Eine amerikanische Familie von 1968 bis 2018
Als deutscher Austauschschüler kam Ulf Dammann vor 50 Jahren in die Familie Bottorff nach Iowa. Auch nach der Schulzeit besuchte er sie immer wieder und beobachtete, wie sich das Land, die Menschen und die politischen Einstellungen veränderten.
Es war die Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1968, kurz nach Mitternacht. Am Tag zuvor hatten die demokratischen Wähler von Kalifornien über den Kandidaten ihrer Partei für die Präsidentschaftswahlen im November abgestimmt. Der Sieger hieß: Robert F. Kennedy. Der Weg schien frei für den jungen Senator von New York. Die Nominierung schien ihm niemand mehr nehmen zu können.
Ich saß in Iowa, zwei Zeitzonen weiter östlich, allein vor dem Fernseher und war enttäuscht. Mein Favorit, der Senator aus Minnesota, Eugene McCarthy, hatte verloren. Nebenan schliefen meine Gasteltern, für die schon drei Stunden später, um fünf Uhr, der nächste Arbeitstag beginnen sollte. Und im ersten Stock des alten Farmhauses lagen auch meine drei Gastbrüder im Tiefschlaf. Gerade wollte ich ins Bett gehen.
Ich saß in Iowa, zwei Zeitzonen weiter östlich, allein vor dem Fernseher und war enttäuscht. Mein Favorit, der Senator aus Minnesota, Eugene McCarthy, hatte verloren. Nebenan schliefen meine Gasteltern, für die schon drei Stunden später, um fünf Uhr, der nächste Arbeitstag beginnen sollte. Und im ersten Stock des alten Farmhauses lagen auch meine drei Gastbrüder im Tiefschlaf. Gerade wollte ich ins Bett gehen.
Um sich nicht durch die Menge im Saal des Ambassador Hotels in Los Angeles drängeln zu müssen, wählte Kennedy, der Bruder des fünf Jahre zuvor ermordeten Präsidenten, den Weg durch die Küche. Plötzlich fielen Schüsse. Chaos brach aus. Kennedy lag verwundet auf dem Boden und verlangte nach Wasser. Der Täter, Sirhan Sirhan, ein christlicher palästinensischer Immigrant, der Kennedys pro-israelische Haltung ablehnte, wurde überwältigt. Robert F. Kennedy starb am frühen Morgen des folgenden Tages, am 6. Juni 1968.
Ich weckte meine Gasteltern, die aber schlaftrunken kaum realisierten, was ich erzählte.
Ich weckte meine Gasteltern, die aber schlaftrunken kaum realisierten, was ich erzählte.
Als Hamburger Arztsohn in Iowa
1968 war ich seit einem dreiviertel Jahr als Austauschschüler in den USA. Man hatte mich, den verwöhnten Arztsohn aus Hamburg, zu den Bottorffs auf eine Farm in Iowa geschickt, dem amerikanischen Bundesstaat, dessen Hymne zur Melodie von "O Tannenbaum" gesungen wird. Das weiße, alte Holzhaus der Bottorff-Family lag gut sieben Kilometer vom nächsten Ort entfernt, Ellsworth, 450 Einwohner. Zur Schule ging ich in Jewell, der nächsten Kleinstadt mit 1200 Einwohnern. Die Bottorffs hatten drei Söhne – meine drei Gastbrüder:
"This is American brother Keith here."
"This is American brother Keith here."
Keith, der älteste, war so alt wie ich. Gemeinsam besuchten wir die zwölft, die Abschlussklasse der High School. Keith war fleißig, ein guter Schüler, ein guter Sportler und Mitglied der Schulband.
"This is Kevin speaking."
"This is Kevin speaking."
Kevin, der mittlere der Bottorff-Söhne, war 14 und drückte sich – wie ich – so gut es ging vor der Arbeit auf der Farm. Er las gern, war kein sehr guter Schüler und enttäuschte seinen Dad auch als Sportler.
"This is Kyle."
"This is Kyle."
Kyle war der jüngste. Sieben Jahre alt und wie Keith ein braver, strebsamer und arbeitsamer Sohn.
"This is Kathryn."
"This is Kathryn."
Kathryn war unsere Mom. Sie war das Herz und die Seele der Familie. Sie dirigierte die Familie, erledigte den Haushalt, packte, wenn nötig, auch auf der Farm mit an und engagierte sich darüber hinaus in sozialen Einrichtungen. Sie war eine kluge, selbstbewusste, einfühlsame Frau, ohne die ich es wahrscheinlich keine zwei Monate auf der Farm ausgehalten hätte. Kathryn war die einzige, die sich mit mir unterhielt, mich in Schutz nahm und auf meine Probleme einging. Ihr Lachen werde ich nie vergessen.
Und dann war da noch Kenneth, unser Dad. Farmer mit Leib und Seele. Um fünf stand er auf, schuftete den ganzen Tag, um abends, oft mitten im Gespräch, im Sessel einzuschlafen. Kenneth redete nicht viel, und wenn, dann meistens über die Arbeit.
Und dann war da noch Kenneth, unser Dad. Farmer mit Leib und Seele. Um fünf stand er auf, schuftete den ganzen Tag, um abends, oft mitten im Gespräch, im Sessel einzuschlafen. Kenneth redete nicht viel, und wenn, dann meistens über die Arbeit.
Irgendwo im mittleren Westen
Iowa liegt im mittleren Westen der USA, am Westufer des Mississippi. Drei Millionen Einwohner, auch heute noch, fast alle weiß. Iowa lebt von der Landwirtschaft, vor allem Mais, Sojabohnen, Schweinen und Rindern. Der einzige US-Präsident, der in Iowa geboren wurde, war Herbert Hoover, dessen Präsidentschaft im Debakel der Wirtschaftskrise von 1929 endete. Politisch schwankt Iowa traditionell zwischen Republikanern und Demokraten. Bei der letzten Wahl siegte Donald Trump mit großem Vorsprung.
An jedem Sonntag, dem einzigen Ruhetag, gingen wir in die Methodisten-Kirche in Ellsworth. An der Orgel saß Genevieve Kuhfus, eine aufgeschlossene, fortschrittliche Frau, die mich gern mit deutschen Liedern überraschte. Oder mit Bob Dylan. Genevieve war auch meine Sonntagsschullehrerin. Gemeinsam langweilten wir die anderen in der Klasse mit politischen Diskussionen.
Zur Schule gingen Keith und ich an der South Hamilton High School in Jewell. Ich war der erste Austauschschüler, den die Schule je hatte. Die Schulgebäude waren baufällig, aber es war eine fantastische Schule: ein paar hundert Schüler in drei Jahrgängen und wunderbare Lehrer.
An jedem Sonntag, dem einzigen Ruhetag, gingen wir in die Methodisten-Kirche in Ellsworth. An der Orgel saß Genevieve Kuhfus, eine aufgeschlossene, fortschrittliche Frau, die mich gern mit deutschen Liedern überraschte. Oder mit Bob Dylan. Genevieve war auch meine Sonntagsschullehrerin. Gemeinsam langweilten wir die anderen in der Klasse mit politischen Diskussionen.
Zur Schule gingen Keith und ich an der South Hamilton High School in Jewell. Ich war der erste Austauschschüler, den die Schule je hatte. Die Schulgebäude waren baufällig, aber es war eine fantastische Schule: ein paar hundert Schüler in drei Jahrgängen und wunderbare Lehrer.
Einmal im Jahr wurde ein Theaterstück aufgeführt. 1967 war es "Anne Frank".
Im zweiten Semester meines Senior-Jahres stand wie jedes Jahr ein Musical auf dem Programm, "South Pacific". Am Dirigentenpult stand Max Wittlock. Max war fast blind, was man ihm jedoch kaum anmerkte. Aus Farmkindern formte er eine Marching Band, ein Orchester und einen Haufen Sänger, die sogar ein aufwendiges Musical fast fehlerfrei auf die Bühne brachten. Max liebte die Musik und er liebte es zu unterrichten.
Max Wittlock: "Ganz egal, welche Instrumentierung eigentlich vorgesehen war, ich bin immer mit dem ausgekommen, was ich hatte. Wenn 20 Schüler Klarinette spielten, na gut, dann gab es eben 20 Klarinetten. Wenn es 20 Trompetenspieler gab, dann spielten wir eben mit 20 Trompeten oder Posaunen. Wenn wir unsere Musicals aufführten, nahmen wir statt der Streichinstrumente eine Orgel, die dann die Parts der Streicher übernahm."
Der Vietnamkrieg ist weit weg
Auch Keith, Kevin und Kyle musizierten bei Max. Ein halbes Jahrhundert später erzählte mir Kyle im Rückblick:
"Meine Mutter glaubte an eine umfassende Erziehung und deshalb haben wir auch am Musikprogramm der Schule teilgenommen. Ich war in der Marching Band, der Jazzband und im Orchester. Außerdem habe ich viel Sport gemacht. Nach einem normalen Schultag war ich also erst mal zwei, drei Stunden beim Training und danach bei den Musikproben. Mein Vater hat das unterstützt, obwohl ich ihm dann viel weniger auf der Farm helfen konnte."
1968 – das war die Zeit des Vietnamkriegs, mit inzwischen fast einer halben Million US-Soldaten. Die Zahl der amerikanischen Verluste stieg und stieg und der Protest gegen den Krieg nahm kontinuierlich zu. 1968 war ein Wahljahr. Die erneute Kandidatur des demokratischen Präsidenten Lyndon B. Johnson schien außer Frage zu stehen. Doch nicht nur auf der Straße, auch im Kongress regte sich jetzt vorsichtiger Widerstand. In dieser Situation entschloss sich der relativ unbekannte Senator von Massachusetts, Eugene McCarthy, gegen Johnson zu kandidieren. Geld hatte McCarthy nicht, aber eine euphorische Schar von Studenten, die für ihren Kandidaten und für Frieden in Vietnam von Haus zu Haus gingen.
Den Studenten gehe es nicht nur um den Krieg, sondern auch um die Beteiligung am politischen Prozess, hatte Eugene McCarthy erkannt. Ich, der gar kein Amerikaner war, verfolgte den Wahlkampf intensiv und war von diesem Kandidaten begeistert: McCarthy war unaufgeregt, ein Intellektueller, dem alles Populistische abging.
Die Vorwahlen in New Hampshire endeten mit einer Sensation. McCarthy, dem vielleicht zehn Prozent der Stimmen vorhergesagt worden waren, lag fast gleichauf mit Johnson. Bei der nächsten Vorwahl in Wisconsin lag er plötzlich in den Umfragen vorn. Johnson stand vor einer Demütigung und zog sich überraschend zurück.
Wenige Tage zuvor hatte auch Robert Kennedy, der jüngere Bruder des ermordeten Präsidenten John F. Kennedy, erkannt, dass Johnson schlagbar war und ein Friedenskandidat gute Aussichten auf den Sieg hatte. Jetzt stieg er in den Ring.
Ich war empört. Jetzt, da McCarthy die Saat ausgebracht hatte, wollte Kennedy die Früchte ernten. Wie die meisten jungen McCarthy-Anhänger blieb ich ihm treu und war eher abgestoßen von Bobby Kennedys Pathos, das viele andere mitriss.
Robert F. Kennedy siegte in den nächsten Vorwahlen, in Oregon jedoch gewann McCarthy. Die Entscheidung musste in Kalifornien fallen. An dem Tag, an dem Bobby Kennedy starb.
"Meine Mutter glaubte an eine umfassende Erziehung und deshalb haben wir auch am Musikprogramm der Schule teilgenommen. Ich war in der Marching Band, der Jazzband und im Orchester. Außerdem habe ich viel Sport gemacht. Nach einem normalen Schultag war ich also erst mal zwei, drei Stunden beim Training und danach bei den Musikproben. Mein Vater hat das unterstützt, obwohl ich ihm dann viel weniger auf der Farm helfen konnte."
1968 – das war die Zeit des Vietnamkriegs, mit inzwischen fast einer halben Million US-Soldaten. Die Zahl der amerikanischen Verluste stieg und stieg und der Protest gegen den Krieg nahm kontinuierlich zu. 1968 war ein Wahljahr. Die erneute Kandidatur des demokratischen Präsidenten Lyndon B. Johnson schien außer Frage zu stehen. Doch nicht nur auf der Straße, auch im Kongress regte sich jetzt vorsichtiger Widerstand. In dieser Situation entschloss sich der relativ unbekannte Senator von Massachusetts, Eugene McCarthy, gegen Johnson zu kandidieren. Geld hatte McCarthy nicht, aber eine euphorische Schar von Studenten, die für ihren Kandidaten und für Frieden in Vietnam von Haus zu Haus gingen.
Den Studenten gehe es nicht nur um den Krieg, sondern auch um die Beteiligung am politischen Prozess, hatte Eugene McCarthy erkannt. Ich, der gar kein Amerikaner war, verfolgte den Wahlkampf intensiv und war von diesem Kandidaten begeistert: McCarthy war unaufgeregt, ein Intellektueller, dem alles Populistische abging.
Die Vorwahlen in New Hampshire endeten mit einer Sensation. McCarthy, dem vielleicht zehn Prozent der Stimmen vorhergesagt worden waren, lag fast gleichauf mit Johnson. Bei der nächsten Vorwahl in Wisconsin lag er plötzlich in den Umfragen vorn. Johnson stand vor einer Demütigung und zog sich überraschend zurück.
Wenige Tage zuvor hatte auch Robert Kennedy, der jüngere Bruder des ermordeten Präsidenten John F. Kennedy, erkannt, dass Johnson schlagbar war und ein Friedenskandidat gute Aussichten auf den Sieg hatte. Jetzt stieg er in den Ring.
Ich war empört. Jetzt, da McCarthy die Saat ausgebracht hatte, wollte Kennedy die Früchte ernten. Wie die meisten jungen McCarthy-Anhänger blieb ich ihm treu und war eher abgestoßen von Bobby Kennedys Pathos, das viele andere mitriss.
Robert F. Kennedy siegte in den nächsten Vorwahlen, in Oregon jedoch gewann McCarthy. Die Entscheidung musste in Kalifornien fallen. An dem Tag, an dem Bobby Kennedy starb.
Watergate war ein Weckruf
Während ich den Wahlkampf engagiert und entsetzt verfolgte, interessierten sich meine amerikanischen Mitschüler kaum dafür. Doch sie ließen mich gewähren. Ich agitierte gegen den Krieg, allein auf weiter Flur, aber man ließ mir meine Meinung. Nicht einmal die drohende Gefahr, nach Ende der Schulzeit nach Vietnam geschickt zu werden, schien sie zu beunruhigen. Keith, der älteste der Bottorff-Brüder, sagt im Rückblick:
"Heute ist es mir peinlich, aber damals scherte mich das nicht. Uns interessierten unsere Zensuren, Sport, Dates, unsere Freunde. Manche Leute werden nicht früh genug erwachsen, um zu erkennen, was in der Politik vorgeht."
Kyle: "Keith war sieben Jahre älter als ich und ich verehrte ihn als großen Bruder. Seine Fehler habe ich erst später erkannt. Er ist ja auch nur ein Mensch. Aber rückblickend kommt es mir so vor, als hätte es mich damals mehr berührt, dass Keith nach Vietnam eingezogen werden könnte. Aus unserer Schule waren ja schon ehemalige Schüler eingezogen und getötet worden. Dass hat mich schon beeindruckt."
Das Jahr 1968 endete mit der Wahl Richard Nixons zum Präsidenten. Geschickt hatte der Republikaner die tiefe Spaltung der Demokraten ausgenutzt und behauptet, er habe einen "geheimen Plan", den Krieg zu beenden, und sogar eine Reihe von Kennedy-Wählern für sich gewinnen können. Der Krieg sollte noch Jahre dauern – länger als Nixons Präsidentschaft, die 1974 vom Watergate-Skandal beendet wurde.
Die schmachvolle Amtszeit Nixons verfolgte ich wieder von Deutschland aus. Im Sommer 1968 war ich aus den USA zurückgekehrt und schrieb hin und wieder Briefe an meine amerikanische Familie, in denen ich ihnen mitteilte, ihr Präsident sei ein Gauner. Niemand widersprach.
Kyle: "Watergate war ein politischer Weckruf für mich. Zusätzlich zum Vietnamkrieg. Ich wurde dann zwar auch nicht politisch aktiv, aber ich begann, das politische Geschehen aufmerksamer zu verfolgen."
Das sagte mir Kyle jetzt, als ich wieder in den USA unterwegs war und meine amerikanische Familie besuchte.
"Heute ist es mir peinlich, aber damals scherte mich das nicht. Uns interessierten unsere Zensuren, Sport, Dates, unsere Freunde. Manche Leute werden nicht früh genug erwachsen, um zu erkennen, was in der Politik vorgeht."
Kyle: "Keith war sieben Jahre älter als ich und ich verehrte ihn als großen Bruder. Seine Fehler habe ich erst später erkannt. Er ist ja auch nur ein Mensch. Aber rückblickend kommt es mir so vor, als hätte es mich damals mehr berührt, dass Keith nach Vietnam eingezogen werden könnte. Aus unserer Schule waren ja schon ehemalige Schüler eingezogen und getötet worden. Dass hat mich schon beeindruckt."
Das Jahr 1968 endete mit der Wahl Richard Nixons zum Präsidenten. Geschickt hatte der Republikaner die tiefe Spaltung der Demokraten ausgenutzt und behauptet, er habe einen "geheimen Plan", den Krieg zu beenden, und sogar eine Reihe von Kennedy-Wählern für sich gewinnen können. Der Krieg sollte noch Jahre dauern – länger als Nixons Präsidentschaft, die 1974 vom Watergate-Skandal beendet wurde.
Die schmachvolle Amtszeit Nixons verfolgte ich wieder von Deutschland aus. Im Sommer 1968 war ich aus den USA zurückgekehrt und schrieb hin und wieder Briefe an meine amerikanische Familie, in denen ich ihnen mitteilte, ihr Präsident sei ein Gauner. Niemand widersprach.
Kyle: "Watergate war ein politischer Weckruf für mich. Zusätzlich zum Vietnamkrieg. Ich wurde dann zwar auch nicht politisch aktiv, aber ich begann, das politische Geschehen aufmerksamer zu verfolgen."
Das sagte mir Kyle jetzt, als ich wieder in den USA unterwegs war und meine amerikanische Familie besuchte.
Die Krise in den 80ern erschüttert die Region
Auf Nixon und seinen unmittelbaren Nachfolger Gerald Ford folgte der unglückliche Jimmy Carter, ein fleißiger, ehrenwerter und religiöser Mann, der Politik mit moralischem Anspruch machen wollte und an der bitteren Realität der Weltpolitik scheiterte. Anfang der achtziger Jahre wollte Amerika seinen Traum zurück, wollte wieder glauben, das größte, schönste, beste Land der Welt zu sein, wie im Kino.
Die Parteien begannen unter Ronald Reagan, weiter auseinander zu driften. Einer meiner Lehrer an der South Hamilton High School war Richard Steffen, damals noch ein junger Mann, Mitte 20. Dick, wie ihn alle nannten, war erklärter Republikaner. Als ich ihn Mitte der 80er-Jahre besuchte, war er sich schon nicht mehr sicher:
"Der Hauptgrund, warum ich mich Republikaner nenne, ist, dass meine Eltern Republikaner waren, dass ich in einer republikanischen Familie aufgewachsen bin. Jetzt ist es mir ausgesprochen peinlich zu sagen, dass Ronald Reagan mein Präsident ist. Für mich ist Ronald Reagan einer der oberflächlichsten Männer, die je im Oval Office saßen. Ich habe ihn nicht unterstützt und ich habe ihn nicht gewählt. Bei unserer lokalen Parteiversammlung habe ich, als Lehrer für Politik, erklärt, dass Ronald Reagan so weit rechts stehe, dass er auf gar keinen Fall eine Chance hätte, Präsident zu werden."
Dick blieb damals noch ein paar Jahre registrierter Republikaner, einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten hat er nie wieder gewählt.
In den achtziger Jahren geriet die amerikanische Landwirtschaft in eine Krise, die größte seit der großen Depression unter Hoover. Ländliche Kommunen im mittleren Westen und im ganzen Land wurden buchstäblich vernichtet. Familien mussten ihr Land verlassen, Kreditgeber gingen bankrott und viele Geschäfte mussten für immer schließen. Es war in Iowa eine Zeit des Widerstandes gegen die Regierung und des Protestes.
Auch die Bottorffs waren von der Krise betroffen. Vater Kenneth hatte sich schon mehr oder weniger zur Ruhe gesetzt und Kevin, dem zweitgeborenen Sohn, einen Großteil der Verantwortung überlassen. Kevin war Ende der siebziger Jahre auf die elterliche Farm zurückgekehrt, nachdem er in Minneapolis eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker gemacht, dort sieben Jahre lang gearbeitet und Linda geheiratet hatte. Er und seine Frau lebten nun in einem großen Wohnwagen neben dem alten Farm-Haus. Kevin erzählte damals:
"Wenn meine Frau nicht in der Stadt arbeiten würde, würden wir verhungern. Wir leben vom Einkommen meiner Frau. Alle Gewinne, die ich mit der Farm mache, muss ich reinvestieren. Der einzige Grund, warum ich überhaupt noch Landwirtschaft betreibe, ist, dass mein Vater immer gut gewirtschaftet und keine Schulden gemacht hat. Wenn er in den Siebzigern, als andere auf Teufel komm raus expandierten und sich tief verschuldeten, nicht so zurückhaltend gewesen wäre, wäre ich jetzt nicht hier. Um über die Runden zu kommen, arbeite ich auch weiterhin als Mechaniker, im Winter ohne Heizung im alten Schuppen. Aber auch alles Geld, das ich damit verdiene, investiere ich in die Werkstatt, denn so kann ich auch meine eigenen Maschinen instand halten."
Die Parteien begannen unter Ronald Reagan, weiter auseinander zu driften. Einer meiner Lehrer an der South Hamilton High School war Richard Steffen, damals noch ein junger Mann, Mitte 20. Dick, wie ihn alle nannten, war erklärter Republikaner. Als ich ihn Mitte der 80er-Jahre besuchte, war er sich schon nicht mehr sicher:
"Der Hauptgrund, warum ich mich Republikaner nenne, ist, dass meine Eltern Republikaner waren, dass ich in einer republikanischen Familie aufgewachsen bin. Jetzt ist es mir ausgesprochen peinlich zu sagen, dass Ronald Reagan mein Präsident ist. Für mich ist Ronald Reagan einer der oberflächlichsten Männer, die je im Oval Office saßen. Ich habe ihn nicht unterstützt und ich habe ihn nicht gewählt. Bei unserer lokalen Parteiversammlung habe ich, als Lehrer für Politik, erklärt, dass Ronald Reagan so weit rechts stehe, dass er auf gar keinen Fall eine Chance hätte, Präsident zu werden."
Dick blieb damals noch ein paar Jahre registrierter Republikaner, einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten hat er nie wieder gewählt.
In den achtziger Jahren geriet die amerikanische Landwirtschaft in eine Krise, die größte seit der großen Depression unter Hoover. Ländliche Kommunen im mittleren Westen und im ganzen Land wurden buchstäblich vernichtet. Familien mussten ihr Land verlassen, Kreditgeber gingen bankrott und viele Geschäfte mussten für immer schließen. Es war in Iowa eine Zeit des Widerstandes gegen die Regierung und des Protestes.
Auch die Bottorffs waren von der Krise betroffen. Vater Kenneth hatte sich schon mehr oder weniger zur Ruhe gesetzt und Kevin, dem zweitgeborenen Sohn, einen Großteil der Verantwortung überlassen. Kevin war Ende der siebziger Jahre auf die elterliche Farm zurückgekehrt, nachdem er in Minneapolis eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker gemacht, dort sieben Jahre lang gearbeitet und Linda geheiratet hatte. Er und seine Frau lebten nun in einem großen Wohnwagen neben dem alten Farm-Haus. Kevin erzählte damals:
"Wenn meine Frau nicht in der Stadt arbeiten würde, würden wir verhungern. Wir leben vom Einkommen meiner Frau. Alle Gewinne, die ich mit der Farm mache, muss ich reinvestieren. Der einzige Grund, warum ich überhaupt noch Landwirtschaft betreibe, ist, dass mein Vater immer gut gewirtschaftet und keine Schulden gemacht hat. Wenn er in den Siebzigern, als andere auf Teufel komm raus expandierten und sich tief verschuldeten, nicht so zurückhaltend gewesen wäre, wäre ich jetzt nicht hier. Um über die Runden zu kommen, arbeite ich auch weiterhin als Mechaniker, im Winter ohne Heizung im alten Schuppen. Aber auch alles Geld, das ich damit verdiene, investiere ich in die Werkstatt, denn so kann ich auch meine eigenen Maschinen instand halten."
Die Eltern waren ihr Leben lang Demokraten
Das Leben war hart während der Krise, aber immerhin überlebte die Farm. Kevin war, wie seine Eltern, Mitte der 80er-Jahre noch Demokrat.
Kevin: "Unser Landkreis ist mehrheitlich republikanisch. Aber ich bin eingeschriebener Demokrat. Bei den letzten beiden Wahlen hat eine Mehrheit Ronald Reagan gewählt, aber jetzt will kein Nachbar mehr zugeben, für ihn gestimmt zu haben."
Kevin wuchs auf in einer traditionell demokratischen Familie. Seine Eltern Kenneth und Kathryn waren eingetragene Parteimitglieder, ihr Leben lang, auch wenn sich Kathryn gelegentlich die Freiheit nahm, republikanisch zu wählen, was für Kenneth nie in Frage kam. Als Kenneth ein junger Mann war, hatten die Demokraten unter Roosevelt die USA und die Farmer vor dem wirtschaftlichen Abgrund gerettet. Eine Grunderfahrung, die Kenneths politisches Bewusstsein ein Leben lang bestimmte.
Kevin: "Kenneth war aktiv in der Lokalpolitik. Er machte hier im Landkreis Wahlkampf für die demokratischen Kandidaten. Er hat nicht viel darüber gesprochen, aber er hat’s getan."
Kevin: "Unser Landkreis ist mehrheitlich republikanisch. Aber ich bin eingeschriebener Demokrat. Bei den letzten beiden Wahlen hat eine Mehrheit Ronald Reagan gewählt, aber jetzt will kein Nachbar mehr zugeben, für ihn gestimmt zu haben."
Kevin wuchs auf in einer traditionell demokratischen Familie. Seine Eltern Kenneth und Kathryn waren eingetragene Parteimitglieder, ihr Leben lang, auch wenn sich Kathryn gelegentlich die Freiheit nahm, republikanisch zu wählen, was für Kenneth nie in Frage kam. Als Kenneth ein junger Mann war, hatten die Demokraten unter Roosevelt die USA und die Farmer vor dem wirtschaftlichen Abgrund gerettet. Eine Grunderfahrung, die Kenneths politisches Bewusstsein ein Leben lang bestimmte.
Kevin: "Kenneth war aktiv in der Lokalpolitik. Er machte hier im Landkreis Wahlkampf für die demokratischen Kandidaten. Er hat nicht viel darüber gesprochen, aber er hat’s getan."
Für Kenneth gab es nichts anderes als die Landwirtschaft. Im Krieg war er bei der Marine gewesen und bis nach Japan gekommen. Danach befand er, er habe er genug von der Welt gesehen, obwohl Kathryn gern mit ihm gereist wäre. Schon sein Vater war Farmer gewesen, doch von seinen Kindern erwartete er nie, dass sie ihm folgten. Kenneth wollte ebenso wie Kathryn, dass seine Söhne eine gute Ausbildung bekämen und etwas aus ihrem Leben machten. Dafür haben die beiden gesorgt. Dass ausgerechnet Kevin, der wie ich nur widerwillig mitgearbeitet hatte, schließlich die Farm übernehmen würde, wird ihn ebenso überrascht haben wie alle anderen. Für Keith und Kyle, die als Kinder und Jugendliche mit großem Eifer mitgeschuftet hatten, kam das Landleben nie in Frage. Ende der 90er-Jahre erzählte mir Kyle:
"Nach dem Schulabschluss ging ich aufs College und machte Abschlüsse in Betriebswirtschaft und Chemie. Anschließend wechselte ich auf die Universität und promovierte schließlich in organischer Chemie. Als ich ein Jobangebot von einem großen Chemieunternehmen bekam, zog ich an die Ostküste nach Delaware, kam in der Firma voran und heiratete meine Frau Peggy. Wir haben zwei wunderbare Töchter. Ich war immer abenteuerlustig und wollte die Welt sehen. Als Farmer hast Du kaum Gelegenheit, Urlaub zu machen. Du bist ans Land gefesselt, Du musst für das Vieh sorgen und kannst einfach nicht weg. Ich aber konnte es nicht erwarten, die Welt zu sehen."
Ähnlich erging es Keith, der nach dem College für ein paar Jahre nach Kalifornien zog, um schließlich in Kansas City eine eigene Firma aufzubauen.
Keith: "Ich vermittle Geschäfte zwischen Herstellern und Großhändlern. Zu meinen Kunden gehört ein Reihe von Süßwarenproduzenten und vor allem Großhändler, die Automatenaufsteller beliefern. Ich bin einer von den berüchtigten Mittelsmännern, aber ich betone immer, dass ich ein sehr wichtiger Mittelsmann bin."
Ein Republikaner, der Bill Clinton vermisst
Das herzerfrischende Lachen hat Keith von seiner Mutter geerbt. Keith ist seit einigen Jahrzehnten Republikaner. Nachdem er sich zunächst überhaupt nicht für Politik interessiert hatte.
Keith: "Ich habe, glaube ich, erst Mitte 30 zum ersten Mal gewählt. Politik hat mich erst interessiert, als ich ein Haus kaufte und eine Menge Steuern zahlen musste."
Was liegt da näher, als Republikaner zu werden. Das ist Keith bis heute geblieben, auch wenn er mit dem Rechtsruck der Partei hadert. Bis heute hat er nie für einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten gestimmt. Umso überraschender das Geständnis:
"Ich vermisse Bill Clinton. Bill Clinton war viel besser ..."
"Aber Du hast ihn nicht gewählt."
Keith: "Ich habe, glaube ich, erst Mitte 30 zum ersten Mal gewählt. Politik hat mich erst interessiert, als ich ein Haus kaufte und eine Menge Steuern zahlen musste."
Was liegt da näher, als Republikaner zu werden. Das ist Keith bis heute geblieben, auch wenn er mit dem Rechtsruck der Partei hadert. Bis heute hat er nie für einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten gestimmt. Umso überraschender das Geständnis:
"Ich vermisse Bill Clinton. Bill Clinton war viel besser ..."
"Aber Du hast ihn nicht gewählt."
"Ich weiß. Aber hinterher ist man immer schlauer."
Bill Clinton, der Demokrat aus Arkansas, Präsident von 1993 bis 2001, schaffte es, den alten republikanischen Traum zu erfüllen, den Staatshaushalt auszugleichen. Dennoch verfolgten ihn die konservativen Republikaner vom ersten Tag seiner Amtszeit an. Fast hätten sie es geschafft, ihn zu stürzen – wegen seiner Sex-Affäre mit Monica Lewinsky, einer Praktikantin im Weißen Haus.
Kathryn, meine ehemalige Gastmutter in Iowa, verweigerte Clinton bei der Wiederwahl wegen seines zügellosen Sexuallebens ihre Stimme. Kenneth, der alte Demokrat, aber blieb unerschüttert. Er war jetzt voll und ganz im Ruhestand, war mit Kathryn in ein neues Haus ins Nachbarstädtchen Jewell gezogen, genoss, zu unser aller Überraschung, den Müßiggang und verbrachte die Vormittage mit seinen alten Kumpels in der Malibu Lounge, einem typisch amerikanischen Diner mit Plastikbestuhlung. "Coffee with the boys," nannte er es. Hier diskutierten die alten Herren das Wetter, die Farmpreise und die große Politik. Über die Parteigrenzen hinweg – damals ging das, was heute kaum mehr möglich ist, weil die Stimmung so aufgeladen ist. Die einen mochten Clinton, die anderen nicht. Aber in einem seien sie sich alle einig gewesen, erzählte Kenneth, das Theater in Washington sei doch albern. Die einen, erklärte Kenneth, hätten gesagt: "So what." Und die anderen seien neidisch gewesen.
Die Bottorff family war in den neunziger Jahren weiter gewachsen. Kevin, der Farmer, und seine Frau Linda hatten jetzt eine Tochter und einen Sohn; Kyle, der jüngste Sohn, und seine Frau Peggy noch ein drittes Kind, einen Sohn; nur Keith, der älteste, blieb, auch in zweiter Ehe, kinderlos.
Bill Clinton, der Demokrat aus Arkansas, Präsident von 1993 bis 2001, schaffte es, den alten republikanischen Traum zu erfüllen, den Staatshaushalt auszugleichen. Dennoch verfolgten ihn die konservativen Republikaner vom ersten Tag seiner Amtszeit an. Fast hätten sie es geschafft, ihn zu stürzen – wegen seiner Sex-Affäre mit Monica Lewinsky, einer Praktikantin im Weißen Haus.
Kathryn, meine ehemalige Gastmutter in Iowa, verweigerte Clinton bei der Wiederwahl wegen seines zügellosen Sexuallebens ihre Stimme. Kenneth, der alte Demokrat, aber blieb unerschüttert. Er war jetzt voll und ganz im Ruhestand, war mit Kathryn in ein neues Haus ins Nachbarstädtchen Jewell gezogen, genoss, zu unser aller Überraschung, den Müßiggang und verbrachte die Vormittage mit seinen alten Kumpels in der Malibu Lounge, einem typisch amerikanischen Diner mit Plastikbestuhlung. "Coffee with the boys," nannte er es. Hier diskutierten die alten Herren das Wetter, die Farmpreise und die große Politik. Über die Parteigrenzen hinweg – damals ging das, was heute kaum mehr möglich ist, weil die Stimmung so aufgeladen ist. Die einen mochten Clinton, die anderen nicht. Aber in einem seien sie sich alle einig gewesen, erzählte Kenneth, das Theater in Washington sei doch albern. Die einen, erklärte Kenneth, hätten gesagt: "So what." Und die anderen seien neidisch gewesen.
Die Bottorff family war in den neunziger Jahren weiter gewachsen. Kevin, der Farmer, und seine Frau Linda hatten jetzt eine Tochter und einen Sohn; Kyle, der jüngste Sohn, und seine Frau Peggy noch ein drittes Kind, einen Sohn; nur Keith, der älteste, blieb, auch in zweiter Ehe, kinderlos.
Ganze Städte veröden
Das Leben auf dem Lande hatte sich seit meiner Zeit als Austauschschüler dramatisch verändert. Die Durchschnittsfarm war um ein mehrfaches gewachsen, die industrielle Schweinezucht hielt ihren Einzug in Iowa und die Hauptstraßen der kleinen Städte und Orte wie Ellsworth waren weitgehend verödet. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Mit Kevin bin ich bei meinem letzten Besuch durch seinen kleinen Heimatort Ellsworth gefahren.
Kevin: "Main Street, USA, steckt in großen Schwierigkeiten. Nur wenigen Orten gelingt es, ihre Innenstädte lebendig zu halten. Es gibt kaum noch wichtige Geschäfte, nichts, was man wirklich braucht. Die Häuser verkommen und wenn sie abgerissen werden müssen, bleiben die Lücken. Hier in Ellsworth gibt es noch die Leihbibliothek und das Rathaus, aber der Lebensmittelladen ist verschwunden. Das hier war die Bar."
Wo wir uns vor 50 Jahren mit Freunden trafen und Pool-Billard spielten.
Kevin: "Main Street, USA, steckt in großen Schwierigkeiten. Nur wenigen Orten gelingt es, ihre Innenstädte lebendig zu halten. Es gibt kaum noch wichtige Geschäfte, nichts, was man wirklich braucht. Die Häuser verkommen und wenn sie abgerissen werden müssen, bleiben die Lücken. Hier in Ellsworth gibt es noch die Leihbibliothek und das Rathaus, aber der Lebensmittelladen ist verschwunden. Das hier war die Bar."
Wo wir uns vor 50 Jahren mit Freunden trafen und Pool-Billard spielten.
George W. Bush erklärt dem Terrorismus den Krieg, nach dem 11. September 2001, 9/11. Amerika befand sich nach diesem Angriff in einem patriotischen Taumel, dem sich kaum jemand entziehen konnte oder wollte.
Kevin war inzwischen, wie Keith, zum Republikaner geworden. Trotz staatlicher Farm-Subventionen fühlte er sich von der Regierung gegängelt und ungerecht behandelt. Anders als Keith, der als Geschäftsmann bis heute ein eher klassischer Republikaner geblieben ist – eher moderat in sozialen Fragen, in finanzpolitischen Fragen konservativ und irritiert vom Rechtsruck der Partei– radikalisierte sich Kevin zusehends. Er unterstützte den Irakkrieg. Und stand fest hinter Präsident Bush.
Kevin: "Wahrscheinlich war es während seiner Amtszeit, dass die Presse so mächtig wurde. Sie haben auf Bush eingedroschen und ihn zum Dummkopf erklärt und alle haben es geglaubt. Ich habe das nicht geglaubt, aber ihm waren die Hände gebunden. Das einzige, was er tun konnte, war, was er wohl lieber nicht hätte tun sollen, nämlich den Irakkrieg beginnen."
Kevin ist nach wie vor ein äußerst liebenswerter, gutmütiger und hilfsbereiter Mensch mit einem guten Schuss Selbstironie und das schwarze Schaf, das zuweilen die Welt nicht versteht.
Überall nur noch "alternative Fakten"
"Crazy", das ist für Kevin vor allem die Linke – oder was in Amerika als links gilt:
Kevin: "Wir nennen CNN aus gutem Grund ‚the Communist News Network‘. CNN ist furchtbar. Es gibt eine Menge ‚alternativer Fakten‘ auf CNN. Die Leute von Fox News, dem konservativen Nachrichtensender, sind allerdings auch keine Engel. Ich schaue mir beide an und versuche dann herauszufinden, was die Wahrheit ist."
Kevin verbringt viel Zeit vor dem PC. Er ist neugierig und interessiert und ehrlich bemüht, sich eine eigene Meinung zu bilden, die er dann lautstark verkündet.
Kevin: "Ich bin viel im Internet und versuche richtige Nachrichten zu finden. Ich will nur die Fakten. Aber es wird immer schwieriger, objektive Nachrichten zu bekommen. Also versuche ich, die Wahrheit aus den Nachrichten herauszulesen. Aber das ist schwierig. Oft weiß ich wirklich nicht, was ich denken soll. Wie soll ich mich entscheiden, wenn alle lügen, beide Seiten."
Sehr viele Amerikaner, vor allem von der Rechten, informieren sich über das Radio. Allein der ultrarechte Rush Limbaugh erreicht landesweit jede Woche rund 15 Millionen Hörer. In Iowa ist der konservative Brite Simon Conway von WHO einer der Marktführer:
Kevin: "Jeder hat seine Vorlieben, aber fast jeder hört Radio. Das Radio ist extrem wichtig. Das hier ist Simon Conway."
In den Talk Shows werden, wie auch im Internet, die verrücktesten Geschichten erzählt, von den Moderatoren wie von den Hörern: Der Klimawandel sei eine Erfindung. Obama sei nicht in den USA geboren. Bill und Hillary Clinton hätten zwischen 35 und 200 Menschen umbringen lassen. Hillary Clinton betreibe in Washington einen Drogenring. So abstrus die Geschichten auch klingen mögen – vieles blieb über die Jahre hängen.
Kevin: "Wir nennen CNN aus gutem Grund ‚the Communist News Network‘. CNN ist furchtbar. Es gibt eine Menge ‚alternativer Fakten‘ auf CNN. Die Leute von Fox News, dem konservativen Nachrichtensender, sind allerdings auch keine Engel. Ich schaue mir beide an und versuche dann herauszufinden, was die Wahrheit ist."
Kevin verbringt viel Zeit vor dem PC. Er ist neugierig und interessiert und ehrlich bemüht, sich eine eigene Meinung zu bilden, die er dann lautstark verkündet.
Kevin: "Ich bin viel im Internet und versuche richtige Nachrichten zu finden. Ich will nur die Fakten. Aber es wird immer schwieriger, objektive Nachrichten zu bekommen. Also versuche ich, die Wahrheit aus den Nachrichten herauszulesen. Aber das ist schwierig. Oft weiß ich wirklich nicht, was ich denken soll. Wie soll ich mich entscheiden, wenn alle lügen, beide Seiten."
Sehr viele Amerikaner, vor allem von der Rechten, informieren sich über das Radio. Allein der ultrarechte Rush Limbaugh erreicht landesweit jede Woche rund 15 Millionen Hörer. In Iowa ist der konservative Brite Simon Conway von WHO einer der Marktführer:
Kevin: "Jeder hat seine Vorlieben, aber fast jeder hört Radio. Das Radio ist extrem wichtig. Das hier ist Simon Conway."
In den Talk Shows werden, wie auch im Internet, die verrücktesten Geschichten erzählt, von den Moderatoren wie von den Hörern: Der Klimawandel sei eine Erfindung. Obama sei nicht in den USA geboren. Bill und Hillary Clinton hätten zwischen 35 und 200 Menschen umbringen lassen. Hillary Clinton betreibe in Washington einen Drogenring. So abstrus die Geschichten auch klingen mögen – vieles blieb über die Jahre hängen.
Klimawandel? - Eine Erfindung!
Auch bei Kevin. Nie würde er "Killery" wählen. Und mit dem Klimawandel hätten die Menschen nichts zu tun:
Kevin: "Ich glaube keine Minute, dass der Klimawandel von Menschen gemacht ist. Das ist dumm. Dafür gibt es keinen Beweis."
Und die Wissenschaftler, sagt Kevin, die in aller Welt den Klimawandel für erwiesen halten, die seien doch alle gekauft. Die bekämen viel Geld für ihre manipulierten Studien. Alles nur eine Weltverschwörung, um den USA zu schaden.
Kevin: "Die Vereinten Nationen, die Unterzeichner des Pariser Abkommens, die wollen doch alle nur unser Geld, amerikanisches Geld, das in die Projekte geht. Es geht doch nur ums Geld, um unser Geld. Das ist alles erfunden!"
Was nicht heißen soll, sagt Kevin, dass wir nicht alles nur Mögliche gegen die Umweltverschmutzung tun sollten, schon um unserer Kinder willen.
Kevin: "Ich bin nicht dagegen, unsere Luft sauberer zu machen. Aber hört damit auf, uns für den Klimawandel verantwortlich zu machen, anstatt richtige Antworten auf echte Probleme zu finden."
Am 8. November 2016 geschah das Undenkbare. Der Kandidat der republikanischen Partei, Donald J. Trump, wurde zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt.
Kyle: "Ich konnte es einfach nicht fassen. Aber es zeigt, wie sehr ich von der anderen Hälfte des Landes isoliert war, denn die Leute, die ihn gewählt haben, waren nicht überrascht. Aber ich hatte mir einfach nicht vorstellen können, dass jemand, der so verrückt war wie Trump, in einem rational denkenden Land gewählt werden könnte. Ich war total überrascht, geschockt. Ich bin immer noch geschockt."
Kyle und seine Frau Peggy waren entsetzt. Seine Brüder Keith und Kevin haben Trump gewählt. Beide sagen, sie hätten lieber einen anderen Republikaner im Oval Office gesehen, aber als Republikaner hätten sie eben den Kandidaten ihrer Partei gewählt.
Kevin: "Ich glaube keine Minute, dass der Klimawandel von Menschen gemacht ist. Das ist dumm. Dafür gibt es keinen Beweis."
Und die Wissenschaftler, sagt Kevin, die in aller Welt den Klimawandel für erwiesen halten, die seien doch alle gekauft. Die bekämen viel Geld für ihre manipulierten Studien. Alles nur eine Weltverschwörung, um den USA zu schaden.
Kevin: "Die Vereinten Nationen, die Unterzeichner des Pariser Abkommens, die wollen doch alle nur unser Geld, amerikanisches Geld, das in die Projekte geht. Es geht doch nur ums Geld, um unser Geld. Das ist alles erfunden!"
Was nicht heißen soll, sagt Kevin, dass wir nicht alles nur Mögliche gegen die Umweltverschmutzung tun sollten, schon um unserer Kinder willen.
Kevin: "Ich bin nicht dagegen, unsere Luft sauberer zu machen. Aber hört damit auf, uns für den Klimawandel verantwortlich zu machen, anstatt richtige Antworten auf echte Probleme zu finden."
Am 8. November 2016 geschah das Undenkbare. Der Kandidat der republikanischen Partei, Donald J. Trump, wurde zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt.
Kyle: "Ich konnte es einfach nicht fassen. Aber es zeigt, wie sehr ich von der anderen Hälfte des Landes isoliert war, denn die Leute, die ihn gewählt haben, waren nicht überrascht. Aber ich hatte mir einfach nicht vorstellen können, dass jemand, der so verrückt war wie Trump, in einem rational denkenden Land gewählt werden könnte. Ich war total überrascht, geschockt. Ich bin immer noch geschockt."
Kyle und seine Frau Peggy waren entsetzt. Seine Brüder Keith und Kevin haben Trump gewählt. Beide sagen, sie hätten lieber einen anderen Republikaner im Oval Office gesehen, aber als Republikaner hätten sie eben den Kandidaten ihrer Partei gewählt.
Ein Stück Heimat
Drei Brüder aus Iowa: Keith, Kevin und Kyle Bottorff, jetzt alle über 60. Ihre Eltern sind vor einigen Jahren in hohem Alter gestorben: Kathryn 2006, Kenneth 2013. Drei amerikanische Brüder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Keith, der Geschäftsmann im Ruhestand, Kevin, der Farmer, und Kyle, der Wissenschaftler von der Ostküste. Über Politik reden die drei möglichst nicht miteinander, das gäbe nur Streit. Keith genießt seinen Ruhestand und reist viel; Kevin hat kürzlich das alte Farmhaus abgerissen – buchstäblich mit seinen eigenen Händen – und sich ein neues gebaut, er arbeitet weiter unermüdlich auf der Farm; und Kyle – Kyle lebt mit seiner Familie an der Ostküste und freut sich auf seine Pensionierung. Er und Peggy haben immer hart gearbeitet, haben ihre Kinder auf die Universität geschickt und sich kürzlich ein Ferienhaus am Wasser gekauft. Ein großes Haus mit wunderschönem Blick, Privatstrand und vielen Schlafzimmern für die ganze Familie, das sie sich leisten konnten, weil die Eltern ihnen etwas hinterlassen hatten. Was hätten die beiden dazu gesagt?
Kyle: "Ich glaube, sie wären glücklich für uns. Sie haben ihre Kinder geliebt und wenn wir glücklich waren, waren sie auch glücklich. Aber sie hätten auch gemeint, dass das hier ein unvorstellbarer Luxus sei. Sogar, als sie zu einem gewissen Wohlstand gekommen waren, konnten sie ihr Geld nicht ausgeben. In ihrer Jugend hatten ihre Familien alles verloren und sie fürchteten, dass das jederzeit wieder hätte passieren können. Geld gibt man nicht aus, wenn es nicht unbedingt sein muss!"
Vor einem halben Jahrhundert wurde ich in von den Bottorffs als Austauschschüler aufgenommen. Danach lebte ich meist in Deutschland, sie in Iowa, Kansas und Delaware. Dank der Bottorffs blieb Amerika für mich immer ein Stück Heimat - ein Land, das weit mehr war als seine Präsidenten.
Wir haben uns alle verändert, aber wir blieben "family".
Wann immer ich die Bottorffs auf ihrer Farm in Iowa besuchte, war das für Kathryn ein Grund, Verwandte, Nachbarn und Freunde zusammenzutrommeln.
"Ulf ist da."
Kyle: "Ich glaube, sie wären glücklich für uns. Sie haben ihre Kinder geliebt und wenn wir glücklich waren, waren sie auch glücklich. Aber sie hätten auch gemeint, dass das hier ein unvorstellbarer Luxus sei. Sogar, als sie zu einem gewissen Wohlstand gekommen waren, konnten sie ihr Geld nicht ausgeben. In ihrer Jugend hatten ihre Familien alles verloren und sie fürchteten, dass das jederzeit wieder hätte passieren können. Geld gibt man nicht aus, wenn es nicht unbedingt sein muss!"
Vor einem halben Jahrhundert wurde ich in von den Bottorffs als Austauschschüler aufgenommen. Danach lebte ich meist in Deutschland, sie in Iowa, Kansas und Delaware. Dank der Bottorffs blieb Amerika für mich immer ein Stück Heimat - ein Land, das weit mehr war als seine Präsidenten.
Wir haben uns alle verändert, aber wir blieben "family".
Wann immer ich die Bottorffs auf ihrer Farm in Iowa besuchte, war das für Kathryn ein Grund, Verwandte, Nachbarn und Freunde zusammenzutrommeln.
"Ulf ist da."