Ein einziges großes Piratennest

Das Werk des mallorquinischen Schriftstellers Báltasar Porcel wird von einem einzigen Grundthema durchzogen: das Mittelmeer. In seinem gleichnamigen neuen Sachbuch erzählt der Autor in 22 Essays von Pharaonen, Griechen und Römern - und von schaurigen Piratenliedern.
1937 wurde er auf Mallorca geboren, in dem Örtchen Andratx, sein Name Báltasar Porcel. Heute gehört er zu den großen Schriftstellern der katalanischen Sprache, mit Literaturpreisen überhäuft. Auf Deutsch erschienen 2007 der Roman "Verstorbene unter Mandelbäumen" und 2001 "Galopp in die Finsternis". Ob in seinen historischen Romanen oder in seinen Gedichten, Kolumnen, Reiseberichten und Theaterstücken, ein einziges Grundthema beherrscht Porcels Arbeit, das Mittelmeer. Und so heißt auch das neue Sachbuch Porcels: "Das Mittelmeer – Eine stürmische Reise durch Zeiten und Kulturen".

Den Leser erwarten 22 Essays, die chronologisch die Geschichte des Mittelmeers schildern; Porcel beginnt vor 20 Millionen Jahren und spannt den Rahmen bis in die Jetztzeit. Hauptstationen des Buches sind meist die bekannt großen Epochen und Kulturen, also zum Beispiel Pharaonen, Griechen, Römer, Juden, Christen, Muslime, Renaissance, Barock, Napoleon und in der Moderne auch Faschismus, Bootsflüchtlinge usw.

"Das Mittelmeer" ist eine Tour de force durch die Historie, erzählt von einem gestandenen Schriftsteller, – jeder Essay eine Art Kamingeschichte; Porcel eröffnet seine Kapitel meist szenisch, um Intimität zu schaffen; in jenem über die Piraterie im Mittelmeer beginnt Porcel mit seiner eigenen Kindheit in seinem mallorquinischen Heimatdorf, mit schaurigen Liedern über Piraten, die den Autor als Kind

" ... in sternklaren Sommernächten vor Angst zittern ließen ... "

Alte Geschichten, denkt der Leser, erfährt dann aber, dass der Urururgroßvater von Porcel noch vor 150 Jahren, also um 1850, Scharmützel mit Piraten hatte. Piraterie wird konkret. Porcel zitiert Schriftsteller, zum Beispiel Cervantes, der jahrelang Gefangener von Piraten war. Dann folgt wie üblich Porcels historischer Exkurs, und man begreift, dass dieses Mittelmeer immer ein einziges großes Piratennest war: Auf der Insel Ibiza steht ein Denkmal zu Ehren der Piraten Ibizas. Das alles geschieht auf nur 13 Seiten, öffnet aber weite Horizonte.

Fassen wir also noch einmal zusammen: den Leseeindruck prägen erstens essayistische Reflexionen, zweitens historische wie literarische Zitate, drittens Porcels brillante Reisebeschreibungen und viertens detailreiche historische Abhandlungen, die hier und da allerdings einen größeren Überblick vermissen lassen, wie zum Beispiel das Kapitel 18 über die Seefahrt des 15. Jahrhunderts. Sollte dem Leser der Text passagenweise zu professoral werden, so sei ihm geraten, zwei, drei Seiten zu überblättern, – er wird versöhnt.

Trotz seiner punktuellen Schwächen bleibt "Das Mittelmeer" eine absolute Leseempfehlung, für den Historiker wegen seines Detailreichtums eine Fundgrube, für den Laien und Mittelmeer-Liebhaber ein sinnlicher, amüsanter Lesegenuss, – dank des schriftstellerischen Vermögens Porcels. "Das Mittelmeer" verführt zur Beschäftigung mit Geschichte, ist eine Art historisch-literarischer Reiseführer, der intellektuellen Mittelmeer-Urlaubern sogar als Strandlektüre ans Herz gelegt sei.

Rezensiert von Lutz Bunk

Báltasar Porcel: Das Mittelmeer – Eine stürmische Reise durch Zeiten und Kulturen
Aus dem Katalanischen übersetzt von Kirsten Brandt
Transit Verlag 2009
416 Seiten, 24,80 Euro