Ein Einheitsdenkmal für Leipzig

Von Ralf Geißler · 09.07.2008
Als sich die Bundesregierung für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal, das an die friedliche Revolution in der DDR und die Wiedervereinigung erinnert, in Berlin entschied, sorgte das in Leipzig für Enttäuschung. Schließlich nahmen die Demonstrationen gegen das SED-Regime hier ihren Anfang. Nun hofft die Stadt, doch noch zu ihrem Denkmal zu kommen.
" Wir sind das Volk! "

So klang es in Leipzig, Montag für Montag. Am 9. Oktober 1989 demonstrierten 70.000 Menschen gegen das SED-Regime. Überwältigt von der Menge, von den Kerzen und den Sprechchören mussten Polizei und Staatssicherheit ihre Kräfte erstmals zurückziehen. Es war der Tag der Entscheidung. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung drängt deshalb darauf, dass auch in seiner Stadt mit einem Nationaldenkmal an den Herbst '89 erinnert wird.

Burkardt Jung: " Der 9. November, der Tag des Mauerfalls, ist nicht zu denken ohne das Riesen-Engagement der Leipziger am 9. Oktober. Das heißt, es gibt eine elementare Verbindung zwischen dem 9. Oktober und dem Tag des Mauerfalls einen Monat später. Insofern: ein Pendant in Leipzig gehört zum Nationaldenkmal dazu. Und ich freue mich, dass die Signale der Bundesregierung eindeutig sind. "

Diese Signale kommen vor allem von Bernd Neumann. Der Kulturstaatsminister kann sich ergänzend zum nationalen Einheits- und Freiheitsdenkmal in Berlin ein zweites Denkmal in Leipzig vorstellen. Allerdings hat Neumann die Stadt um eine offizielle Anfrage gebeten. Diese haben die Stadträte nun verabschiedet. Mit großer Mehrheit fordern sie die Bundesregierung auf, ein zweites Denkmal in Leipzig zu errichten. Und: Sie verlangen am Berliner Denkmal eindeutige Hinweise auf die Ereignisse in Leipzig. Zwar ist noch nicht sicher, dass Leipzig wirklich ein eigenes Denkmal bekommt. Kulturbürgermeister Georg Girardet macht sich aber schon Gedanken über die Gestaltung:

" Es wird einen internationalen Wettbewerb geben. Ob das ein einheitlicher ist, der das Berliner und das Leipziger Denkmal umfasst, oder ob es zwei Denkmalwettbewerbe werden, was ich eher vermute, das kann ich im Moment nicht so genau sagen. Aber: Das wird eine schwere Aufgabe. Eine friedliche Revolution in eine künstlerische Gestaltung zu bringen das wird sehr, sehr schwierig. "

Wie auch immer das Denkmal aussehen wird, die Revolutionäre von einst sind mit den Forderungen des Leipziger Stadtrates zufrieden. Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig, kritisiert schon lange, dass in der Stadt zu wenig an den 9. Oktober 1989 erinnert werde:

" Die Erinnerung ist am Leben erhalten worden von einer Gruppe von etwa 20 Leipziger Bürgern, die den 9.Oktober immer gestalten. Das haben wir zehn Jahre lang gemacht. Das wird jetzt breiter, war aber bisher zu wenig. Und wir müssten es schaffen, dass es bis zum 9. Oktober 2009 – also bis zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution – dann alle Leipziger angeht. "

Zum 20. Jahrestag wird der 9. Oktober in Leipzig erstmals ein Feiertag sein. Das haben die Stadträte ebenfalls beschlossen. Frei bekommen die Leipziger deswegen allerdings nicht. Erst wird gearbeitet, dann an die Revolution erinnert. Die Idee für den städtischen Feiertag hatte der Grünen-Politiker Michael Weichert. Er prophezeit dem 9. Oktober in der Erinnerungskultur noch eine große Zukunft:

" Das ist so ein bedeutendes Ereignis in der Weltgeschichte, dass das mal ein viel gebührenderen Feiertag geben wird. Ich denke spätestens zum 50. Jahrestag ist es ein arbeitsfreier, europäischer Nationalfeiertag. "

Weichert ist am 9. Oktober 1989 selbst bei der Kundgebung gewesen. Hunderte Polizisten sollten die Demonstranten damals stoppen. In der Stadt ging das Gerücht um, die SED habe Schießbefehl erlassen. Trotzdem kamen 70.000. Die Bedeutung dieses Tages und den Mut der Demonstranten – so Weichert – könne man gar nicht überschätzen. Deswegen meint auch er: Leipzig braucht ein Nationaldenkmal.