noch die Rechte besorgen! Und so ist das immer so ganz spontan auch entstanden und hat es dann eben auch in den Soundtrack geschafft.

Bürger: Hanna Dooses Debutfilm "Staub auf unseren Herzen" – am Donnerstag kommt er in die Kinos. Herzlichen Dank, dass Sie bei uns waren!

Doose: Vielen Dank, war schön!

Bürger: Und haben Sie zufällig die Titelmelodie noch parat?

Doose: Ja!

Bürger: Singen Sie mal vor.

Doose: Ich kann ja leider nicht singen, da müssen Sie mitsingen.

Bürger: So ein bisschen.

Doose: (singt) Nichts ist gefährlicher für unsere Herzen als der Staub, Staub ist der einzige Dreck, der uns was anhaben kann – Staub! Und da singt Steffi im Film ja so laut dass man sich die Ohren zuhalten muss.

Bürger: Danke schön!

Doose: Danke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema