Ein Feuerwerk britischen Humors
12.06.2008
Stellen Sie sich vor, die Queen dankt ab, und bald darauf sitzt neben König Charles dessen Auserwählte Queen Camilla auf dem Thron. Dieses Szenario und andere Alptraum-Szenarien beherrschen den neuen Roman der britischen Satire-Queen Sue Townsend. Sue Townsend, Jahrgang 1946, schmiss mit 15 die Schule, wurde BBC-Journalistin und begann 1982, Theaterstücke und Bücher zu schreiben. Ihre Romane über den Serien-Helden Adrian Mole, einen paranoiden, pseudo-intellektuellen Spießer, wurden zu Bestsellern.
In ihrem 14. Buch "Queen Camilla" widmet sich Sue Townsend nun allerdings nicht Adrian Mole sondern der königlichen Familie. Der Roman führt den Leser in das Großbritannien der nahen Zukunft. Die Labour Partei regiert immer noch. Die Monarchie ist vorübergehend abgeschafft. Die königliche Familie mitsamt der Queen muss in einem der vielen gefängnisartigen Ghettos leben, die das Land überziehen. Sechseinhalb Millionen offiziell sozial nicht angepasste Engländer leben in diesen Ghettos, "Exklusivzonen" genannt: z.B. Vorbestrafte, Terrorismus-Verdächtige, Drogenabhängige und der Hochadel. Denn der Sicherheitswahn der Regierung schlägt Kapriolen: totale Video-Überwachung und totale Computer-Erfassung. Egal, ob man Sportschuhe, ein Meerschweinchen oder einen Porno kauft, man wird erfasst; der Computer stellt z.B. fest, dass jemand, der eine neue Madonna-CD gekauft hat, gerade eine Harnwegsinfektion hatte. Leider versagt der Zentral-Computer ständig; da bekommen z.B. alle Rentner der Stadt Coventry ihre Sterbeurkunde zugeschickt, andere werden über Nacht zu Millionären gemacht.
Eine entscheidende Parlamentswahl steht bevor. Premierminister Jack Barker, der Nachfolger von Tony Blair und Gordon Brown, ist mittlerweile amtsmüde geworden und ersinnt insgeheim einen Plan, um die Wahl garantiert zu verlieren. Dazu erlässt er Gesetze, die, natürlich aus Sicherheitsgründen, die Heiligtümer britischer Kultur verbieten, die da sind: Trittleitern, Plüschpantoffeln und vor allem Zweithunde; die sollen nach Kanada deportiert werden, in Arbeitslager, wie es heißt. Auf jeder Büchse Hundefutter muss gewarnt werden: "Hunde können tödlich sein. Hunde fügen Ihnen und den Menschen Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Hunde verursachen Blindheit. Hunde lecken sich die Genitalien ab und danach Sie! Füttern Sie keinen Hund, füttern Sie lieber ein hungerndes Kind! Hunde haben Flöhe."
So überrascht es wohl auch nur wenig, dass in dem Roman 58 Hunde mitspielen, die alle die menschliche Sprache verstehen und die Handlung kommentieren. Die einzige aber, die die Sprache der Hunde versteht, ist die Queen, nicht, nach Wiedereinführung der Monarchie, die neue Queen Camilla, sondern natürlich die richtige, Elizabeth.
Die Zeitschrift "Brigitte" nannte "Queen Camilla" "saukomisch". Treffender kann man es nicht sagen. Der Roman ist ein Feuerwerk britischen Humors, erzählt in einem Tea-Time-Plauderton: die königliche Familie backstage zwischen Ghetto und Thron.
"Queen Camilla" ist eine Satire, die sich allerdings weniger gegen die Monarchie wendet, sondern gegen jede Form totalitärer Politik, sei sie kommunistisch, islamistisch oder vom Muster eines westlichen "Präventions"-, sprich "Überwachungsstaates". In ihrem Roman vergleicht Sue Townsend das moderne Großbritannien mit George Orwells "Farm der Tiere" und "1984".
"Queen Camilla" ist Unterhaltungsliteratur mit hohem Anspruch, ein ultimativer Lese-Tipp für einen langen Sommerurlaub: satirische Kult-Literatur als Taschenbuch, - fast 500 Seiten für nur 8.95 Euro, die man dann auch am Strand getrost mal mit Sonnenöl und Eis bekleckern darf.
Rezensiert von Lutz Bunk
Sue Townsend: Queen Camilla
Übersetzt von Astrid Finke
Heyne Verlag, München 2008
476 Seiten, 8,95 Euro
Eine entscheidende Parlamentswahl steht bevor. Premierminister Jack Barker, der Nachfolger von Tony Blair und Gordon Brown, ist mittlerweile amtsmüde geworden und ersinnt insgeheim einen Plan, um die Wahl garantiert zu verlieren. Dazu erlässt er Gesetze, die, natürlich aus Sicherheitsgründen, die Heiligtümer britischer Kultur verbieten, die da sind: Trittleitern, Plüschpantoffeln und vor allem Zweithunde; die sollen nach Kanada deportiert werden, in Arbeitslager, wie es heißt. Auf jeder Büchse Hundefutter muss gewarnt werden: "Hunde können tödlich sein. Hunde fügen Ihnen und den Menschen Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Hunde verursachen Blindheit. Hunde lecken sich die Genitalien ab und danach Sie! Füttern Sie keinen Hund, füttern Sie lieber ein hungerndes Kind! Hunde haben Flöhe."
So überrascht es wohl auch nur wenig, dass in dem Roman 58 Hunde mitspielen, die alle die menschliche Sprache verstehen und die Handlung kommentieren. Die einzige aber, die die Sprache der Hunde versteht, ist die Queen, nicht, nach Wiedereinführung der Monarchie, die neue Queen Camilla, sondern natürlich die richtige, Elizabeth.
Die Zeitschrift "Brigitte" nannte "Queen Camilla" "saukomisch". Treffender kann man es nicht sagen. Der Roman ist ein Feuerwerk britischen Humors, erzählt in einem Tea-Time-Plauderton: die königliche Familie backstage zwischen Ghetto und Thron.
"Queen Camilla" ist eine Satire, die sich allerdings weniger gegen die Monarchie wendet, sondern gegen jede Form totalitärer Politik, sei sie kommunistisch, islamistisch oder vom Muster eines westlichen "Präventions"-, sprich "Überwachungsstaates". In ihrem Roman vergleicht Sue Townsend das moderne Großbritannien mit George Orwells "Farm der Tiere" und "1984".
"Queen Camilla" ist Unterhaltungsliteratur mit hohem Anspruch, ein ultimativer Lese-Tipp für einen langen Sommerurlaub: satirische Kult-Literatur als Taschenbuch, - fast 500 Seiten für nur 8.95 Euro, die man dann auch am Strand getrost mal mit Sonnenöl und Eis bekleckern darf.
Rezensiert von Lutz Bunk
Sue Townsend: Queen Camilla
Übersetzt von Astrid Finke
Heyne Verlag, München 2008
476 Seiten, 8,95 Euro