Ein eindringliches Bild von der Vielfalt der Kulturen
Das Linden-Museum in Stuttgart ist eines der großen alten deutschen Völkerkundemuseen. Zum 100. Jubiläum des Museums liefert die Ausstellung „Weltsichten – Blick über den Tellerrand!“ einen Vergleich der Sichtweisen von Kulturen auf der ganzen Welt.
Imposanter hätte das Entree zu dieser Ausstellung kaum mehr ausfallen können. Im großen, düster gehaltenen Kuppelsaal des Kunstgebäudes blicken uns von zwei schräg nach oben verlaufenden langen Podesten Skulpturen entgegen. Dieser Raum ist der Kunst gewidmet – und eine derartige Ansammlung würde man im Lindenmuseum selbst vergebens suchen – wie übrigens auch in fast allen anderen deutschen Völkerkundemuseen. Denn diese Museen sind geografisch gegliedert, nach Kontinenten und Kulturen. Diese Kunstobjekte aber stammen aus der ganzen Welt: Statuen aus Kamerun, Masken aus dem Amazonasgebiet, ein Buddha aus Südindien. Die Ausstellung ist thematisch gegliedert, insofern hat Inés de Castro, die Leiterin des Lindenmuseums hier eine alternative Version ihres Museums geschaffen, zumindest auf Zeit.
„Dadurch, dass verschiedene Kulturen die gleiche oder völlig unterschiedliche Thematik anders angehen und man sie gegeneinander setzt oder miteinander vergleicht, entstehen sehr schöne neue Weltsichten.“
Diese Vergleiche sind oftmals überraschend, denn bei aller Vielfalt entdeckt man auch Gemeinsamkeiten, etwa in der Abteilung: Auszeichnung und Ansehen. Aus dem alten Peru sehen wir den Umhang eines Priesters, der mit Darstellungen eines Fruchtbarkeitsrituals verziert ist – denn in Peru erhielt derjenige Macht, der eine Leistung erbrachte, in diesem Fall Regen durch ein magisches Ritual. Aus China sehen wir eine Drachenrobe, Symbol der Macht, die in China vererbt wurde, nicht durch Leistung erworben, und doch, so die Ostasienspezialistin Uta Werlich, sind die Unterschiede gar nicht so groß.
„Ich glaube, es ist in vielen Kulturen so, dass Dinge ineinandergreifen und nicht klar voneinander getrennt und unterschieden werden können. Es geht immer darum: Macht etabliert sich durch die Fürsorgepflicht eines Herrschers für sein Volk und für seine Untertanen, und da sind wir in vielen Regionen der Welt ganz eng beieinander.“
Sehr unterschiedlich, so Ines de Castro, sind dagegen die Formen, mit denen man in den unterschiedlichen Kulturen der Verstorbenen gedenkt. Die Ausstellung konfrontiert den Totenkult in Papua-Neuguinea mit dem in Südostasien.
„Da haben wir auf der einen Seite in der Südsee eine Kultur, die sehr viele Rituale zur Erinnerung zehn Jahre nach dem Tod eines Verstorbenen durchführt, aber danach wirklich diese Person ins Vergessen bringt, und auf der anderen Seite in Ostasien doch diese unglaubliche Verehrung von Ahnen und die Forderung, dass man sieben Generationen seiner Ahnen kennen muss und diese verehren sollte.“
Auf diese Weise erleben wir im Vergleich, wie die Menschen auf die Umwelt reagieren, wie sie Zeit gemessen haben, wie sie sich das Land untertan gemacht haben, und immer wieder lohnt der Blick in die Details. In der Abteilung „Abgrenzen und Einladen“ geht es um die Behausungen in dieser Welt. Auf der einen sehen wir die arabische Kultur, sie wirkt abweisend mit ihren kunstvoll verzierten Türen und Schlössern, diese Wohnwelt arbeitet mit Abgrenzungen, etwa zwischen Mann und Frau. Daneben steht eine kasachische Jurte, ein Wohnzelt. Keine Spur von Wänden und Türen, und doch, so Annette Krämer, ist dieser Wohnraum alles andere als offen.
„Das Interessante ist, dass es in der Jurte unsichtbare Grenzen gibt. Die Jurte symbolisiert den Kosmos, und wenn Sie in die Jurte hineingehen, dann ist die Jurte aufgeteilt. Das sehen sie so vielleicht nicht unbedingt, oder nur zum Teil, aber es wird gewusst, und das gilt bis heute.“
Und wir erfahren ganz nebenbei, wie lange sich solche Lebensformen halten, auch wenn die Lebensart sich drastisch verändert. So gehört in Kasachstan die Jurte, das Zelt, weitgehend der Vergangenheit an, auf einem Foto sehen wir aber, dass selbst in modernen Großstadtwohnungen der symbolbeladene Sahnyrak, der Jurtendachkranz nicht fehlt, obwohl er hier keine Funktion mehr hat.
„Wir sehen hier ja ein Foto eines städtischen, sehr reichen Wohnhauses, an dem wir eine Nachbildung eines Shanyrak an der Decke sehen – eine Konstruktion aus Fototapete, Shanyraknachbildung und Kronleuchter – und das zeigt uns ganz deutlich, wie lebendig die Jurte erinnert wird, obwohl es in völlig entgegengesetzten Lebensbedingungen geschieht.“
Eine solche Ausstellung ermöglicht ein sehr eindringlicheres Bild von der Vielfalt der Kulturen als ein nach Kulturen gegliedertes Museum, und es lenkt sehr viel häufiger auch den Blick zurück auf die eigene Existenz, die Frage: Und steht es bei uns mit Machtinsignien, Wohnkulturen oder dem Umgang mit den Verstorbenen?
„Wenn wir das erreichen, wären wir sehr glücklich. Der Untertitel der Ausstellung heißt ja auch: Blick über den Tellerrand, und Relativierung ist, glaube ich, eine ganz wichtige Aufgabe der Ethnologie.“
„Dadurch, dass verschiedene Kulturen die gleiche oder völlig unterschiedliche Thematik anders angehen und man sie gegeneinander setzt oder miteinander vergleicht, entstehen sehr schöne neue Weltsichten.“
Diese Vergleiche sind oftmals überraschend, denn bei aller Vielfalt entdeckt man auch Gemeinsamkeiten, etwa in der Abteilung: Auszeichnung und Ansehen. Aus dem alten Peru sehen wir den Umhang eines Priesters, der mit Darstellungen eines Fruchtbarkeitsrituals verziert ist – denn in Peru erhielt derjenige Macht, der eine Leistung erbrachte, in diesem Fall Regen durch ein magisches Ritual. Aus China sehen wir eine Drachenrobe, Symbol der Macht, die in China vererbt wurde, nicht durch Leistung erworben, und doch, so die Ostasienspezialistin Uta Werlich, sind die Unterschiede gar nicht so groß.
„Ich glaube, es ist in vielen Kulturen so, dass Dinge ineinandergreifen und nicht klar voneinander getrennt und unterschieden werden können. Es geht immer darum: Macht etabliert sich durch die Fürsorgepflicht eines Herrschers für sein Volk und für seine Untertanen, und da sind wir in vielen Regionen der Welt ganz eng beieinander.“
Sehr unterschiedlich, so Ines de Castro, sind dagegen die Formen, mit denen man in den unterschiedlichen Kulturen der Verstorbenen gedenkt. Die Ausstellung konfrontiert den Totenkult in Papua-Neuguinea mit dem in Südostasien.
„Da haben wir auf der einen Seite in der Südsee eine Kultur, die sehr viele Rituale zur Erinnerung zehn Jahre nach dem Tod eines Verstorbenen durchführt, aber danach wirklich diese Person ins Vergessen bringt, und auf der anderen Seite in Ostasien doch diese unglaubliche Verehrung von Ahnen und die Forderung, dass man sieben Generationen seiner Ahnen kennen muss und diese verehren sollte.“
Auf diese Weise erleben wir im Vergleich, wie die Menschen auf die Umwelt reagieren, wie sie Zeit gemessen haben, wie sie sich das Land untertan gemacht haben, und immer wieder lohnt der Blick in die Details. In der Abteilung „Abgrenzen und Einladen“ geht es um die Behausungen in dieser Welt. Auf der einen sehen wir die arabische Kultur, sie wirkt abweisend mit ihren kunstvoll verzierten Türen und Schlössern, diese Wohnwelt arbeitet mit Abgrenzungen, etwa zwischen Mann und Frau. Daneben steht eine kasachische Jurte, ein Wohnzelt. Keine Spur von Wänden und Türen, und doch, so Annette Krämer, ist dieser Wohnraum alles andere als offen.
„Das Interessante ist, dass es in der Jurte unsichtbare Grenzen gibt. Die Jurte symbolisiert den Kosmos, und wenn Sie in die Jurte hineingehen, dann ist die Jurte aufgeteilt. Das sehen sie so vielleicht nicht unbedingt, oder nur zum Teil, aber es wird gewusst, und das gilt bis heute.“
Und wir erfahren ganz nebenbei, wie lange sich solche Lebensformen halten, auch wenn die Lebensart sich drastisch verändert. So gehört in Kasachstan die Jurte, das Zelt, weitgehend der Vergangenheit an, auf einem Foto sehen wir aber, dass selbst in modernen Großstadtwohnungen der symbolbeladene Sahnyrak, der Jurtendachkranz nicht fehlt, obwohl er hier keine Funktion mehr hat.
„Wir sehen hier ja ein Foto eines städtischen, sehr reichen Wohnhauses, an dem wir eine Nachbildung eines Shanyrak an der Decke sehen – eine Konstruktion aus Fototapete, Shanyraknachbildung und Kronleuchter – und das zeigt uns ganz deutlich, wie lebendig die Jurte erinnert wird, obwohl es in völlig entgegengesetzten Lebensbedingungen geschieht.“
Eine solche Ausstellung ermöglicht ein sehr eindringlicheres Bild von der Vielfalt der Kulturen als ein nach Kulturen gegliedertes Museum, und es lenkt sehr viel häufiger auch den Blick zurück auf die eigene Existenz, die Frage: Und steht es bei uns mit Machtinsignien, Wohnkulturen oder dem Umgang mit den Verstorbenen?
„Wenn wir das erreichen, wären wir sehr glücklich. Der Untertitel der Ausstellung heißt ja auch: Blick über den Tellerrand, und Relativierung ist, glaube ich, eine ganz wichtige Aufgabe der Ethnologie.“