Ein Fest ohne Gäste

Von Tobias Wenzel · 07.03.2010
Irène Némirovsky floh mit ihrer Familie 1919 vor der russischen Revolution nach Paris, wo sie zehn Jahre später ein gefeierter Literaturstar wurde. Von den Nazis in Auschwitz ermordet, war sie bis vor kurzem beinahe vergessen. Nun erfahren ihre Werke eine Renaissance: So wird ihre Novelle "Der Ball" in Hamburg als Oper aufgeführt.
Irène Némirovsky spricht 1930 in einem Radiointerview über die Liebe eines fiktiven Ehepaares. Lieblos geht es dagegen in der Novelle "Der Ball" zu, die die in Kiew geborene französische Autorin im selben Jahr veröffentlichte. "Der Ball" ist nun in einer Opernfassung in Hamburg zu erleben.

Paris, 1928. Familie Kampf kommt durch eine Börsenspekulation zu Reichtum. Das Paar stellt eine englische Gouvernante ein, die sich um die 14-jährige Tochter Antoinette kümmern soll. Um den Aufstieg in die noble Pariser Gesellschaft perfekt zu machen, lädt das Ehepaar adlige Gäste zu einem Ball ein. Die missgünstige Madame Kampf verbietet allerdings Antoinette, beim Ball dabei zu sein. Die Tochter rächt sich, indem sie die Einladungskarten nicht in den Briefkasten wirft, sondern in die Seine. Das verschweigt sie allerdings ihrer Mutter. Die Folge: Ein Ball ohne Gäste.

Auch Irène Némirovsky hatte ein sehr schlechtes Verhältnis zu ihrer Mutter. Und auch sie hatte eine Gouvernante, allerdings eine französische. So wurde Französisch zu ihrer zweiten Muttersprache. 1919, während der russischen Revolution, flieht Irène mit ihrer Familie nach Paris. Dort wird sie zehn Jahre später zum Pariser Literaturstar. 1942 wird sie aus Frankreich nach Auschwitz deportiert und kommt dort um.

60 Jahre lang sind ihre Werke fast vergessen. Bis 2004 eine Tochter der Autorin das unvollendete Manuskript zum Roman "Suite française" entdeckt, entziffert und veröffentlicht. Seitdem haben Irène Némirovskys Werke eine Renaissance erfahren. Auch die Novelle "Der Ball", die nun in der Hamburger Opernfassung zu sehen ist.