Ein Dirigentenwunder
Der junge israelisch-amerikanische Dirigent Yoel Gamzou hat sein eigenes Orchester gegründet und es längst zu internationalem Ruhm geführt. Zum Abschluss der Jüdischen Kulturtage 2010 hat der 23-Jährige einen Meilenstein gesetzt - und Gustav Mahlers 10. Symphonie vollendet.
Yoel Gamzou: "Nach drei Monaten mit ungefähr zwei Stunden Schlaf pro Nacht, bin ich nicht nur schizophren, sondern einfach erschöpft. Das war schon Wahnsinn, die letzten zwei, drei Monate waren echt ... anstrengend."
23 Jahre jung ist Yoel Gamzou, mittelgroß und schlacksig, dunkles Haar – und im Moment ebenso dunkle Augenringe. Sieben Jahre hat er damit verbracht, Mahlers unvollendete 10. Symphonie zu Ende zu schreiben. Erst als der Termin der Uraufführung feststand, vor drei Monaten, begann er damit, alles, was in seinem Kopf längst fertig war, zu Papier zu bringen. Als Teenager hat er sich Gustav Mahler verschrieben. Kompromisslos.
Yoel Gamzou: "Dieses Ziel, diese Musik von Mahler, meinen Auftrag damit, zu erfüllen, war mir einfach klar. Ich bin in vielen, vielen Aspekten Autodidakt, ich bin in vielen Aspekten auch gegen das, was, sagen wir mal, die Leute beim Studium machen. Nicht unbedingt, weil es schlecht ist, sondern weil es zu mir nicht passt. Aber es war mir immer in allen Punkten klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt."
Diese Klarheit speist sich aus dem Gefühl, dass seine Seele hundert Jahre zu spät geboren sei und intensivem Selbststudium. Er kennt alle Mahler-Autographe. Sieben Jahre alt war Yoel Gamzou, als es ihn wie ein Blitz getroffen hat. Gustav Mahler sprach zu ihm wie kein anderer Komponist.
Yoel Gamzou: "Ich hatte eine sehr ungewöhnliche Kindheit. Und ich war auch ein sehr unkonventionelles Kind als Siebenjähriger. Das ist gar nicht positiv oder negativ zu sehen, nur seltsam. Aber ich hatte eine sehr klare und direkte Verbindung mit der Musik, von Anfang an. Das war irgendwie ein Schock, aber ein positiver Schock, ich war total overwhelmed, das war so klar und auch so ... richtig. Und ich wusste, dass das meins ist. Das ist mein Element! Ich weiß, manche sagen, Mahler ist nur für Dirigenten mit weißen Haaren, aber das war für mich einfach so."
Mahlers Musik wurde ihm zur inneren Heimat, denn er lebte seit frühester Kindheit abwechselnd in Tel Aviv, New York und London. Vor allem in Bibliotheken. Die fünfte und die siebte Symphonie kannte er längst in- und auswendig, da fielen ihm Mahlers Skizzen des ersten Satzes zur 10. Symphonie in die Hände.
Yoel Gamzou: "Ich war so ein Library-Animal, ich war einfach in Bibliotheken die ganze Zeit, und ich kann mich nicht wirklich erinnern, wie ich wirklich dazu gekommen bin. Wohl irgendeine Bibliothek in Israel, wo ich die Skizzen zum ersten Satz gefunden habe. Und dann hörte ich von irgendjemandem: ‚Oh, yes, der erste Satz ist fertig, aber der andere nicht.’ – ‚Aber ich habe die Skizzen gesehen, das ist gar nicht fertig.’ Also, diese Version, die die puritanischen Leute spielen als ‚richtigen Mahler’, das ist auch von irgendwelchen Herausgebern interpretiert."
Im Geiste Mahlers schreiben, das war es, was Yoel Gamzou dagegen setzen wollte. Er wurde Dirigent, überzeugte den zurückgezogen lebenden Maestro Carlo Maria Giulini, weit über 80, ihn zu unterrichten – und hat mittlerweile seinen Weg gemacht. Er gewann Erhielt einen Förderpreis beim Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb 2007, Mahlers Enkelin und die internationale Mahler-Gesellschaft unterstützen seine Arbeit. Und er gründete, mit 19, sein eigenes Orchester.
Im International Mahler Orchestra spielen Menschen aus 25 Ländern. Die meisten sind noch jung, exzellente Solisten in ihrer Heimat. Yoel Gamzou hat sie eingesammelt, bei Gastspielen in der ganzen Welt mit seiner Begeisterung angesteckt. Ohne Gage spielen sie zwei oder drei Arbeitsphasen mit Konzerten pro Jahr in der ganzen Welt – wo und so oft Maestro Gamzou das Geld eben auftreiben kann.
Daniel Robert Graf ist seit 30 Jahren Solocellist an der Frankfurter Oper. Er gehört auch zu Yoel Gamzous Anhängern. Dass der junge Komponist sich an die Vollendung von Mahlers 10. wagt, findet er gar nicht dreist.
Graf: "Er ist ein hochbegabter Mensch. Genial, hochintelligent und sehr musikalisch. Ich glaube, wenn er sagt, dass er das Geburtsimpuls empfindet, ist das eine ganz natürliche Aussage. Er hat die innere Größe, das zu machen. Ich habe ja die anderen Versionen auch schon gespielt. Mit Giehlen und anderen Dirigenten.
Und ich muss sagen, es wird sehr interessant, was aus Endresultat rauskommen wird. Man soll immer ganz offen sein. Es werden sicher noch viele Menschen eine Fassung schreiben oder einen Zusammenschluss dieser Fragmente. Und jedes wird ein wenig anders sein. Aso, ich würde sagen, es ist eine Bestandsaufnahme des Momentes. Jetzt. Und die hat sich gelohnt."
Die Uraufführung von Yoel Gamzous Fassung der 10. Symphonie ist ein bewegendes, bejubeltes Ereignis. Tatsächlich von Mahler komponierte Teile und von Yoel Gamzou weitergeschriebene Stellen fließen ineinander. Auch andere hatten sich schon an Mahlers Vermächtnis versucht.
"Alle anderen Versuche, die ich kenne – und eigentlich alle, die es gibt, klingen nach einem musikwissenschaftlichen Experiment, wo man sieht: Ok, das sieht wunderschön aus auf dem Papier, das ist sehr, sehr gut geschrieben von Leuten, die viel mehr Erfahrung als ich haben. Aber man merkt, die sind keine performing Künstler.
Und das überzeugt mich leider nicht. Wenn die Leute in ein Konzert kommen, dann nicht, um eine Vorlesung über Mahlers 10. zu hören, sondern sie wollen eine Symphonie hören. Und mein Wunsch war, die Musik so zu bearbeiten und so zu realisieren, dass es nach einer Symphonie klingt. Und es ist auch so orchestriert, wie man von Mahler erwarten würde.
Natürlich bin ich nicht Mahler. Wenn es Kontrapunkte gibt,die man dazu schreiben muss. Ich kann nur mein Bestes geben. Aber zumindest kann ich sagen, ich habe mich mein ganzes Leben sehr intensiv mit seiner Musik beschäftigt und ich hoffe, das hat was geholfen."
Minutenlange stehende Beifallsbekundungen gab es für Yoel Gamzou und sein International Mahler Orchestra. Wer schon mit 23 seine selbst gesetzte Lebensaufgabe derart meistert, von dem ist noch viel zu erwarten.
Yoel Gamzou: "Es geht nicht um mich. Ich habe mein Ego total rausgelassen. Es geht um Mahler, und darum habe ich versucht, es so mahlerisch wie möglich zu schreiben."
23 Jahre jung ist Yoel Gamzou, mittelgroß und schlacksig, dunkles Haar – und im Moment ebenso dunkle Augenringe. Sieben Jahre hat er damit verbracht, Mahlers unvollendete 10. Symphonie zu Ende zu schreiben. Erst als der Termin der Uraufführung feststand, vor drei Monaten, begann er damit, alles, was in seinem Kopf längst fertig war, zu Papier zu bringen. Als Teenager hat er sich Gustav Mahler verschrieben. Kompromisslos.
Yoel Gamzou: "Dieses Ziel, diese Musik von Mahler, meinen Auftrag damit, zu erfüllen, war mir einfach klar. Ich bin in vielen, vielen Aspekten Autodidakt, ich bin in vielen Aspekten auch gegen das, was, sagen wir mal, die Leute beim Studium machen. Nicht unbedingt, weil es schlecht ist, sondern weil es zu mir nicht passt. Aber es war mir immer in allen Punkten klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt."
Diese Klarheit speist sich aus dem Gefühl, dass seine Seele hundert Jahre zu spät geboren sei und intensivem Selbststudium. Er kennt alle Mahler-Autographe. Sieben Jahre alt war Yoel Gamzou, als es ihn wie ein Blitz getroffen hat. Gustav Mahler sprach zu ihm wie kein anderer Komponist.
Yoel Gamzou: "Ich hatte eine sehr ungewöhnliche Kindheit. Und ich war auch ein sehr unkonventionelles Kind als Siebenjähriger. Das ist gar nicht positiv oder negativ zu sehen, nur seltsam. Aber ich hatte eine sehr klare und direkte Verbindung mit der Musik, von Anfang an. Das war irgendwie ein Schock, aber ein positiver Schock, ich war total overwhelmed, das war so klar und auch so ... richtig. Und ich wusste, dass das meins ist. Das ist mein Element! Ich weiß, manche sagen, Mahler ist nur für Dirigenten mit weißen Haaren, aber das war für mich einfach so."
Mahlers Musik wurde ihm zur inneren Heimat, denn er lebte seit frühester Kindheit abwechselnd in Tel Aviv, New York und London. Vor allem in Bibliotheken. Die fünfte und die siebte Symphonie kannte er längst in- und auswendig, da fielen ihm Mahlers Skizzen des ersten Satzes zur 10. Symphonie in die Hände.
Yoel Gamzou: "Ich war so ein Library-Animal, ich war einfach in Bibliotheken die ganze Zeit, und ich kann mich nicht wirklich erinnern, wie ich wirklich dazu gekommen bin. Wohl irgendeine Bibliothek in Israel, wo ich die Skizzen zum ersten Satz gefunden habe. Und dann hörte ich von irgendjemandem: ‚Oh, yes, der erste Satz ist fertig, aber der andere nicht.’ – ‚Aber ich habe die Skizzen gesehen, das ist gar nicht fertig.’ Also, diese Version, die die puritanischen Leute spielen als ‚richtigen Mahler’, das ist auch von irgendwelchen Herausgebern interpretiert."
Im Geiste Mahlers schreiben, das war es, was Yoel Gamzou dagegen setzen wollte. Er wurde Dirigent, überzeugte den zurückgezogen lebenden Maestro Carlo Maria Giulini, weit über 80, ihn zu unterrichten – und hat mittlerweile seinen Weg gemacht. Er gewann Erhielt einen Förderpreis beim Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb 2007, Mahlers Enkelin und die internationale Mahler-Gesellschaft unterstützen seine Arbeit. Und er gründete, mit 19, sein eigenes Orchester.
Im International Mahler Orchestra spielen Menschen aus 25 Ländern. Die meisten sind noch jung, exzellente Solisten in ihrer Heimat. Yoel Gamzou hat sie eingesammelt, bei Gastspielen in der ganzen Welt mit seiner Begeisterung angesteckt. Ohne Gage spielen sie zwei oder drei Arbeitsphasen mit Konzerten pro Jahr in der ganzen Welt – wo und so oft Maestro Gamzou das Geld eben auftreiben kann.
Daniel Robert Graf ist seit 30 Jahren Solocellist an der Frankfurter Oper. Er gehört auch zu Yoel Gamzous Anhängern. Dass der junge Komponist sich an die Vollendung von Mahlers 10. wagt, findet er gar nicht dreist.
Graf: "Er ist ein hochbegabter Mensch. Genial, hochintelligent und sehr musikalisch. Ich glaube, wenn er sagt, dass er das Geburtsimpuls empfindet, ist das eine ganz natürliche Aussage. Er hat die innere Größe, das zu machen. Ich habe ja die anderen Versionen auch schon gespielt. Mit Giehlen und anderen Dirigenten.
Und ich muss sagen, es wird sehr interessant, was aus Endresultat rauskommen wird. Man soll immer ganz offen sein. Es werden sicher noch viele Menschen eine Fassung schreiben oder einen Zusammenschluss dieser Fragmente. Und jedes wird ein wenig anders sein. Aso, ich würde sagen, es ist eine Bestandsaufnahme des Momentes. Jetzt. Und die hat sich gelohnt."
Die Uraufführung von Yoel Gamzous Fassung der 10. Symphonie ist ein bewegendes, bejubeltes Ereignis. Tatsächlich von Mahler komponierte Teile und von Yoel Gamzou weitergeschriebene Stellen fließen ineinander. Auch andere hatten sich schon an Mahlers Vermächtnis versucht.
"Alle anderen Versuche, die ich kenne – und eigentlich alle, die es gibt, klingen nach einem musikwissenschaftlichen Experiment, wo man sieht: Ok, das sieht wunderschön aus auf dem Papier, das ist sehr, sehr gut geschrieben von Leuten, die viel mehr Erfahrung als ich haben. Aber man merkt, die sind keine performing Künstler.
Und das überzeugt mich leider nicht. Wenn die Leute in ein Konzert kommen, dann nicht, um eine Vorlesung über Mahlers 10. zu hören, sondern sie wollen eine Symphonie hören. Und mein Wunsch war, die Musik so zu bearbeiten und so zu realisieren, dass es nach einer Symphonie klingt. Und es ist auch so orchestriert, wie man von Mahler erwarten würde.
Natürlich bin ich nicht Mahler. Wenn es Kontrapunkte gibt,die man dazu schreiben muss. Ich kann nur mein Bestes geben. Aber zumindest kann ich sagen, ich habe mich mein ganzes Leben sehr intensiv mit seiner Musik beschäftigt und ich hoffe, das hat was geholfen."
Minutenlange stehende Beifallsbekundungen gab es für Yoel Gamzou und sein International Mahler Orchestra. Wer schon mit 23 seine selbst gesetzte Lebensaufgabe derart meistert, von dem ist noch viel zu erwarten.
Yoel Gamzou: "Es geht nicht um mich. Ich habe mein Ego total rausgelassen. Es geht um Mahler, und darum habe ich versucht, es so mahlerisch wie möglich zu schreiben."