Ein Dramatiker im Film

Von Susanne Lettenbauer |
Ein Festival in Augsburg erinnert an den 1898 in der Stadt geborenen Dramatiker Bertolt Brecht. 30 Veranstaltungen in 10 Tagen präsentiert das hochkarätige Programm und hat ein weitgehend unbekanntes Kapitel aufgeschlagen: Brecht und Film.
Film Brecht:
"An die Nachgeborenen. Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten, das arglose Bild ist töricht, eine glatte Stirn deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende hat die furchtbare Nachricht nur noch nicht empfangen."

Bertolt Brecht vor einer weißen Wand. Mitte der 1920er-Jahre auf Film gebannt. Bedächtig, ab und an in die Kamera schauend, liest er sein Gedicht, von oben herabschauend, ein wenig arrogant. Es dürften einige Augsburger an diesem Eröffnungsabend des neuen Brecht-Festivals anwesend gewesen sein, die ihn noch so kannten: maßlos von sich überzeugt, ungeliebter Sohn der Stadt. Rebellisch gegenüber dem Kleinbürgertum. Auf dem neuen Brecht-Festival darf er in den wenigen von ihm erhaltenen Filmaufnahmen im Goldenen Rathaussaal der Stadt auftreten.

Film Brecht: "Ich wäre gerne auch weise, in den alten Büchern steht was weise ist."
Brecht lebt wieder und wie. Frisch aus den Filmarchiven gezogen, bewegt sich der große Sohn der Stadt in wackelnden Bildern. Ausgegraben von dem neuen Festivalleiter Joachim Lang, leitender Fernsehredakteur beim Südwestrundfunk in Stuttgart. Filmaufnahmen, die selten oder noch nie öffentlich zu sehen waren, holt das diesjährige Festival auf die Leinwand des städtischen Thalia-Theaters.

Zwei Jahre nach dem eklattauglichen Rauswurf des Festivalleiters Albert Ostermaier trumpft die Stadt mit einem Programm auf, das die kulturpolitischen Querelen vergessen lassen will.
Da spricht Regine Lutz, eine der letzten Brechtelevinnen von der Züricher Puntila-Uraufführung von ihrem großen Vorbild. Da sind Ben Becker, Dominik Horowitz, Eva-Maria Hagen und Carmen Maja Antoni vom Berliner Ensemble zur großen Abschlussgala angekündigt. Weniger Geld als damals Albert Ostermaier stehe dem neuen Festival nicht zur Verfügung versichert das städtische Kulturamt.

Von Einsparungen, wie noch vor zwei Jahren, ist keine Rede mehr, obwohl genau das von dem neu gewählten Kulturreferenten angeführt wurde. Die Pläne für ein eigenes Festival lagen da schon längst in der Schublade. Wer da von Profilierungssucht eines Kulturreferenten munkelt wird scheel angesehen. Elemente des Ostermaier-Programms finden sich denn prompt in diesem Jahr wieder. Festivalchef Lang:

"Wir haben das popkulturelle Element gegenüber Ostermaier stark ausgebaut, aber wir machen nicht nur Literatur, sondern auch Kurzfilm und Musik, das haben wir wesentlich erweitert, Wir machen da auch mit Schulen. Wir haben eine Film gedreht mit Schülern au der Grundschule. Also wir wollen versuchen das aktive, interaktive Element noch weiter auszubauen."

Mit dem diesjährigen Schwerpunkt Brecht und Film hat Lang jedoch zielsicher einen Nerv getroffen, der das Publikum fasziniert, faszinieren muss. Wer weiss denn schon, dass der arrogante junge Bertolt Brecht gemeinsam mit dem Münchner Karl Valentin absurde Filme wie 1923 "Mysterien des Frisisersalons" drehte. Dazu Deutschlands Brecht-Kenner Jan Knopf:

"Brecht hat Valentin sehr gemocht. Er hat mit ihm ja auch die Kabarettbude auf dem Oktoberfest gemacht. Da sind sie denn auf die Idee gekommen, diesen witzigen Film zu drehen, der keinen großen Kunstanspruch hat. Da spielt Valentin den Friseur, der seinem Kunden den Kopf abschneidet und versucht, ihn wieder aufzusetzen."

Das Medium Film faszinierte Brecht schon in den 1920er-Jahren, lange vor seinen Drehbüchern zu "Kuhle Wampe" und "Mutter Courage". So hängte er weisse Gardinen auf die Bühne, projizierte darauf Filme und Gedichte.

"Er hat nicht gesagt, die Medien auf die Bühne zu stellen. Das sei fremd, sondern das, was die Medien mit ihren Apparaten können auf dem Theater mit theatralischen Mitteln zu machen. Das war seine Idee.

Es gab ja die Nähergardine, die Brecht-Gardine hiess, die wurde für Schnitte eingesetzt, wie ein Filmschnitt. Man macht sie zu, dann hat man einen neuen Bühenraum geschaffen oder man macht sie au, dann hat man plötzlich wieder die Totale."

Im Exil nach der Flucht aus Nazideutschland versuchte sich Brecht an Hollywood, drehte mit Fritz Lang einen Film über die NS-Zeit in Prag und lernte die Niederungen das Filmgeschäfts kennen:

Knopf: "Er war erfolgreicher als der Ruf ist. Er berichtet u.a. davon, dass ihm eine Filmstorys geklaut wurde. Das war eben üblich. Viele Drehbücher, die er angeboten hat, wurden nicht umgesetzt, aber er bekam schon Geld dafür. Von Hang man also died wissen wir jetzt dass er beteiligt war. Es war nicht so, dass Brecht überhaupt keinen Einfluss hatte, aber er hat Hollywood nicht prägen können, im Gegenteil."
So überwarf sich Brecht sehr bald mit seinem Kollegen Fritz Lang. Filmkunst und Filmunterhaltung passten nicht zusammen, so Knopf:

"Da haben sie sich eben gekappelt. Der Brecht wollte sehr viel mehr Volksszenen haben und der Fritz Lang hat gesagt, du mit deinem Volk, du kannst mich mal, ich will meinen Krimi haben."
Also zog sich Brecht wieder auf die Bühne zurück, inszenierte mit Hollywood-Star Charles Laughton das gemeinsam konzipierte Stück "Galileo". Filmmaterial ist aus dieser Zeit leider nicht erhalten, sagt Festivalchef Joachim Lang. Dafür präsentierte Dokudramatiker Heinrich Breloer die letzten Bilder der Brecht Freundin Paula:

"Ja ich glaube, das war das erste Mal, dass ich durch einen Zufall fand, man muss diese Stimmen festhalten. Sie sind alle tot seid vielen Jagren. Während wir hier sitzen, sprechen sie noch einmal, werden lebendig. Das ist doch hundertmal besser als einen Text zu lesen, als die Person tatsächlich zu sehen."

Das neue Brecht-Festival in Augsburg schlägt nach den Querelen tatsächlich ein neues, ein spannendes Kapitel der Brecht-Rezeption auf. Beendet mit einer Gala am 10. Februar, bei der pikanterweise Albert Ostermaier der diesjährige Brecht-Preis übergeben wird. Eine Auszeichnung für den Lyriker und nicht für den geschassten Festivalleiter, heißt es aus dem wortkargen Kulturreferat.
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