Ein Festival für den rumänischen Komponistennachwuchs

Von Thomas Migge |
Ganz im Sinne des Namensgebers George Enescu präsentiert das gleichnamige Festival in Bukarest vor allem Werke junger Komponisten aus dem Land, eine Tradition, die noch aus dem kommunistischen Regime stammt. Trotz leerer Kassen bietet die Veranstaltung einen opulenten Reigen.
Die Konzerte mit zeitgenössischer Musik sind ausgezeichnet besucht. Genauso gut wie die Konzerte mi tbarocker und symphonischer Musik.

Einer der Lokalmatadoren des Festival Enescu ist Octavian Nemescu. Der 1940 geborene Musiker ist in seiner Heimat ein Begriff – im europäischen Ausland ist er fast unbekannt.

Festivaldirektor ist Ioan Holender, der jahrelang Intendant der Wiener Staatsoper war. Der gebürtige Rumäne hat ein Faible für zeitgenössische Musik – und bezieht sich damit auch auf das Credo von George Enescu, dem wichtigsten rumänischen Komponisten und Namenspatron des Festivals:

„Es war immer Enescus Wunsch, jüngere Kollegen zu fördern, und ich habe beschlossen, das wir diese erste Woche dem rumänischen Musikschaffen widmen".“

Ioan Holander will mit seinem Einsatz für zeitgenössisches Musikschaffen eine Tradition wiederbeleben, die unter dem kommunistischen Diktator Nicolae Ceausescu bestand. Die einzige positive Seite von dessen Regime, so Holender, war die staatliche Förderung zeitgenössischer Musik. Dazu die Komponistin Liana Alexandra:

„"Bis 1989 war es so, dass jedes Konzert mit klassischer Musik mit einem zeitgenössischen Werk zu beginnen hatte. Auf diese Weise wurde das einheimische Musikschaffen allen bekannt. Nach 1989 verschwand die zeitgenössische Musik aus den Programmen unserer Theater und Konzerthallen.“

1989 wurde der kommunistische Diktator Ceausescu gestürzt. Ein gravierender Einschnitt für die gesamte rumänische Kulturszene. Ceausescu hatte nur die regimetreue Kultur gefördert. Wer nach der Wende geglaubt hatte, dass im nun endlich demokratischen Rumänien eine vielseitige Kulturförderung betrieben wird, wurde schnell enttäuscht.

Bis auf einige wenige vom neuen Staat geförderte Prestigeobjekte, wie Museen und Opernhäuser, geschah nichts – bis heute. Eine alternative Kulturszene versucht sich irgendwie über Wasser zu halten – mehr schlecht als recht.

Ein gutes Beispiel für die kulturpolitischen Zustände in Rumänien ist die Musikszene. Gefördert wird, wie unter dem Diktator, die Union zeitgenössischer Komponisten sowie das Festival von Ioan Holender, das wichtigste kulturpolitische Aushängeschild Rumäniens. Darüber hinaus herrsche, das geben Kulturschaffende allerdings nur hinter vorgehaltener Hand zu, gähnende Leere und leere Kassen.

Holender konnte mit Hilfe reichlich fließender Staatsgelder das Enescu-Festival zur privilegierten Bühne für das trotz prekärer Finanzlage ungemein rege zeitgenössische Musikschaffen Rumäniens machen. 95 Prozent des Budgets in Höhe von 7 Millionen Euro kommen aus dem Kulturministerium.

Doch Holender und sein Team müssen sich immer noch mit alten Einflussstrukturen aus der Zeit Ceausescus herumschlagen. Das gilt übrigens für fast alle rumänischen Kulturbereiche. Eine historische Aufarbeitung des Einflusses der Diktatur auf das Kulturleben hat so gut wie noch nicht stattgefunden. Mihai Constantinescu, Generalmanager des Enescu-Festivals:

„Das Festival arbeitet mit der Union zeitgenössischer Komponisten zusammen. Diese Union entscheidet einen Großteil des Programms, wir haben nur wenig Mitspracherechte. Oftmals werden von der Union nur bestimmte Musiker gefördert. Herr Holender versucht sich seit Jahren gegen diese Einflussnahme in der Auswahl der Komponisten und der Werke durchzusetzen.“

Mit geringem Erfolg. Mihai Constantinescu findet es bedenklich, dass der bis zum Ende der Diktatur große Einfluss der Komponistenunion immer noch präsent ist. Junge Nachwuchskomponisten, die nichts mit der vor allem seriellen Ausrichtung der Musik der Union zu tun haben wollen, kommen deshalb, so seine Kritik, während des Festivals nicht oft zur Aufführung.

Das müsse sich ändern, fordert auch Ioan Holender. Das Festival habe schließlich die Aufgabe alle rumänischen Komponisten zu präsentieren – nicht nur die Mitglieder der Komponistenunion. Doch die sitzt immer noch fest im Sattel und genießt nach wie vor vollen Rückhalt im Kulturministerium.

Service:
Das Festival George Enescu findet noch bis zum 28.9.2013 in Bukarest statt.