Ein Film-Verführer für Kinder und Jugendliche

Die Geschichte des Films ebenso gleichberechtigt wie Literatur, Musik oder Theater auch in der Schule zu unterrichten, ist noch lange nicht Realität. Gerade auch mit der Absicht, Filmgeschichte für Kinder und vor allem Jugendliche anschaulich zu vermitteln, hat der Filmkritiker Thomas Binotto sein Buch verfasst. Dabei versucht er, mit seiner eigenen Begeisterung, die als Kind begann, neue angehende Filmfreaks zu überzeugen.
Schon auf dem Cover prangen hoch oben und bunt die rennende Franka Potente alias "Lola" und Pippi Langstrumpf, weiter unten verspeist Charlie Chaplin als Tramp einen Schuh in "Goldrausch". Thomas Binotto macht schon im Vorwort, das passend Vorspann heißt deutlich, dass er einen Film-Verführer beabsichtigt hat, sich für Werke entschied, die man beim oder nach dem Lesen auch als DVD erwerben kann. Der Ansatz für den Vater von vier Kindern ist dabei durchaus pädagogisch und so ist für die Eltern auch immer die Altersfreigabe der FSK mit angegeben

Kapitel- Einteilung in Filmgenres: Mit dem Stummfilm fängt es an

Klassisch beginnt der Autor mit dem Stummfilm und räumt gleich mit einem Vorurteil auf, denn "stumm war Film nie". Binotto erinnert an den Stummfilmpianisten ebenso, wie an Filme für die es ganze Partituren für Orchester gab. Genauso waren die wenigsten Filme nur "schwarz-weiß" sondern viele wurden in mühevoller Handarbeit eingefärbt, "viragiert". Alle wichtigen Stummfilme, frühen Stars und wichtigen Regisseure werden vom Autor erwähnt, wie Charlie Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd, aber auch die Pioniere wie die Brüder Lumière oder der ersten Filmzauberer George Mélies. Dabei beschränkt sich der Autor nicht nur auf Filmnacherzählungen, sondern erwähnt bekannte Anekdoten, wie beispielsweise, dass Mélies völlig verarmte. Binotto wird immer dann etwas schwächer, wenn er sich bemüht, historische Zusammenhänge zu erläutern. So fallen zu stark vereinfachende und verallgemeinernde Sätze über Diktaturen, wenn es um Filme wie "Panzerkreuzer Potemkin" oder "Metropolis" geht.

Subjektive Vorlieben und Filmgenres die als jugendlich gelten

Nach dem sehr filmhistorischen Beginn verlässt Binotto die rein historische Ebene und hat "Trickfilm", "Märchen" und "Tierfilm" eigene Kapitel gewidmet, aber auch unter anderem "Abenteuerfilm", "Kriminalfilm" und "Superhelden" unterschieden. Meistens gelingt es Binotto gut, eine große Bandbreite vorzustellen, so beim Trickfilm von Disney über den Japaner Miyazaki bis hin zum Tschechen Jiri Trnka. Binotto vermag es, Filme anschaulich zu beschreiben, neigt aber dazu, etwas zuviel Filmhistorie zu bemühen. Dabei stehen Inhaltsnacherzählungen oft zu stark im Vordergrund, und die Anekdoten hätten ruhig hier und da etwas spektakulärer sein können.

Geprägt ist der Autor eindeutig vom gut erzählten Hollywoodfilm und einigen französischen Klassikern. Der deutsche Film kommt nur gelegentlich vor, im Kapitel "Märchen" findet der DEFA Film überhaupt nicht statt, sondern nur der tschechoslowakische Märchenfilm. Generell verzichtet der Autor völlig darauf die Kinematografien einzelner Länder oder aber auch die Rolle, die Kino dort spielt, miteinander zu vergleichen. Das ist durchaus ein Manko.

Stärken und Schwächen

Gewisse Genres wie der "Western" werden völlig ausgespart auch der "Horrorfilm", der sich ja gerade sich bei Jugendlichen großer Beliebtheit erfreut. Insgesamt scheut sich der Autor ein wenig vor Kontroversen und bleibt ein wenig zu brav. Sehr gelungen ist jedoch sein Kapitel "Vom Erwachsenwerden" in dem Filme wie "Nach 5 im Urwald", "Was nützt die Liebe in Gedanken" oder "Der Eissturm" näher beschrieben werden.

Mut beweist Binotto wenn er persönlich wird und auch Werke hervorhebt die allgemein nur als durchschnittlich gelten, wie der gut gemachte Thriller "Das Haus an der Carroll Street". Obwohl sich Binotto meist auf Klassiker und Filme der 50er, 60er und 70er Jahre stützt, gelingt es ihm auch, schon so aktuelle Filme wie "Fluch der Karibik 2" mit zu erwähnen. Sehr ansprechend ist die optische Umsetzung vor allem auch, dass die 100 Filme mit Kurzinhalt und ausführlichen Stabangaben und DVD Anbietern leicht wieder zu finden sind.

Insgesamt ein schöner und liebevoller Einsteig in Film (Geschichte), ein Buch, das sich gerade auch für den Umgang mit Film im Unterricht eignen könnte. Vielleicht hat der Autor hier und da zu stark versucht "pädagogisch" wertvoll zu schreiben und die jugendlichen Leser auch etwas unterschätzt. Aber der Ansatz mit viel Historie und der einen oder anderen Anekdote Filme wieder lebendig werden zu lassen, ist nicht nur wichtig und richtig, sondern meist überzeugend umgesetzt.


Rezensiert von Jörg Taszman

Thomas Binotto: Mach's noch einmal, Charlie. 100 Filme für Kinofans (und alle, die es werden wollen)
Bloomsbury, Berlin 2007, 323 Seiten, 16,90 Euro