"Ein Ende der Bombenanschläge und des Mordens"

Von Georg Gruber · 24.03.2012
Die Schlichtungsversuche der britischen Armee im Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland eskalierten endgültig im sogenannten "Bloody Sunday". Kurz danach übernahmen die Briten die Direktherrschaft über die tief gespaltene Provinz.
Es war eine kleine politische Sensation, als der britische Premier Edward Heath am 24. März 1972 das Ende der Selbstverwaltung Nordirlands verkündete. In einer Rede, die auch vom Fernsehen ausgestrahlt wurde, wandte er sich direkt an die Bevölkerung der Unruheprovinz:

"Dies ist Ihre Chance, endlich Fairness, Wohlstand und Frieden zu erreichen, ein Ende der Bombenanschläge und des Mordens. Sie haben lange genug gelitten. Was die Regierung heute unternommen hat, soll die Vergangenheit vergessen lassen und auf die Zukunft gerichtet sein. Lassen Sie uns diese Gelegenheit gemeinsam nutzen."

Heath reagierte damit auf die Spannungen in der nordirischen Gesellschaft. Die Katholiken, die die Minderheit stellten, waren seit der Teilung der Insel 1920 von den Protestanten jahrzehntelang benachteiligt worden:

"Beim Wahlrecht, das an Besitz geknüpft war, bei der Einteilung der Wahlkreise, die die Protestanten bevorteilte, bei der Vergabe von Jobs und Wohnungen."

In den 60er Jahren formierte sich eine zunächst friedliche Bürgerrechtsbewegung, die für Gleichberechtigung eintrat. Doch die Polizei ging gewaltsam gegen Demonstranten vor. Die britische Armee, die Ende der 60er-Jahre nach Nordirland gekommen war, um zu schlichten, war bald selbst Partei in dem immer blutiger werdenden Konflikt. Sie unterstützte die nordirische Regierung bei den sogenannten "Internierungen". Personen, die der IRA zugerechnet wurden, konnten ohne Gerichtsverfahren inhaftiert werden - was wiederum zu heftigen Protesten der katholischen Bevölkerung führte. Nach dem Bloody Sunday, dem 30. Januar 1972, an dem britische Soldaten 13 unbewaffnete Demonstranten erschossen, drohte die Situation in Nordirland völlig außer Kontrolle zu geraten.

"Die Stimmung war vergifteter als jemals zuvor. Nordirland schien zum ersten Mal an der Schwelle zur vollständigen Anarchie."

Notierte der britische Premier Edward Heath in seinen Memoiren. Heath bestellte den protestantischen nordirischen Regierungschef Brian Faulkner nach London und diskutierte mit ihm Lösungswege aus der Krise, etwa häufigere Volksabstimmungen über die gesamtirische Frage und ein Ende der Internierungspolitik. Dazu wäre Faulkner bereit gewesen, doch er weigerte sich, die Hoheit über die innere Sicherheit an London abzugeben – und wurde entmachtet. Die britische Regierung müsse nun die volle Verantwortung über die Situation in Nordirland übernehmen, erklärte Heath am 24. März 1972:

"The government here in London is therefore obliged to take over for the time being full responsibility for the conduct of affairs in Northern Ireland."

Die protestantischen Unionisten fühlten sich von London verraten und riefen zum Generalstreik auf. 100.000 Menschen demonstrierten gegen die "direct rule" vor dem Stormont, dem nordirischen Parlamentsgebäude.
Zwei Wochen nach Verhängung der britischen Direktherrschaft verkündete der neu installierte Nordirlandminister William Whitelaw die Freilassung von rund 50 Internierten. Er glaube, die breite Mehrheit der nordirischen Bevölkerung wünsche ein friedliches Zusammenleben, die Freilassungen seien sein Beitrag zu diesem Ziel.

"I want to see a return of a normal peaceful community, I believe that is something, that the vast majority of the population of Northern Irland also want. These releases today are my contribution to that end."

Doch zu einer schnellen Aussöhnung sollte es nicht kommen. Ein Waffenstillstand der IRA war nur von kurzer Dauer, im Juli 1972 starben am Bloody Friday neun Menschen durch eine Serie von Autobomben in der Innenstadt von Belfast. 1974 scheiterte schließlich der Versuch, das Parlament wieder einzuführen, am Widerstand der Protestanten, die nicht mit den Katholiken zusammenarbeiten wollten. Eigentlich sollte die Direktverwaltung durch London nur ein Jahr dauern, es wurden fast drei Jahrzehnte. Sie endete erst nach dem Karfreitagsabkommen von 1998, das unter anderem vorsah, wieder ein Parlament und eine Regionalregierung einzurichten, unter Beteiligung von Protestanten und Katholiken. Aber auch das funktionierte nicht immer, viermal übernahm seitdem London wieder das Ruder in Nordirland, zuletzt von 2002 bis 2007.

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