Ein Feuerwerk brasilianischer Kultur

Von Peter B. Schumann |
Im Berliner Haus der Kulturen der Welt begann am Donnerstag ein kulturelles Großereignis, , die so genannte Copa da Cultura. Mit Copa bezeichnen die Brasilianer zurzeit eigentlich die Fußball-Weltmeisterschaft. Ihr Kulturminister, der Sänger Gilberto Gil, kennt aber keine Berührungsängste zwischen Sport und Kultur, sondern nutzt die WM, um Brasilien als Kulturnation zu präsentieren.
"Fußball ist nicht nur ein Spiel, sondern ein kulturelles Phänomen im weitesten Sinn, das alle Ausdrucksformen und Kommunikationsmittel umfasst … Darauf reagiert die Copa da Cultura mit einem vielfältigen Programm, das außerordentlich begeistert von den verschiedensten Institutionen in Deutschland aufgenommen wurde."

Der brasilianische Kulturminister Gilberto Gil hat einen sehr weit gefassten Begriff von Kultur. Das verwundert nicht, denn in Brasilien stellt der Fußball geradezu eine Lebensform dar, besonders bei jenem Großteil der Bevölkerung, der vom Reichtum des Landes weitgehend ausgegrenzt ist und aus dem Gilberto Gil selbst stammt. Er hat eine Wende in der Kulturpolitik Brasiliens eingeleitet, als er 2003 von Präsident Lula da Silva in dieses Amt berufen wurde.

"Wir wollen die Kultur demokratisieren … Das heißt, den marginalisierten Teil der Bevölkerung und die so genannte Elite zusammenbringen, damit beide den jeweils anderen Teil der Kultur kennen lernen. Aber wir wollen auch die populäre Kultur fördern und der armen Bevölkerung den Zugang zur Kultur erleichtern … Diese Politik spiegelt sich im Programm der Copa da Cultura wider."

Es sind also nicht nur große Namen wie der Sänger Chico Buarque oder der Schriftsteller Luís Fernando Veríssimo, mit denen sich die Fußballnation als Kulturnation zu präsentieren gedenkt. Auch viele bei uns weniger bekannte Musik- und Tanzensembles, Künstler, Filmemacher und Theaterregisseure werden in den nächsten sechs Wochen in 20 Städten und vor allem in der Hauptstadt Berlin die kulturelle Vielfalt dieses Riesenlandes entfalten. Auf eine für Brasilien neue, demokratische Weise wurden sie ausgesucht. Kulturstaatssekretär Sergio Sa’ Leitão:

"Das Programm wurde nicht vom Kulturministerium zusammengestellt, sondern ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von bekannten brasilianischen und deutschen Kuratoren und basiert auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung … Von 400 eingereichten Projekten haben die Kuratoren eine Auswahl von 42 Programmen getroffen. Außerdem gingen 170 Musikprojekte ein, von denen für die Popkomm 17 Künstler ausgesucht wurden."

Kulturpolitik war in Brasilien bisher eine Randerscheinung, der Kulturminister fristete eine Außenseiterrolle, verfügte nur über einen eher symbolischen Etat und einen kleinen Apparat von wenig engagierten Funktionären. Damit gab sich aber Gilberto Gil nicht zufrieden. Und so begann eine ungewohnte Tätigkeit für ihn, der zwar als junger Mann Betriebswirtschaft studiert hat, aber als Sänger und nicht als Administrator berühmt ist.

"Hinter meiner Begeisterung, mich eine Zeitlang energisch dieser Aufgabe zu widmen, stand die Überzeugung, aus diesem kleinen Ministerium etwas machen zu können: es als Institution zu verstärken, ein ordentliches Budget zu erhalten und die Leute im Apparat zu qualifizieren."

Das ist ihm erstaunlich gut gelungen, obwohl der Kulturminister nebenbei immer noch singt, weil das relativ bescheidene, ministeriale Salär nicht ausreicht, um die Großfamilie des Künstlers zu ernähren. Derweil schmückt sich der Präsident mit dem Paradiesvogel, der seine afrikanischen Locken inzwischen in einem Schwanz gebändigt hat, denn der hat einiges zu Wege gebracht. Staatssekretär Sergio Sa’ Leitão:

"Der Kulturetat beträgt zurzeit 600 Millionen Reales. Hinzu kommen 800 Millionen an Steuervergünstigungen für kulturelle Investitionen. Diese beiden Instrumente ergeben also insgesamt 1,4 Milliarden Reales … Das heißt, wir konnten die Mittel für Kulturförderung verdoppeln und den Kulturetat des Ministeriums um die Hälfte aufstocken."

Umgerechnet sind das etwa 450 Millionen Euro. Gewiss ein großer Gewinn, aber angesichts der Dimension dieses Landes ein eher bescheidener Betrag. Zum Vergleich: der Kulturetat für die drei Millionen Berliner ist höher als für die 170 Millionen Brasilianer. Da muss die Sänger-Legende Gilberto Gil in die Offensive gehen, beispielsweise mit einer Copa da Cultura. Im letzten Jahr hat er mit einer großen kulturellen Initiative bereits die Franzosen beeindruckt. Nun sollen sechs Wochen lang die Fußball trunkenen Deutschen mit einem ungewohnten Feuerwerk an brasilianischer Kultur auf bessere Ideen gebracht werden.

Das scheint auch dringend geboten, damit sie nicht dem Eindruck mancher Medien verfallen, Brasilien hätte nur Pelés und Ronaldinhos, Karneval und Caipirinha und nun auch noch Exzesse der Gewalt zu bieten. Die Kultur, die die Copa vermittelt, ist zwar voll von den Problemen der brasilianischen Wirklichkeit, vermag sie aber auf faszinierende Weise zu filtern.

So wird auch Gilberto Gils Enthusiasmus für sein Amt und die Förderung der brasilianischen Kultur verständlich. Heute Abend eröffnete der Kulturminister die Copa da Cultura als Sänger.