Ein etwas anderes Selbstporträt
Ohne jede Arroganz, aber mit großer Lust am Spiel mit den Lesererwartungen führt der österreichische Autor Franz Schuh in seinen "Memoiren" ein Interview "gegen sich selbst". Ohne sich auf die übliche autobiografische Eigendarstellung einzulassen, gelingt ihm ein süffisantes Wechselspiel zwischen seinen aufgespaltenen "Ichs".
Spätestens, als der Wiener Schriftsteller Franz Schuh 2006 für sein - von ihm im Vorwort ironischerweise als "Hauptwerk" bezeichnetes - Buch "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche" mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, drang sein Ruf zu den deutschen Lesern, die den brillanten Essayisten, Denker und Vortragskünstler bis dahin nicht wahrgenommen hatten. Auch sein neues Buch spielt mit Lesererwartungen, macht sich einen ernsten Spaß daraus, durch Haupt- und Untertitel geschickt in die Irre zu führen.
"Memoiren" – das klingt so, als wollte sich der 60-jährige Schuh anschicken, sein Innenleben preiszugeben und auf (s)eine Erfolgsgeschichte als Autor zurückblicken. Nichts weniger als das: Schon der Untertitel zeigt an, dass Schuh nicht gewillt ist, sich auf die üblichen Formen autobiografischer Eigendarstellung einzulassen.
Stattdessen geht es um den "Versuch, die Verfänglichkeit von Selbstdefinitionen durchzuspielen" - auch mit Blick darauf, dass kein Mensch ohne Selbstdefinitionen auskommt. Als Form dafür wählt Schuh das Gespräch mit sich selbst. Jene Fragen, die man im Lauf der Jahre immer wieder an ihn richtete, stellt er sich nun selbst – in einem süffisanten Wechselspiel, das das "Ich" aufspaltet und so der Selbstwahrnehmung als "Universalgelehrter" jede Arroganz nimmt.
In guter österreichischer Tradition macht Schuhs von einigen älteren Essays unterbrochenes "Interview gegen mich selbst" vor keinem Thema Halt. Seine glaubhaft vorgetragene "Abneigung gegen die vornehmeren Töne des Kulturbetriebs" erlaubt es ihm, Betrachtungen zur Religion, zum Glück, zur "Antipsychologie" der Linken, zum Zusammenhang von Vergessen und Erinnern oder zu Hegels "Phänomenologie des Geistes" mit klugen Analysen zu mischen, die der TV-Serie "Die Simpsons" oder den "vollkommen verkommenen Menschen" Harald Schmidt und Oliver Pocher gelten.
Wenn Schuh mitunter auf die eigene Biografie und auf die Fragwürdigkeit seiner Existenz als "freier" Schriftsteller zurückkommt, gelingen ihm eindrückliche Bilder, die den Aufbruchswillen in der österreichischen Nachkriegsgesellschaft - symbolisiert durch den Kraftwerksbau in Kaprun - spiegeln.
Nicht immer ist dies von allgemeinem Interesse, so wenn Schuh ausführlich Interna aus seiner Zeit als Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung referiert. Doch dafür wird man allemal entschädigt, sobald er sich gegen eine Überstrapazierung des Generationenbegriffs wendet ("Auf seine Generation kann sich keiner ausreden"), an den österreichischen "Zusammenhang von Gemütlichkeit und Brutalität" erinnert und ohne lange Vorreden Sentenzen produziert, die selbst Rezensenten nachdenklich stimmen:
"Die Mittelmäßigkeit der eigenen Gedanken erkennt man am besten, wenn andere von ihnen Gebrauch gemacht haben."
Rezensiert von Rainer Moritz
Franz Schuh: Memoiren.
Ein Interview gegen mich selbst
Zsolnay Verlag, Wien 2008
283 Seiten, 21,50 Euro
"Memoiren" – das klingt so, als wollte sich der 60-jährige Schuh anschicken, sein Innenleben preiszugeben und auf (s)eine Erfolgsgeschichte als Autor zurückblicken. Nichts weniger als das: Schon der Untertitel zeigt an, dass Schuh nicht gewillt ist, sich auf die üblichen Formen autobiografischer Eigendarstellung einzulassen.
Stattdessen geht es um den "Versuch, die Verfänglichkeit von Selbstdefinitionen durchzuspielen" - auch mit Blick darauf, dass kein Mensch ohne Selbstdefinitionen auskommt. Als Form dafür wählt Schuh das Gespräch mit sich selbst. Jene Fragen, die man im Lauf der Jahre immer wieder an ihn richtete, stellt er sich nun selbst – in einem süffisanten Wechselspiel, das das "Ich" aufspaltet und so der Selbstwahrnehmung als "Universalgelehrter" jede Arroganz nimmt.
In guter österreichischer Tradition macht Schuhs von einigen älteren Essays unterbrochenes "Interview gegen mich selbst" vor keinem Thema Halt. Seine glaubhaft vorgetragene "Abneigung gegen die vornehmeren Töne des Kulturbetriebs" erlaubt es ihm, Betrachtungen zur Religion, zum Glück, zur "Antipsychologie" der Linken, zum Zusammenhang von Vergessen und Erinnern oder zu Hegels "Phänomenologie des Geistes" mit klugen Analysen zu mischen, die der TV-Serie "Die Simpsons" oder den "vollkommen verkommenen Menschen" Harald Schmidt und Oliver Pocher gelten.
Wenn Schuh mitunter auf die eigene Biografie und auf die Fragwürdigkeit seiner Existenz als "freier" Schriftsteller zurückkommt, gelingen ihm eindrückliche Bilder, die den Aufbruchswillen in der österreichischen Nachkriegsgesellschaft - symbolisiert durch den Kraftwerksbau in Kaprun - spiegeln.
Nicht immer ist dies von allgemeinem Interesse, so wenn Schuh ausführlich Interna aus seiner Zeit als Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung referiert. Doch dafür wird man allemal entschädigt, sobald er sich gegen eine Überstrapazierung des Generationenbegriffs wendet ("Auf seine Generation kann sich keiner ausreden"), an den österreichischen "Zusammenhang von Gemütlichkeit und Brutalität" erinnert und ohne lange Vorreden Sentenzen produziert, die selbst Rezensenten nachdenklich stimmen:
"Die Mittelmäßigkeit der eigenen Gedanken erkennt man am besten, wenn andere von ihnen Gebrauch gemacht haben."
Rezensiert von Rainer Moritz
Franz Schuh: Memoiren.
Ein Interview gegen mich selbst
Zsolnay Verlag, Wien 2008
283 Seiten, 21,50 Euro